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Titel062013

Kinder- und Jugend-Berlinale (2)  (Anja Röhl)

Ossietzky-Autorin Anja Röhl hat die Kinder- und Jugendfilme der Berlinale, die in den Programmblöcken Generation K+ und Generation 14+ gebündelt sind, in Augenschein genommen. Einige ihrer Entdeckungen, aber auch Tiefpunkte des Kinder- und Jugendfilms stellte Anja Röhl bereits in Ossietzky 5/13 vor, hier nun abschließend Teil 2 ihrer Beobachtungen:

»Princesas rojas« (Costa Rica/Venezuela) (14+) hätte ein richtig guter Film werden können, wenn man der phantastischen Hauptdarstellerin der kleinen Claudia bessere Spieler an die Seite gestellt und gleichzeitig die schreckliche Schwarzweiß-Malerei der Elternschilderung vermieden hätte. So wie sich der Film aber präsentiert, verlagert sich der politische Standpunkt der Dramatik, die von der Verfolgung links gesonnener Widerstandskämpfer durch Faschisten ausgeht, auf die kalten und lieblos-gestreßten Eltern, für die kein Zuschauer auch nur den Hauch eines Verständnisses entwickeln kann. Eltern, die immer nur böse schauen, nur gestreßt, niemals nett und zugewandt sind, niemals zärtlich. Sie weinen nie, sind nur starr oder hektisch oder wütend, permanent aggressiv geladen oder unterdrückt aggressiv. Man wundert sich, daß die Kinder bei so viel Mißhandlung überhaupt noch in den Armen ihrer Eltern liegen, man wundert sich auch, warum diese Eltern, die derart kalt und hart sind, nicht ihren Frieden mit den Faschisten machen. Filmhandlung und -atmosphäre sind in sich nicht schlüssig. Jeder, der diese Zeit mitgemacht hat, weiß, daß Revolutionäre, selbst wenn sie noch so gestreßt sind, allein aus ihrer inneren Haltung heraus wissen, daß Kinder nicht Schuld an der Situation sind. »Princesas rojas« denunziert Revolutionäre auf der Flucht. Es mag sein, daß Erinnerungen eines traurigen betroffenen Kindes die Vorlage für den Film bildeten, dafür spricht, daß das Kind enorme Tiefe in der Gestaltung besitzt, aber die Eltern wurden uneinfühlsam und wenig nachvollziehbar gestaltet. Der Film konterkariert seine eigene Botschaft, denn man kann nur transportieren, was man überzeugend darstellt. Außer den Kindern bleiben sämtliche Figuren flach und eindimensional.

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Der Inhalt von »Baby Blues« (Polen, 14+) ist schnell erzählt: Eine minderjährige junge Frau, angeblich aus sozialer Randgruppe, aber ausstaffiert wie eine Filmdiva – dreimal täglich mit neuer Frisur, die fünf Stunden im Friseursalon »gebaut« werden muß –, hat ein Kind von einem Skater, der sowenig Vater sein kann wie sie Mutter. Da sie aber keiner lieb hatte, will sie wenigstens das Kind, an das sie sich klammert. Sie nimmt Drogen, wird vergewaltigt, frönt ihrem Konsumrausch, für den sie alles Geld der Welt hat, obgleich ihre Mutter abgehauen ist. Schließlich stellt die junge Frau das Kind in einer Tasche ins Schließfach, um sich danach im Knast nackend ihrem sie besuchenden Freund auf den Schoß zu setzen und zu sagen: »Wir sollten ein neues Kind machen.« Dieser Film ist eine einzige Entwürdigung seiner Figuren. Er ist nicht poetisch und einfühlsam, sondern aburteilend und hetzend. Er ist, obgleich er es vorgibt, nicht problemorientiert, sondern problemverzerrend. »Baby Blues« fördert Vorurteile und ist jugendfeindlich. Ein Film, den die Katholiken verbreiten werden, um zur Verteufelung junger Mütter aufzurufen, ein Film, der als Lösung nur das rechtzeitige Wegnehmen des Kindes suggeriert, das Ende ist von keiner Widerwärtigkeit zu überbieten.