Im Nachlaß des 1566 verstorbenen Michel de Nostredame, bekannt als Nostradamus, wurde kürzlich ein verloren geglaubter Prosatext aus dem Jahre 1553 aufgefunden, in dem der namhafteste Verfasser von Prophezeiungen für einen nicht näher bestimmten, fast ein halbes Jahrtausend später liegenden Zeitpunkt eine große Krise im Zentrum Europas voraussagte: Hundert Jahre nach zwei Weltkriegen würden in der europäischen Metropole, von der das Blutvergießen ausgegangen war, angesiedelte ehemalige Fremdlinge mit Hilfe äußerer teuflischer Mächte einen eigenen Kleinstaat ausrufen.
Im Berliner Auswärtigem Amt rief der Fund helle Aufregung hervor, weniger wegen des Orakels, mehr ob seiner Auslegung durch eine bei klugen, kritischen, wachsamen Leserinnen und Lesern angesehene Zeitschrift. Das Blatt deutete die Weissagung wie folgt:
Nach dem zweimaligen großen Blutvergießen, in das Deutschland die Welt gestürzt hatte, siedelten sich in Berlin, vor allem in Kreuzberg und Neukölln, Arbeiter aus dem Ausland an, ihre Familien, Freunde und Bekannte zogen nach. Sie wurden heimisch, und dank hoher Natalität vermehrten sie sich doppelt so schnell wie die Einheimischen, von denen viele wegzogen. Das Zusammenleben gestaltete sich schwierig. Obwohl den Bewohnern der beiden Stadtteile Autonomierechte eingeräumt wurden, verlangten einige extremistische Elemente unter ihnen die völlige staatliche Unabhängigkeit – die ihnen nicht gewährt wurde. Daraufhin begannen sie die verbliebenen deutschen Bewohner zu drangsalieren, ihre Häuser mit Gewalt und Erpressung in Besitz zu nehmen und staatliche Einrichtungen zu boykottieren. Schließlich gründeten sie eine bewaffnete Untergrundbewegung, die sie »Befreiungsarmee« nannten, attackierten Polizeiwachen und verübten zahllose Terroranschläge. Ausländische Mächte stellten ihnen Waffen, Munition und Ausbilder zur Verfügung.
Die Berliner Polizei, unterstützt von Sondereinheiten der Bundeswehr, setzte sich zur Wehr und versuchte, die staatliche Ordnung wiederherzustellen. Als das zu ersten Erfolgen führte, verstärkten die fremden Mächte ihre Einmischung. Sie forderten ultimativ den Abzug aller Sicherheitsorgane und erklärten ihre Absicht, das ganze Bundesgebiet zu okkupieren; im Falle einer Ablehnung drohten sie mit Bombenangriffen. Obwohl Deutschland größtmögliche Kompromißbereitschaft zeigte, attackierten sie es aus der Luft, ermordeten Tausende von friedlichen Bewohnern, verwüsteten große Teile der Infrastruktur und der Industrie. Raketen zerstörten unter anderem den Berliner Funkturm, den Dienstsitz des Verteidigungsministeriums im Bendlerblock, die Rheinbrücken bei Köln, die Automobilwerke in Wolfsburg und das petrochemische Kombinat in Schwedt. Die deutsche Republik mußte der Übermacht weichen, die Invasoren okkupierten Teile Berlins, verhafteten den Bundeskanzler, brachten ihn in einem Schauprozeß zu Tode, und nach einer Übergangszeit riefen die Führer der sogenannten Befreiungsarmee einseitig die Unabhängigkeit der »Freien Republik Kreuzberg und Neuköln« aus.
Die Aufregung im Hause Steinmeier über diese Auslegung der Nostradamus-Prophezeiung war aus doppeltem Grunde verständlich. Einerseits sahen die Beamten darin ein Horrorszenarium, das geeignet war, dem Ansehen Deutschlands zu schaden. Andererseits erschien ihnen der Bericht als ein Spiegel, in dem jedermann unschwer Parallelen zu eigenen Untaten erkennen mußte. Schließlich ist es historische Tatsache, daß die Albaner im vergangenen Jahrhundert in Kosovo zur Bevölkerungsmehrheit wurden, außerordentlich große autonome Rechte genossen, die Serben schrittweise verdrängten und daß nationalistische Extremisten die sogenannte Befreiungsarmee UCK gründeten, die anfangs selbst von den USA als Terrororganisation eingestuft wurde. Nicht weniger ist es Tatsache, daß es gerade die Bundesrepublik Deutschland war, die die separatistischen Kräfte der Kosovo-Albaner von Anfang an protegierte, der Kosovo-Exilregierung Zuflucht gewährte und die UCK direkt und indirekt unterstützte. Schließlich waren es bundesdeutsche Politiker wie Schröder, Fischer, Scharping und Steinmeier, die immer maßlosere erpresserische Forderungen an Belgrad richteten, entscheidend zur propagandistischen Vorbereitung und Zielplanung der Bombenengriffe beitrugen und mit dreisten Lügen den Aggressionskrieg gegen Serbien rechtfertigten. Tornados der Bundeswehr flogen in den ersten Angriffsstaffeln der NATO-Luftarmada, die Tod und Verderben über das Balkanland brachte und unter anderem den Belgrader Fernsehturm, das Gebäude des Generalstabes, die Donaubrücken bei Novi Sad, die Automobilwerke in Kragujevac und die Chemiewerke in Pancevo am Rande der serbischen Hauptstadt zerstörte. Nach dem Krieg und der Okkupation Kosovos machten die Aggressoren dem Präsidenten des angegriffenen Landes den Prozeß, verweigerten ihm die notwendige medizinische Hilfe und brachten ihn so ums Leben. Unter den Augen hoher bundesdeutscher Offiziere und Beamter wurde die nichtalbanische Bevölkerung aus Kosovo vertrieben, ebenso ließen sie zu, daß unschätzbare serbische Kulturgüter zerstört und ehemals unter sozialistischer Selbstverwaltung stehende Betriebe privatisiert wurden.
Im vergangenen Jahr schließlich war es Berlin, das in engem Einvernehmen mit Washington die endgültige Abtrennung Kosovos von Serbien forcierte, die albanische Führung in Pristina in ihrer Ablehnung aller Belgrader Kompromißangebote bestärkte und ihr die Anerkennung einer einseitig erklärten Unabhängigkeit des südserbischen Gebietes in Aussicht stellte. So setzt sich der Bruch des Völkerrechts fort, reiht sich, ähnlich wie in der Weissagung von Nostradamus, eine internationale Missetat an die andere.
Doch der Chef des Auswärtigen Amtes, Steinmeier, wies kürzlich jegliche Kritik an der Kosovo-Politik der NATO zurück. Zugleich versicherte er, die Entwicklung in der Krisenprovinz stelle »keinen Modellfall für das Völkerrecht« dar.
Ob Steinmeiers Voraussage stimmt, wird sich zum Beispiel im Baskenland, in Katalonien, auf Korsika und Zypern, in Abchasien, Südossetien und anderswo zeigen. Wie es im Falle von Kreuzberg und Neukölln in 40 Jahren aussehen wird, läßt sich auch aus dem Text des Nostradamus nicht mit Sicherheit ablesen. Aber dieser Text und vor allem seine Deutung behagen dem Auswärtigen und den geheimen Ämtern der Bundesrepublik Deutschland in den Zeiten des »Krieges gegen den Terror« so wenig, daß sie beschlossen, gegen den Autor der Auslegung das komplette Instrumentarium der Überwachung und Datenspeicherung einzusetzen. Das wiederum veranlaßt diesen zu der Erklärung, daß das Dokument des Michel de Nostredame aus dem Jahre 1553 noch nicht gefunden wurde und seine Deutung folglich bloße Spekulation ist – wodurch sich allerdings am Wahrheitsgehalt der geschilderten Verbrechen an Serbien und den Serben nichts ändert.
Eine Frage an Vertriebenenpolitiker
Allein in der serbischen Hauptstadt Belgrad leben etwa 100.000 Menschen albanischer Abstammung. Das sind mehr als die bisher noch in Kosovo verbliebenen Serben, deren Anzahl in den letzten anderthalb Jahrzehnten fast um zwei Drittel geschrumpft ist. Die deutsche Besatzungszone in Kosovo ist inzwischen nahezu »serbenfrei«.
Die Albaner in Belgrad sind immer unbehelligt geblieben – wie andere ethnische und religiöse Minderheiten. Und sie denken nicht daran fortzuziehen. Die aus Kosovo vertriebenen Serben vermehren in Belgrad und anderen serbischen Städten die Hunderttausende von Vertriebenen aus Kroatien und Bosnien-Herzegowina, für die das durch NATO-Krieg und -Embargo verarmte Land aufkommen muß. Welcher deutsche »Vertriebenenpolitiker« kümmert sich darum? Keiner. Der einfache Grund: Serben dürfen vertrieben werden. E.S.