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Titel2408

Antworten

Wolfgang Clement, sich selber treu. – Erst lassen Sie den Parteivorsitzenden eigens anreisen, damit jede Gefahr gebannt ist, daß die Bundesschiedskommission der SPD Sie ausschließen könnte, und einen Tag später treten Sie aus der Partei aus – bravo! Eine Rüge hinnehmen? Aber nicht doch, Sie waren schon immer derjenige, der Rügen erteilt, und eine Majestätsbeleidigung dulden Sie nicht. Solches Auftreten zahlt sich aus, Franz Müntefering hat schon Hoffnung auf Ihren Wiedereintritt geäußert. Die SPD braucht Männer wie Sie, mit oder ohne oder wieder mit Parteibuch, damit sie nicht vom rechten Wege abkommt.

Wolfgang Schäuble, nicht alleinstehend. – Das Abstimmungsverfahren im Bundesrat ist Ihnen zu mühsam, deshalb wünschen Sie, daß dort in Zukunft für die Zustimmung zu Gesetzen eine absolute Mehrheit nicht mehr erforderlich ist, die relative soll genügen. Kritiker meinen, da zeige sich wieder einmal Ihre persönliche Liebhaberei für »weniger Demokratie«, wie Sie sie schon mal in der FAZ gewünscht haben. Wir wollen aber den Mitverfasser Ihres Vorschlags nicht übersehen: Fritz Rudolf Körper MdB, Vizevorsitzender der SPD-Fraktion. Und die Idee geht zurück auf den »Konvent für Deutschland«, wo neben dem Exbundespräsidenten Roman Herzog auch so illustre Reformgeister wie Roland Berger und Hans-Olaf Henkel tätig sind.

Adolf Merckle, diffamiert. – Beim Spekulieren mit Aktien haben Sie Verluste gemacht und erwarten nun Unterstützung aus öffentlicher Hand. Das hat auch in der kapitalfreundlichen Presse Zorn hervorgerufen, selbst Bild titelte: »Staatshilfe für Börsenzocker«. Weshalb die Aufregung? Wurde bei Banken und Investmentfonds, denen jetzt alle unter die Arme greifen wollen, nicht gezockt? Gab es da keine Zocker? Sie sind unter Beschuß geraten, weil durch Ihr Begehren sichtbar wird, daß an der Börse nicht anonymes »Marktgeschehen« abläuft, sondern Reiche agieren, die noch reicher werden wollen. Auch Superreiche wie Sie.

Bert Rürup, konsequent. –
Als Wirtschaftsweiser mit SPD-Mitgliedsbuch und Lehrstuhl haben Sie bisher hochprominent die Politik beraten. Jetzt wollen Sie den Vorsitz im Sachverständigenrat niederlegen und als Chef-Ökonom in den Dienst des Finanzvertriebs AWD gehen. »Rürup wechselt die Fronten« überschrieb die Frankfurter Rundschau diese Nachricht und tat Ihnen Unrecht. Sie haben sich doch schon immer für die Interessen der privaten Finanzdienstleister eingesetzt, für die Privatisierung der Altersvorsorge zum Beispiel. Und AWD bietet schon längst das Finanzprodukt »Rürup-Rente« an. Sie wechseln die Funktion, aber nicht die Fronten.

Angela Merkel, offenherzig. – Einen »ordnungspolitischen Bruch« durch staatliche »Schutzschirme« für den Markt befürchtet Thomas Schmid, ehemals linker Freibeuter-Redakteur, jetzt Chefredakteur der Welt am Sonntag. Er legte Ihnen die Frage vor, ob es denn nicht stimme, daß der Staat, wenn er einmal wo drin sei, nicht gern wieder herausgehe. Sie haben ihm klargemacht, daß kein Grund zu dieser Sorge besteht: »Das wird schon dadurch widerlegt, daß unser Paket zeitlich befristet ist. Die Bundesrepublik blickt außerdem auf eine erfolgreiche Privatisierungspolitik zurück.« Und die, so dürfen wir ergänzen, wollen Sie fortsetzen.

Rolf Gössner, seit 38 Jahren geheimdienstlich beobachtet. –
Plötzlich sind Sie, lieber Ossietzky-Mitherausgeber, außer Kontrolle. Das Bundesamt für Verfassungsschutz teilte das unmittelbar vor dem ersten Verhandlungstag in dem von Ihnen angestrengten Prozeß beim Verwaltungsgericht Köln mit. Denn: Die Bedrohungslage habe sich geändert. Das klang so, als fühle sich diese demokratieferne Skandalbehörde durch Ihre konsequente Aufklärungsarbeit nicht mehr bedroht. Wir aber sind sicher, daß die sogenannten Sicherheitsbehörden, die alles andere schützen als die Verfassung und unsere darin verbürgten Grundrechte, Sie weiterhin als einen strengen Beobachter und furchtlosen Publizisten zu fürchten haben. Wir werden mit Ihnen dafür eintreten, daß nicht weitere Jahrzehnte vergehen werden, bis die Rechtswidrigkeit der Überwachung gerichtlich festgestellt wird und Sie Einblick in die immer noch vorhandenen und geheimgehaltenen Akten erhalten. Und daß die ganze staatliche Schnüffelei aufhört.