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Titel719

Monatsrückblick: Schlecht beraten  (Jane Zahn)

Die Wirtschaftsaussichten schrumpfen in Deutschland, der Export bricht ein, die Zulassung neuer Autos ist zurückgegangen, aber in den deutschen Medien herrscht Häme darüber, dass China »nur« sechs Prozent Wirtschaftswachstum erreichen will. Häme und Angst. Weil das auch bedeutet, dass China weniger importiert. Hochtechnologie kann Deutschland ja kaum noch liefern, und die deutsche Industrie wird noch weiter zurückfallen, weil sie über die Technologie der Zukunft noch einige Jahre nicht verfügen wird: 5G. Wenn das so weitergeht, leben wir bald hinter dem Mond, aber da sind die Chinesen nun auch schon vor uns gewesen!

 

Was hilft? Berater! Berater, die uns beraten, wie wir uns beraten lassen können – aber bitte nicht die, die Ursula von der Leyen engagiert hat! Die haben bisher wenig Erfolg vorweisen können. Aber vielleicht die Berater, die 25 Ministerialbeamte des Verteidigungsministeriums dabei beraten sollen, wie sie sich in der Berateraffäre zu verhalten haben, damit die laufende Beratung zu ihren Aufgabenbereichen nicht als Steuerverschwendung dargestellt werden kann?

 

Oder die, die Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer beraten haben, das erste Flugtaxi zu feiern – das nicht fliegt. In Ingolstadt war der Prototyp im Beisein des Ministers vorgestellt worden. Scheuer und Digitalisierungs-Staatsministerin Dorothee Bär sind begeistert: Das ist die Zukunft! Jetzt fehlen nur noch das Auto, das nicht fährt, und der Hubschrauber, der nicht schraubt. Züge, die nicht fahren, haben wir schon genug. Genauso wie Flughäfen, die nicht fertig werden, und Mobilfunknetze, die nicht dicht sind. Und vor allem Politiker, die sich für teures Geld beraten lassen.

 

Noch ist der BER nicht fertig, aber eins steht schon fest: Die Bundesregierung braucht noch ein weiteres Terminal zum Empfang der Staatsgäste. Denn das bereits fertige ist nicht repräsentativ genug. Es kann nicht mit Erdoğans Super-Terminal mithalten, selbst für Chinesen ist es zu piefig, meint die Bundesregierung. Na, wir ham’s ja! 344 Millionen Euro sind doch ein Klacks!

 

Mindestens 68 Milliarden Euro hat die »Bankenrettung« den deutschen Steuerzahler bis jetzt gekostet (ver.di public 2/2019) – und jetzt sollen schon wieder zwei Banken fusionieren, die dann »too big to fail« würden und »gerettet« werden müssten, denn die nächste Krise kommt bestimmt. Wenn die Banken das Klima wären, dann wären sie der Bundesregierung egal, und die würde den Finanzminister ausbremsen wie jetzt die Umweltministerin. Da aber Banken Banken sind und Klima Klima ist, darf Finanzminister Olaf Scholz eine Fusion von Commerzbank und Deutscher Bank »wünschen«, und Umweltministerin Svenja Schulze darf Gesetze vorschlagen, die von den CDU-Ministern sogleich abgelehnt werden – sie würden ja eventuell die eigene Klientel etwas kosten!

 

In Brandenburg an der Havel hat die SPD einen Europawahl-Kandidaten aufgestellt, den kein Mensch kannte und der sich als Hochstapler entpuppte. Jetzt müssen die Wahlplakate und Flyer eingestampft werden (MAZ, 27.3.19). Aber warum eigentlich? Das Motto der SPD war doch immer: links blinken, rechts abbiegen. Symptomatisch, dass sie jetzt selbst auf ein Täuschungsmanöver hereinfällt.

 

Aber auch die CDU hat Probleme mit sich selbst: »Ob wir wirklich so viel Etat für den Bereich Soziales ausgeben können und ausgeben müssen?« fragt Tilmann Kuban am 20. März im Deutschlandfunk. Der ehemalige Angestellte der Unternehmerverbände Niedersachsen ist neu gewählter Vorsitzender der Jungen Union. In der Welt vom 23. März bemängelt er: »In den letzten Jahren haben sich viele in der CDU nicht mehr wohlgefühlt, weil wir bei unserer Ausrichtung eine Gleichschaltung erlebt haben.« Huch, hatte die CDU jemals andere Ausrichtungen als die christlich-demokratische? Und wer hat da wen gleichgeschaltet? Das Wort nahm er rasch zurück, die Behauptung nicht. Nun ja, mit Herrn Kuban wird es wieder Auseinandersetzungen geben: »Wir brauchen wieder drei Flügel und Persönlichkeiten, die ihre Meinung sagen« – »ihre« heißt hier: die Meinung der Unternehmerverbände.

 

Possessivpronomen sollen das Eigentum kennzeichnen. Auch das geistige Eigentum. Die Urheber von Text, Bild und Musik im Internet sollen besser geschützt werden. Das ist lobenswert und wird unter anderem von der Gewerkschaft ver.di als Erfolg gefeiert. Dagegen gehen zigtausende auf die Straße und protestieren gegen den §13 des Urheberschutzgesetzes, der die Plattformen für den Schutz der Urheberrechte verantwortlich macht. Die großen Internetplattformen werden folglich Upload-Filter installieren, die automatisch erkennen, ob urheberrechtlich geschützte Inhalte hochgeladen werden. Automatisch heißt aber: Zitate und Parodien werden nicht als solche erkannt und nicht veröffentlicht – Einschränkung künstlerischer Freiheit! Und die Gelackmeierten sind nicht die großen Plattformen, sondern die kleinen Kreativen. Profitieren werden wohl nur die Verleger, die ihre Rechte dann einklagen können. Man kann eben sicher sein: Wenn Regierungen heutzutage irgendein Recht schützen, tun sie es mit größtmöglichem Schaden für alle kleinen und größtmöglichem Nutzen für die großen Anbieter, ob es sich um Internetplattformen, Umweltschutz oder anderes handelt. Erst recht bei den Banken.

 

Wer hat angefangen? Das ist bei jedem Streit, vor allem aber der internationalen Sympathie-Verteilung eine wichtige Frage. Wenn daher die 260 Toten und tausenden Verletzten im letzten Jahr an der israelischen Demarkationslinie zum Gaza-Streifen nicht genannt werden (jw, 26.3.19), dafür aber sieben verletzte Israelis durch einen Raketenangriff bei Tel Aviv als Beginn der Auseinandersetzungen bezeichnet werden, ist die Sympathie ganz klar auf Seiten der israelischen Opfer, und die »Vergeltungsmaßnahmen« der israelischen Armee werden nicht als Aggression wahrgenommen. Ein altes Muster, aber es wirkt.