»Altsein ist die Zukunft. Die Angst vorm Älterwerden wächst wie die Zahl der Alten.« Aus dieser Erwägung haben Anke Mo Schäfer und Dominik Bender vom Berliner theater zum westlichen stadthirschen »eine theatrale Bestandsaufnahme aus erzählten Erinnerungen, Gedankenspielen und Momentaufnahmen« initiiert. Der Abend heißt »Weil morgen gestern war«. Ort der Aufführung ist die Kapelle auf dem Friedhof in der Boxhagener Straße 89, Stadtteil Friedrichshain. Wo sonst trauernde Menschen sich still von ihren Verstorbenen verabschieden, sitzen jetzt die Zuschauer reihenweise hochgetürmt und schauen aufs weiträumige, sparsam möblierte Parkett. Drei DarstellerInnen, Maria Gräfe (hervorragend, vielseitig), Hannelore Wüst (sympathisch, kompetent) und Dominik Bender (bewährt, professionell), spielen, sprechen, zitieren aus Interviews mit älteren Menschen und jüngeren Freunden vom Theater Thikwa, der Spielervereinigung behinderter Akteure, die stets für überraschende, witzige und aberwitzige Texte gut sind. Prosa von Jean Améry, Friederike Mayröcker und Claudia Wolff fassen die einzelnen Passagen zusammen, erhellen und vertiefen die Aussagen zu den Themen Alter, Krankheit, Sterben, Tod. Die Monologe, Dialoge, Zitate und Sketches werfen Schlaglichter – auch grelle – auf ein Thema, das alle bewegt, auch wenn es zumeist verdrängt wird.
Das ist gewiß kein lustiger Abend, doch die kluge Mischung der Texturen erlaubt sogar Heiterkeit, provoziert dann und wann ein Schmunzeln. Wie so oft bei den Protagonisten vom »stadthirschen« ist eine gelungene Melange entstanden. Das gescheite Konzept wurde klug umgesetzt, die theatralische Aufbereitung überzeugt. Das Publikum folgt aufmerksam der Gedankenvielfalt zu einem Stoff, dem niemand entrinnen kann. Nur die da draußen in ihren Särgen, Urnen und Gräbern dicht neben der Kapelle haben es hinter sich.