Peter Hartz, Experte für Partnerschaft. – Von den Medien kaum beachtet, haben Sie noch einmal im VW-Korruptionsprozeß aussagen müssen. Daß Sie Ihren ehemaligen Konzernchef, den jetzigen Aufsichtsratsvorsitzenden Ferdinand Piëch, von einer Mitwisserschaft freiredeten, ist kaum erwähnenswert; interessant jedoch Ihre Begründung dafür, daß Sie dem ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden Klaus Volkert zwei Millionen Euro in die Tasche steckten: Für »gute Stimmung« bei diesem Arbeiterführer hätten Sie sorgen müssen, Einsparungen an der VW-Belegschaft seien nur durchsetzbar gewesen, »wenn Management und Betriebsrat an einem Strang zogen«. Das genau ist ja auch der Sinn des vielgepriesenen »Co-Managements« von Vertretern der Beschäftigten. Unverständlich, daß man Ihnen als dem versierten Modernisierer von industriellen Beziehungen nun daraus einen Vorwurf macht.
Bundesministerium des Inneren, volksaufklärend tätig. – Als Ergebnis einer von Ihnen in Auftrag gegebenen Studie haben Sie der Öffentlichkeit eine Schreckensnachricht vermittelt: 40 Prozent der in Deutschland lebenden Muslime hielten »Anwendung von Gewalt bei einer Bedrohung des Islams durch den Westen für gerechtfertigt«. Aufschlußreich wäre es, wenn Sie umgekehrt fragen lassen würden, wie viele in Deutschland lebende nichtmuslimische Menschen die Anwendung von Gewalt bei einer »Bedrohung des Westens durch den Islam für gerechtfertigt« halten. Möglicherweise müßte die durch Ihre Nachricht angeregte Zeitungsschlagzeile »Viele Muslime halten Gewalt für legitim« dann ergänzt werden: »Viele Nichtmuslime halten Gewalt für legitim«.
Monika Harms, zackig. – Daß Ihre Entscheidungen auch in der Richterschaft zunehmend Kopfschütteln bewirken und nicht lange Bestand haben, scheint Sie nicht zu bedrücken. Um so stärker imponieren Sie sich selber, wie Sie, ohne sich von Vernunft-, Rechts- und Verfassungsgründen irritieren zu lassen, die überall lauernden Teufel bekämpfen. Sicher wissen Sie auch schon, was Sie gegen die einstigen RAF-Mitglieder, die jetzt wegen der Ermordung eines früheren Generalbundesanwalts für ein halbes Jahr in Beugehaft sitzen, unternehmen werden, wenn sie weiterhin stumm bleiben. Einsperren bis zum Tod? Oder foltern?
Frankfurter Allgemeine, von Leichtfertigkeit befallen. – Sie haben zugelassen, daß einer Ihrer Leitartikler zu Jahresbeginn dem Publikum anvertraute: »Manchen wird erst jetzt bewußt, wie sehr die Konkurrenz des Kommunismus, solange sie bestand, auch den Kapitalismus gebändigt hat.« Haben Sie etwa nicht bemerkt, wie subversiv der Hinweis auf diesen historischen Zusammenhang wirkt? Ein Ausrutscher – dem Silvesterumtrunk zu verdanken?
Reinhard Bütikofer, weitherzig. – Mit dem Blick auf mögliche Koalitionen nach den Wahlen in Hessen, Hamburg und Niedersachsen haben Sie für Ihre Partei Sympathien für Rot-Grün zu erkennen gegeben, aber hinzugefügt: »Es gibt nur ganz wenig, was für mich ausgeschlossen ist.« Im Klartext heißt das: Schwarz-Grün ist für Sie durchaus erwägenswert. Ausdrücklich verneint haben Sie Rot-Grün-Rot. Die CDU als denkbaren Koalitionspartner ziehen Sie just zu dem Zeitpunkt in Betracht, zu dem Roland Koch sich den Beifall der NPD verschafft hat. Offenbar ist kaum etwas auszuschließen, wenn es gilt, die »Volksfront« abzuwehren, was die Union nun zum Wahlkampfschlager gemacht hat.
Gerhard Ludwig Müller, katholischer Bischof von Regensburg. – Seit Ihrem Amtsantritt 2002 beeindrucken Sie uns immer wieder durch Ihre strenge, kraftvolle Führerschaft: durch Ihr rigides Vorgehen gegen innerkirchliche Kritiker, die Sie mit Disziplinarmaßnahmen überziehen, durch die Neuordnung der Pfarrgemeinderäte zu Lasten kirchlicher Laien (die der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Hans-Joachim Meyer, als »nicht hinnehmbare Rechtsverletzung« kennzeichnete) und jüngst dadurch, daß Sie einen verurteilten Sexualstraftäter wiederum als Gemeindepfarrer eingesetzt haben. So bewahren Sie Humanisten und Demokraten vor Illusionen über Ihre Institution, zumal Papst Benedikt XVI. Sie nun zum Mitglied der 20köpfigen Glaubenskongregation berufen hat, der Nachfolgeorganisation der berüchtigten Inquisitionsbehörde. Damit wurde es Ihnen möglich, weltweit disziplinarisch zu wirken.