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Titel0612

Antworten

Beate Klarsfeld, zweifache Staatsbürgerin. – Vorgeworfen wird Ihnen im Großteil der deutschen Presse, daß Sie bei Ihren Nachforschungen über ehemalige Nazifunktionäre Dokumente aus DDR-Beständen herangezogen haben. So als hätten Sie sich damals, um solche Archivalien einsehen zu können, doch an die westdeutsche Gehlen-Behörde wenden können. Die war allerdings zu jener Zeit sehr beschäftigt, damit nämlich, NS-Verbrecher vor Strafverfolgung zu behüten. 1968 bekam Reinhard Gehlen für seine Verdienste bei der Leitung des Bundesnachrichtendienstes das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik mit Stern und am Schulterband. Sollen wir diese Auszeichnung nun Ihnen wünschen? Daß Sie neben der deutschen auch die französische Staatsbürgerschaft haben, ist, so meinen wir, ein glücklicher Lebensumstand für Sie.

Franz Josef Wagner, enttäuschter Verehrer. – Ihre »Heldin« sei sie, die »Nazijägerin« Beate Klarsfeld, bekannten Sie in Ihrer beliebten Bild-Kolumne, nur: Leider habe sie sich aus Unwissenheit über deutsche Verhältnisse auf eine fiese Partei eingelassen. Da waren Sie vorschnell. Kurz darauf entdeckten die Ihnen politisch nahestehenden Zeitungen, daß Ulbricht und Mielke die Hand führten, mit der Klarsfeld den Kanzler Kiesinger ohrfeigte. Nun wird wohl nichts aus dem Bundesverdienstkreuz, das ihr, so wünschten Sie es, ein Bundespräsident Gauck verleihen sollte. Das hätten Sie doch ahnen können: Hinter der Antipathie gegen Nazis stecken in aller Regel Kommunisten.

Marieluise Beck, Systemanalytikerin.
– Großen Erfolg hatten Sie in den deutschen Medien mit Ihrem Urteil über die Präsidentschaftswahl in Rußland: »Oberflächlich« betrachtet sei es dabei ziemlich korrekt zugegangen, aber was bedeute das schon – »zu Zeiten Honeckers« habe man in der DDR auch keine formalen Verstöße feststellen können. Die Redakteure, die Ihre Äußerung aufgriffen, sahen sich in der Meinung bestätigt, in Rußland herrsche eine spätkommunistische Diktatur, und die Kandidatur des Vorsitzenden der kommunistischen Partei als Rivale Putins sei nur ein kleiner Trick des Machtapparates gewesen. Aber was nun, wie soll Rußland befreit werden? Als Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion für Osteuropapolitik haben Sie längst schon Vorschläge dazu entwickelt. Das riesige und eigentlich reiche Land müsse »näher herangerückt werden an den westlichen Markt«, ein Mann wie der Unternehmer Michail Borissowitsch Chodorkowski zum Beispiel stehe »für ein freies Rußland«. Auch könnten Konzerne der freien Welt mit wirtschaftlichen Ostinteressen, etwa das Unternehmen Siemens, bei der Demokratisierung Rußlands behilflich sein. Da ist nun noch die eine oder andere Frage zu klären. Die genannte Firma (wie manche ähnliche), sie hat ja eine lange Tradition und engagiert sich gegenwärtig in vielen Ländern, können wir uns denn darauf verlassen, daß sie nichts anderes im Sinne hat als Demokratieförderung? Der erwähnte russische, derzeit inhaftierte Unternehmer, sind Sie sicher, daß ihn nichts anderes antreibt als die wohltätige Absicht, den russischen Bürgerinnen und Bürgern politische Freiheiten zu verschaffen? Putin als eine Art Honecker – aber war es nicht so, daß in der DDR das private Eigentum an Produktionsmitteln abgeschafft war, während in Rußland heute sich privatunternehmerische Potentaten gegenseitig auf die Füße treten? In Ihren politischen Lehrjahren, bevor Sie grün wurden, haben Sie dem »Sozialdemokratischen Hochschulbund« angehört. Der hing zu jener Zeit der Theorie vom »Staatsmonopolistischen Kapitalismus« an. Gemeint war damit nicht der ostdeutsche Staat, sondern ein Westmodell, die dichte Verschränkung von privatem großen Kapital und politischer Klasse. In diesem Verständnis ließe sich das derzeitige russische gesellschaftliche System, von Jelzin aus der Taufe gehoben und an Putin weitergereicht, als in der Grundrichtung durchaus verwestlicht bewerten, und an der Freiheit zur Bereicherung fehlt es dort doch gar nicht. Sicherlich, es bleibt immer zu klären, wer von einer solchen Freiheit Gebrauch machen kann, für alle Interessenten reicht die Profitmasse nicht. Da könnte in Rußland dem Westen noch mehr Raum gegeben werden. Als Expertin für Osteuropa werden Sie, wenn der Politikbetrieb hinter Ihnen liegt, diesem unternehmerischen Anliegen nützlich sein können.

Thomas Straubhaar, Menschenfreund. – »Noch mehr Geld für Pleite-Griechen? Bild sagt Nein!« Unter dieser Titelei kommen auch Sie zu Wort, als Direktor des WeltWirtschaftsInstituts in Hamburg, und bieten eine Problemlösung an: Dem griechischen »Faß« müsse ein »Boden« verpaßt werden, indem deutsches Personal die Verwaltung dort übernimmt, speziell die von Finanzen. Wir überlegen weiter: Diese Leute müssen bezahlt werden – das läßt sich aber gleich von den Rettungsgeldern abziehen. Und könnte die Umbuchung der Finanzhilfen auf die Bankkonten der zinsheischenden Kreditgeber nicht auch hier in der Bundesrepublik erledigt werden? Das ist zu kurz gedacht, denn es muß ja vor Ort dafür gesorgt werden, daß die Griechen dabei nicht stören, daß sie bescheidener leben, freiwillig gehen sie nicht in Armut. Aber dadurch kann Ärger aufkommen, also müssen wir auch Ordnungskräfte ins griechische Protektorat schicken, die eine Hilfe zieht die nächste nach sich. Militär muß es nicht gleich sein, erst mal Polizei entsenden. Und solcherart Auslandseinsatz hat für die damit Betrauten etwas Wohltuendes, ihnen lacht dann die Hellassonne.

Käte Duncker, gewürdigt in Ossietzky 5/12. –
Ein aufmerksamer Leser hat nicht nur ein überflüssiges »h« entdeckt, sondern unter anderem auch auf das sogenannte Reichsvereinsgesetz hingewiesen, das Frauen erst ab 1908 offiziell die Möglichkeit eröffnete, Mitglied in Parteien und Gewerkschaften zu werden.