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Bemerkungen

Das Jahr der Schikane
Die UNESCO hat das Jahr 2008 zum »Jahr der Kartoffel« erklärt, das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat dagegen das »Jahr der Mathematik« ausgerufen, der Weltzooverband das »Jahr des Frosches«. Für die Berliner Arbeitslosen scheint es das »Jahr der Schikane« zu werden.

Mir wurde zum Beispiel mit fadenscheiniger Begründung die Erstattung von Bewerbungskosten verweigert. Viele arbeitslose Freunde und Bekannte berichten von verstärktem Druck. Da werden plötzlich Abrechnungen von Heiz- und Betriebskosten von vor drei Jahren verlangt. Leben ein Mann und eine Frau in einer Wohnung zusammen, müssen sie haargenau darlegen, daß sie kein Paar sind. Aufforderungen zum Umzug wegen zu hoher Mietkosten häufen sich. Was in Berlin verschärfend hinzukommt, ist eine spezielle Inkompetenz, die ich bei Behörden in anderen Gegenden Deutschlands nie erlebt habe. Oft weiß die linke Hand nicht, was die rechte tut, man erhält ständig widersprüchliche, falsche Bescheide und Aufforderungen. Ein Freund von mir, der vor über anderthalb Jahren in ein anderes Bundesland gezogen ist und seit dieser Zeit wegen einer Erbschaft überhaupt keine Leistungen mehr erhält, was er dem Berliner Jobcenter alles ordnungsgemäß gemeldet hat, bekam einen Brief eben dieser Behörde, den ihm eine ehemalige Nachbarin nachschickte. Inhalt des Schreibens: Er solle gefälligst sofort alle Kontoauszüge seit 2005 einreichen, sonst würden ihm die laufenden Leistungen gestrichen.

Wie heißt es doch so schön: »Und so was hat Arbeit …«
Hugo Steffens


Schlimmere Zeiten
»Eine sozialdemokratische Partei hat in acht Jahren null Erfolge. In wieviel Jahren merkt sie, daß ihre Taktik verfehlt ist?«, schrieb Kurt Tucholsky 1929. Heute – das macht die Sache schlimmer – ist es nicht Taktik, sondern Strategie.
Susanna Böhme-Kuby


Sozialismus der Tat
Die Linkspartei und, von dieser angeregt, die SPD nehmen in ihren programmatischen Erklärungen das Wort Sozialismus in den Mund. Aber welche Taten sollen darauf folgen? Das sagen sie uns nicht.
Anders halten es Männer der Praxis wie der Bundeswirtschaftsminister, der Arbeitgerberpräsident und der Chef der Deutschen Bank.

Michael Glos und Dieter Hundt verkünden die Vollbeschäftigung als ihr Ziel und berichten von Erfolgen auf dem Weg dorthin: Viele Hunderttausende von Menschen seien schon aus der Arbeitslosigkeit herausgeholt worden. Das geschehe ganz einfach dadurch, daß Arbeit billiger gemacht werde.

Manche können dann zwar vom Lohn ihrer Arbeit nicht existieren – aber wozu hat man Hartz IV eingeführt? Die Volksgemeinschaft zahlt den Geringverdienern Zuschüsse aus dem Steuersäckel, und damit für diese Wohltat nicht etwa die Unternehmer aufkommen müssen – schließlich sind sie es ja, welche schon die Arbeitsplätze bereitstellen –, werden die Unternehmenssteuern weiter gesenkt, immer im Sinne des Gemeinwohls.

Das Gemeinwohl braucht auch Banken, die Geld in die Volkswirtschaft pumpen. Dieses muß aber erst einmal auf dem Finanzmarkt verdient werden, und dabei können gelegentlich Probleme auftreten. Josef Ackermann sagt uns, wie auch in solchen Fällen volksgemeinschaftlich geholfen werden kann: Die steuerzahlenden Bürgerinnen und Bürger springen ein und gleichen die Bankschulden aus. Schön brav nach dem Prinzip: Gemeinnutz geht vor Eigennutz.

Sozialismus der Tat! Glos, Hundt und Ackermann vorneweg!
Marja Winken


Politische Kultur
Die in Berlin erscheinende Monatsschrift Cicero bezeichnet sich vollmundig als »Magazin für politische Kultur«. Sie will etwas Besonderes sein.

Bedeutet das aber, daß journalistische Standards zur Nebensache werden (vom guten Geschmack ganz zu schweigen)?

In der Cicero-Ausgabe vom März beispielsweise läßt man den einschlägig bekannten Doktor Hubertus Knabe gleich mehrfach auf die armen Leser los. Welchen Bezug das zu »politischer Kultur« haben soll, bleibt offen – wie üblich ist Schaum vor Knabes Mund. Im Artikel »Linke Millionäre« arbeitet er sich wieder einmal an der Partei Die Linke ab. »Selbst der bieder-bescheiden auftretende Parteichef Lothar Bisky«, will Knabe herausgefunden haben, »verdient nach eigenen Angaben als Rechtsanwalt und Notar monatlich zwischen 1000 und 3500 Euro dazu.«

Bisky ist aber kein Jurist, sondern Kulturwissenschaftler, er kann also gar nicht als Rechtsanwalt und Notar tätig sein und kann auch keine derartigen Angaben machen.

Bodo Ramelow rangiert in dem Beitrag als »der thüringische Fraktionschef« der Linken. Dabei hat er schon im Herbst 2005 sein Landtagsmandat in Thüringen niedergelegt und sitzt seitdem im Bundestag. Knabe, der immerhin promovierter Historiker ist, soll das nicht gemerkt haben? Peinlich – für Knabe wie für das »Magazin für politische Kultur«. Wie recherchiert der Mann? Wer hat ihn bei solchen Arbeitsmethoden eigentlich graduiert? Und wer redigiert bei Cicero die Fremdbeiträge?

Klar ist: Knabe und die Cicero-Redaktion mögen die Linkspartei nicht, aber für eine solche Erkenntnis möchte ich keine Zeitschrift kaufen, die pro Heft stolze sieben Euro kostet. Also habe ich versucht, wenigstens das, was ich hier angemerkt habe, auf der Homepage des Magazins als Leserbrief einzugeben, dazu die Frage, wie man die Fehler zu berichtigen gedenke. Die Rückmeldung lautete: »Leider konnten wir Ihren Beitrag aus inhaltlichen Gründen nicht in unsere Datenbank aufnehmen.« Zu dieser innovativen Art, mit Kritik umzugehen, muß man Cicero gratulieren. Sollten wir die Zeitschrift vielleicht für den nächsten Stalinpreis vorschlagen?

Aber es gibt ja noch die Möglichkeit, sich an die Redaktion zu wenden. Theoretisch jedenfalls. »Sie haben Fragen zum Cicero-Magazin oder Cicero-Online? Nutzen Sie dieses Kontaktformular, wir werden uns dann mit Ihnen in Verbindung setzen.« So steht es auf der Homepage. Und ich hatte Fragen. Ich habe deshalb das Kontaktformular ausgefüllt. Doch das Dialogversprechen wurde in meinem Fall nicht gehalten. Auf meine Nachfrage nach den »inhaltlichen Gründen«, die eine Aufnahme meiner Kritik in die Cicero-Leserbriefseite verhinderte, geschah bis heute nichts. Keine Reaktion. Null. Und die Fehler in Knabes Beitrag, inzwischen ins Archiv gewandert, sind bisher nicht korrigiert.
Stefan Wogawa


Ratio raus – Glaube rein
Vor Jahrzehnten, in etwas friedlicheren Zeiten, gab es eine beliebte Fernsehsendung, die hieß »Schimpf vor Zwölf« und war eine Silvester-Sonderausgabe der Münchner Lach- und Schieß-Gesellschaft. Inzwischen wird alle Tage geschimpft und ringsum in der Welt immer weniger gelacht, dafür desto mehr geschossen.

Nun ist von unten nach oben zu schimpfen völlig legitim, eine Entlastung der Kleinen, die sonst platzen würden vor Ärger über all den von den Großen angerichteten Un- und Wahnsinn.

Bevorzugt beflegelte Personen sind aber nach wie vor Kommunisten und Rationalisten. Der höchste katholische Chef wetzte sein frommes Schnäbelchen eben wieder am höchsten sozialistischen Chef, wie in den t-online-Nachrichten vom 18. März zu lesen stand: »In seiner Abrechnung mit Ideologien geht der Papst vor allem mit Karl Marx hart ins Gericht: ›Er hat vergessen, daß der Mensch immer ein Mensch bleibt. Er hat den Menschen vergessen, und er hat seine Freiheit vergessen.‹ Auch dem Renaissance-Philosophen Francis Bacon wirft Benedikt einen schwerwiegenden Irrtum vor: Bacon und ›die ihm folgende Strömung der Neuzeit irrten, wenn sie glaubten, der Mensch werde durch die Wissenschaft erlöst‹. Der Mainzer Kardinal Karl Lehmann würdigte die neue Enzyklika als ›großes und eindrucksvolles Dokument des katholischen und weithin auch des christlichen Verständnisses über die Hoffnung‹.«

Herrjemine, da donnert’s aber aus dem Vatikan sowohl ausländerfeindlich gegen den Briten Bacon wie juden-feindlich gegen Marx, vernunftfeindlich inklusive. Unser berühmter Kämpfer für die Freiheit der Menschheit, Benedikt XVI., der die einzige Hoffnung in Gott sieht, sucht mit seinen abgestandenen Argumenten aus einem antiken Arsenal alles zu erledigen, was Aufklärung geschaffen hat.

Zugleich mit den Tiefschlägen gegen zwei Wissenschaftler, die gewagt hatten, sich ihres Verstandes zu bedienen, wurde am 18. März gemeldet: »Papst stürzt in Umfragen ab.« Ganz so dämlich, wie es sich der Stellvertreter Gottes auf Erden wünscht, sind seine Schäfchen also doch nicht.

Von der Spitze kirchlicher Hierarchie gehen wir ein paar Stufen abwärts. Da tummeln sich Typen, die gern Literaturpapst wären. Einer davon heißt Oliver Jungen. Voller Stolz bügelt er in einem FAZ-Artikel zur Lit. Cologne einen Dichter ab, der in seinen Werken über die Jahrhunderte frisch geblieben ist wie am ersten Tag. Zitat: »Es ertönten … die Pathos-Manifeste des französischen Revolutionärs Louis Auguste Blanqui … Michail Bakunins, der alte Friede-den-Hütten-Käse Georg Büchners.« Hier vermag sich der Verfasser vor Glück gar nicht zu fassen über seinen Kalauer. Hütten-Käse – nein, ist das komisch.

Man kann bei dieser Sumpfblütenlese kaum noch unterscheiden: Äußert sich Papst Benedikt oder seine mainische Kirchenzeitung?
Ingrid Zwerenz


Religiöse Randale
Geheimnisvolles Indien! Während hierzulande eine Partei wie Die Linke als unwählbar hingestellt wird, jedenfalls wenn ihr Kommunisten angehören sollten, regiert dort die marxistische KPI (M) –legal ins Amt gekommen – in drei der 28 Bundesstaaten. Beispielsweise im südwestlichen Kerala, wo die Kommunisten in den vergangenen Jahrzehnten schon mehrmals Koalitionsregierungen geführt haben. Bildungsniveau, Gesundheitsversorgung und Lebenserwartung in Kerala gehören zu den höchsten in ganz Indien. Aber die Politik der Marxisten gefällt nicht allen – am wenigsten den fanatisch hinduistischen, rechtsgerichteten Parteien BJP und RSS. Am 9. März griffen Anhänger dieser Parteien die Zentrale der KPI (M) in der Hauptstadt Delhi mit Steinwürfen an, wobei mehrere Menschen verletzt wurden. Bei gewalttätigen Auseinandersetzungen in Kerala selbst waren auch Tote zu beklagen. Doch mit ihrer Steinwurfaktion in Delhi waren BJP und RSS – die ein religiös regiertes Hindustan erstreben – zu weit gegangen. Es folgte eine große Solidarisierung mit der betroffenen KPI (M): In Hunderten Städten kam es zu Protestkundgebungen und sogar zu Streiks der Gewerkschaften. Der ehemalige indische Premierminister Deve Gowda verurteilte den Angriff und verwies auf weitere Gewaltakte und Morde in mehreren indischen Bundesstaaten, auch auf die Verfolgung von Christen. Er hätte auch die Übergriffe gegen Moslems erwähnen sollen; allein im Staate Gujarat wurden in den letzten Jahren Hunderte Moslems Opfer religiös aufgestachelter Hindus.

Religion ist ein Heilsversprechen für eine mögliche nächste Welt, das in unserer wirklichen Welt oft zu Haß und Mord führt – nicht nur in Nahost, nicht nur in Tibet, auch in Indien, wo die politischen Aktionen von BJP und RSS immer aggressiver und gefährlicher werden.
Manfred Uesseler


Quälgeist
Der Quälgeist Schleef war ein geistreicher, vielfach begabter Künstler. Seine Talente quälten ihn. Und die Menschen mit ihrem Unverständnis quälten ihn, wie er sie mit seinem Verstand quälte. Schleef war ein harter Brocken.
Die Tagebuch-Bände sind die künstlerische Biographie eines komplizierten Künstlers. Die ersten beiden Bände sind wichtig in der differenzierten Darstellung der DDR-Wirklichkeit. Band 3 ist die fortgesetzte Selbstdarstellung und Selbstbefragung des Gestörten und Störenden, der den allmählichen Übergang von Ost nach West schildert. Ein Schleefscher Übergang. Vorbereitet durch den wachsenden Widerwillen gegen die DDR. Erschwert durch die wirkliche Welt des Westens, in der sich der Vielseitige abermals nicht gefordert und gefördert sieht. Nachdem der Regisseur Rainer Werner Fassbinder ihm eine Abfuhr erteilt hat, schreibt der Enttäuschte: »... mein DDR-Herz jaulte auf«. Schleef, der die DDR mit einem DDR-Paß »überwand«, notiert: »Nach einem Jahr: Wovor bin ich weggelaufen? Alles hat mich eingeholt. Ich bin zurückgekehrt. Ich kann ohne die Mauer nicht leben. Ich bin die Mauer.« Und gleichzeitig (1977): »Die Wiedervereinigung nicht aufzuhalten.« In einem Kommentar stellt der Ehemalige im Mai 2001 fest: »Wo bin ich da, an den gleichen Orten, mit fast den gleichen Menschen wie früher, eine DDR, die in die Verlängerung gegangen ist.«
Bernd Heimberger

Einar Schleef: »Tagebuch 1977–1980«, hg. von Winfried Menninghaus u. a., Suhrkamp Verlag, 476 Seiten, 30 €


Geliebte Mitarbeiterin
Jahrelang hat Hartmut Reiber alles gesammelt, was er über Margarete Steffins Leben und Werk erfahren konnte, er suchte die Jugendgefährten auf und konnte sie noch ausfragen. Jetzt hat er das viele Material und sein Nachdenken über diese Frau zu einem schönen, lesenswerten Buch geformt.

Daß die Steffin unter Brechts (G)geliebten Mitarbeiterinnen eine ganz besondere war, ließen ihre spät entdeckten eigenen Schriften ahnen, und ihr früher Tod auf der Durchreise in Moskau verstärkte diesen Ruf. Reiber bestätigt: Sie war eine hochbegabte Frau, kluge Denkerin und enorme Arbeiterin. Noch während der Krankheit war sie unermüdlich tätig, und obwohl sie ihren »Bidi« so liebte, daß sie die »Rivalinnen« schwer ertrug, nahm sie sich zurück, wenn es der Sache, der Arbeit diente.

Was mir an dem Buch besonders imponiert, ist die ausführliche Recherche über die verschiedenen Gruppen und Tätigkeiten der Berliner Arbeiterjugendbewegung der 1920er und frühen 30er Jahre. Wie kraftvoll und kreativ damals Bewohner von Kellerwohnungen Bildung und Lebensalternativen suchten und fanden! Das ist ein Kapitel der Geschichte des 20. Jahrhunderts, das vergessen und verleugnet zu werden droht, gäbe es nicht so gründliche Chronisten wie Hartmut Reiber.
Christel Berger

Hartmut Reiber: »Grüß den Brecht. Das Leben der Margarete Steffin«, Eulenspiegel Verlag, 384 Seiten, 24.90 €



Gleiche unter Ersten
»Gediegen«, sagt mir eine Regisseurin, sei Monika Lennartz’ Kunst. Das Wort –scheinbar altmodisch – trifft genau. Kunstsinn plus perfektes Handwerk stecken darin. Gediegen – das meint auch: solide, echt. Und unauffällig. Seltsame Beobachtung, die ich – wieder-kehrend – in Jahrzehnten mehrfach machen konnte: Da ist ein großes Talent, eine Könnerin am Werk, sie prägt Inszenierungen wie Filme mit ihrer Kunst und wird trotzdem nicht landauf, landab als das bekannte Gesicht, der geläufige Name bemerkt. Kollegen, Regisseure, Intendanten wissen um die Lennartz. Ein Markenzeichen, das jeder Aufführung Glanz und Folie gab und gibt, das Gran Salz, ohne den Genuß nicht vollkommen ist. Das ist die Lennartz.

Sie spielte die Vielschichtigen, Klaren, Bösen, Unbeugsamen. Je komplizierter, desto besser. Sie hat eine feine Singstimme, mit der sie zu Tränen rührt, die aggressiv sein kann, kämpferisch und voll loderndem Hass auf Ungerechtigkeit. Eine hervorragende Sprecherin.

Für das Ensemble des Berliner Maxim-Gorki-Theaters, wo sie seit 46 Jahren ihre künstlerische Heimat hatte, war sie maßgerecht. Maßarbeit ist ihr Selbstverständnis. Sie spielte und spielt gleichberechtigt mit den Ruhmreichen des Landes (Inge Keller, Bruno Ganz, Lilli Palmer, Jan Josef Liefers), war und ist stets Gleiche unter Ersten.

Nun ist sie dieser Tage siebzig geworden und hat ihre letzte Vorstellung im »Gorki« gegeben: »Das Erdbeben in Chili« von Heinrich von Kleist. Ein Solo. Seit Jahren auf dem Spielplan. Diesmal das letzte Beben vor dem letzten Abgang. Noch einmal spricht sie Kleists verschachtelten Text, durchleuchtet ihn, macht ihn glasklar für ihr Publikum. Es gelingt ihr, unter der Wucht dieser Tragödie doch auch Lächeln, ja Heiterkeit zu vermitteln. Eine Stunde spricht sie, frei, souverän, Meisterin des Wortes.

Ein schöner Abschied, der jedoch nicht bedeutet, daß Monika Lennartz Erfahrung und Können zusammenpackt und gelassen in den Ruhestand geht. Gegenwärtig spielt sie im Potsdamer Hans-Otto-Theater gemeinsam mit Angelika Domröse und Winfried Glatzeder in »Filumena«. Und sie hat eine neue Herausforderung angenommen: Sie unterrichtet an der Berliner Schauspielschule »Ernst Busch«. Gemeinsam mit den Studentinnen und Studenten wird Monika Lennartz in ihrer Schatztruhe kramen.

Anne Dessau


Frau von Stein nur zum Schein?
Die viel beschriebene Liebe Johann Wolfgang Goethes zur Hofdame Charlotte von Stein war nur vorgeschoben – so die kühne These des in Deutschland aufgewachsenen Italieners Ettore Ghibellino. Auch wenn man sein Buch noch so skeptisch zur Hand nimmt, muß man sich früher oder später eingestehen, daß seine Sicht der Dinge wohlfundiert und mit unzähligen Indizien begründet ist. Und nebenbei entfaltet sich der Mikrokosmos des kleinen Weimarer Hofes, an dem die unstandesgemäße Liebe eines Bürgerlichen zur Herzogin Anna Amalia, einer Angehörigen des Hochadels, etwas so Unerhörtes war, daß sie erst verheimlicht wurde und letztlich nicht ausgelebt werden konnte. Frau von Stein, Anna Amalias Hofdame, soll in dem gewagten Spiel als Strohpuppe fungiert haben. Ghibellino interpretiert Goethes Reise nach Italien als Flucht aus der bedrohlichen Situation; nach seiner Rückkehr habe der Dichter der großen Liebe entsagt, ihr aber einen großen Teil seines künstlerischen Schaffens gewidmet, so das Drama »Torquato Tasso«, in dem die Weimarer Verhältnisse gespiegelt werden.

Ghibellinos These hat inzwischen Fürsprecher unter Literaten und Literaturwissenschaftlern gefunden – von Rolf Hochhuth bis Jörg Drews; jedenfalls eignet sie sich für eine Verfilmung, die schon in Vorbereitung ist.
Stefan Hug

Ettore Ghibellino: »Goethe und Anna Amalia – Eine verbotene Liebe?«, Denkena Verlag, 332 Seiten, 19.90 €



Press-Kohl
»Und Sie haben die in unserer Stadt veranstaltete Serie ›Die heitere Palette‹ als Leiter betreut?«
»Aber gewiß doch! Oder denken Sie, ich sitze zu meinem Vergnügen hier?«
Das habe ich tatsächlich in einem Rundfunk-Gespräch gehört.
*
Aus dem Referat eines akademischen Historikers: »Und dann gab es noch ein kleines Zwischen-Intermezzo.«
Gewissermaßen eine interruptive Unterbrechung.
*
Eine Fluggesellschaft wirbt für ihre billigen Tarife. Vermutlich richtet sich das Angebot aber nur an Leute mit einem angeborenen ungeheuren Tempo, das sie die Grenzen von Raum und Zeit überwinden läßt: »Die Passagiere müssen am selben Tag hin und zurückfliegen und sich mindestens eine Woche am Zielort aufhalten.«
Felix Mantel