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Titel518

Antworten

Romani Rose, Gratwanderer. – In Ihrer Eigenschaft als Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma haben Sie mit den verschiedensten Menschen zu tun, darunter Vertreter staatlicher Stellen, die Sie sich nicht aussuchen können. Dass ein Anhänger reaktionärster Deutschtumsideologie wie Hartmut Koschyk (CSU, bis 2014 Vorsitzender des Vereins für Deutsche Kulturbeziehungen im Ausland, früher: Verein für das Deutschtum im Ausland) bis vor kurzem als Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten fungierte, dafür können Sie nichts. Dass Sie Koschyks Einladung zur Präsentation seines Buches »Heimat, Identität, Glaube. Vertriebene – Aussiedler – Minderheiten im Spannungsfeld von Zeitgeschichte und Politik« ausgerechnet in der ungarischen Botschaft in Berlin annahmen und dort eine engagierte Rede »aus der Perspektive einer nationalen deutschen Minderheit« hielten, zeugt von Ihrer Unerschrockenheit. Ihre Perspektive hat offenbar nicht jedem gefallen. Die Sudetendeutsche Zeitung, Organ der Sudetendeutschen Landsmannschaft, unterschied in ihrem Bericht zwischen »Minderheiten in Deutschland« und »deutschen Minderheiten in Europa«. Über Sie heißt es: »Der aus einer Familie mit Wurzeln in Bayern und Schlesien stammende Romani Rose beschrieb die Sinti und Roma als dezidiert nationale Minderheit und nicht als europäisches Volk.« Das Eigenschaftswörtchen »deutsch« für Sinti und Roma will offenbar manchem, der sich angeblich für Minderheitenrechte stark macht, noch immer nicht über die Zunge.

 

Walter Groß, Vorsitzender des Bayerischen Richtervereins. – Das bislang geltende bayerische Richtergesetz haben Sie scharf kritisiert, es sei »eines der rückständigsten Deutschlands«. Über die Besetzung der Spitzenpositionen im Justizwesen, das heißt über die Beförderung von RichterInnen und StaatsanwältInnen in die oberste Etage, entscheidet – ohne Ausschreibung und ohne Beteiligung eines Gremiums der richterlichen Selbstverwaltung – allein die Staatsregierung. »Es ist hier noch so, wie es damals vor mehr als 130 Jahren Leonhard, der preußische Justizminister, beschrieben hat: Solange ich über die Beförderung der Richter bestimme, mag ich ihnen gerne die sogenannte Unabhängigkeit konstatieren.« So Ihr vernichtendes Urteil. Jetzt hat die CSU-Mehrheit im bayerischen Landtag das Richtergesetz zu einem Richter- und Staatsanwaltsgesetz »modernisiert«. Die Einrichtung eines unabhängigen Wahlausschusses der Richterschaft ist in der Neufassung weiterhin nicht vorgesehen. Vielmehr heißt es erneut: »Für die Ernennung der Präsidenten und Präsidentinnen der Oberlandesgerichte, des Verwaltungsgerichtshofs, des Landessozialgerichts, der Landesarbeitsgerichte und der Finanzgerichte sowie der Generalstaatsanwälte und Generalstaatsanwältinnen ist die Staatsregierung zuständig«, ausdrücklich ohne Ausschreibung. Ja, haben Sie denn geglaubt, die CSU ließe sich durch den Hinweis auf preußische Verhältnisse im 19. Jahrhundert erschrecken?

 

Florian Streibl, Verteidiger des christlichen Abendlandes. – In der Landtagsdebatte zum neuen bayerischen Richter- und Staatsanwaltsgesetz am 22. Februar haben Sie als Sprecher der Freien Wähler die Streichung des Artikels gefordert, in dem RichterInnen und StaatsanwältInnen das Tragen religiös oder weltanschaulich geprägter Symbole und Kleidungsstücke untersagt wird. Sie befürchten, der Artikel könnte auch die Kreuze an den Wänden bayerischer Gerichtssäle gefährden, und es könnte »durch die Hintertür letztlich die Laïcité ein[geführt]« werden. »Wenn man das Kreuz entfernt, dann entfernt man in meinen Augen auch das Grundgesetz aus dem Gerichtssaal.« Das Kreuz nämlich, so argumentieren Sie, symbolisiere Artikel 1 des Grundgesetzes, das heißt die Unantastbarkeit der Würde des Menschen. »Die Würde des Menschen basiert letztlich auf den christlichen Werten«, sagen Sie. Ohne Kreuz keine Würde. Sie müssten folgerichtig dafür plädieren, dass nur noch erwiesene Christen Richter und Staatsanwälte werden können. Wir sind gespannt, wie Sie das als Verwirklichung des Gleichheitsgrundsatzes und der religiösen und weltanschaulichen Neutralität des Rechtsstaates verkaufen werden.

 

Winfried Bausback, bayerischer Justizminister. – Im bayerischen Landtag haben Sie begründet, warum laut dem neuen Richter- und Staatsanwaltsgesetz des Freistaates RichterInnen und StaatsanwältInnen das (sichtbare) Tragen religiös oder weltanschaulich geprägter Symbole und Kleidungsstücke untersagt ist (»weder die Brosche des Bhagwan noch das islamische Kopftuch gehört in Bayern oder sonstwo in Deutschland auf die Richterbank«), während gleichzeitig gilt: »Die Kreuze an der Wand bleiben hängen.« Ihre Argumentation ist unwiderlegbar. Erstens: »In Bayern steht seit jeher fest, dass in bayerischen Gerichtssälen grundsätzlich Kreuze hängen.« Zweitens: Die Neutralität und Unabhängigkeit der Justizorgane wird dadurch nicht beeinträchtigt, denn »die Wand, an der das Kreuz hängt, trifft keine Entscheidung«. Wer könnte dem widersprechen?