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Titel916

Schwimmende Särge, göttlich navigiert  (Peter Arlt)

»Und siehe das göttliche Wirken«, erzählt ein Dresdener Pfarrer in der Verkündungssendung des mdr und erinnert an das Jahrhunderthochwasser der Elbe im Jahre 2002. Das flutete auch jene Kirche, in der die Särge gesalbter Häupter standen, die dann in der Gruft schwammen. Erstaunt bemerkte der Pfarrer, dass der Sarg eines Prinzen zu dem seiner viele Jahre früher gestorbenen Gemahlin trieb, wo er eigentlich hingehört hätte; jedoch war die Stelle, da vor ihm schon andere starben, besetzt. – »Nun aber«, so der Pfarrer ehrfurchtsvoll, »sei das im Leben vereinte Paar endlich auch im Tode vereint.« Der Pfarrer beschwört in seiner Verkündigung: »Doch ich glaube nicht an einen Zufall, sondern an eine wundersame göttliche Fügung.« Diese verschlösse sich zwar so oft menschlicher Einsicht, wie beim Tode eines Kindes oder wenn einer seine Arbeit verliert oder sich fragt, warum seine Stadt bombardiert wird ... Der heiklen Beispiele für schwer einsehbares Gotteswirken wären unendlich mehr. Mit den Särgen gerät auch der Pfarrer ins Schwimmen.

Beim Zuhören kommen mir und meiner Frau Überlegungen zu der Frage, wo das Wasser abgeflossen ist, wir machen uns Gedanken zum eventuell abschüssigen Bodenniveau und zu anderen Gründen, aus denen Särge irgendwohin schwimmen. »Durch die Flut wurde zum Sarg der Dame der höher stehende Holzsarg des Gatten getrieben«, vermutete ich. »Dort hielt ihn«, ergänzt meine Frau, »der schwere Bleisarg auf. Wer weiß, wohin sonst der Prinz mit göttlichem Willen noch getrieben worden wäre.« Dem stimmte ich nicht nur zu, sondern setzte noch mit Übermut eins drauf: »Nun können sie sich am Tag des Jüngsten Gerichtes sogleich in die Arme sinken.« – »Und sicherlich kam die Jahrhundertflut überhaupt nur aus diesem Grunde über Dresden«, erwägte mein Freund, dem ich die Verkündungspredigt erzählte.


Hinter allen natürlichen Zufällen und jedem menschlichen Schwachsinn einen geheimen göttlichen Plan zu vermuten, halten wir nicht bloß für geistig flach, sondern auch für eine bequeme Art, sich mit allem zu arrangieren und schicksalsergeben für nichts den Menschen selbst verantwortlich zu machen. Für absurd und das Gegenteil von Gerechtigkeit halten wir, mit Paulus zu behaupten, für einen gerechten Gott spräche, dass er erwählen kann.