Der Herren Hunde
Ein Hund, der seinem Herrn vertraute
und fröhlich in die Zukunft schaute,
der folgte diesem treu und brav,
so sanft und willig wie ein Schaf.
Der Herr – welch abgrundtiefe Tücke! –
ging über eine morsche Brücke
und übersah dort eine Lücke,
fiel durch und brach sich das Genicke.
Der Hund in seinem blinden Drang,
er folgte ihm der Länge lang.
Ach, gingt ihr, aller Herren Hunde,
immer auf diese Art zugrunde!
Wolfgang Eckert
Der DGB huldigt der Kanzlerin
Eine Meldung der Nachrichtenagentur AFP, die keiner Kommentierung bedarf: »Angesichts der Wirtschaftskrise hat der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) dazu aufgerufen, die Politik des sozialen Ausgleichs fortzusetzen. Der DGB-Vorsitzende Michael Sommer sagte, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe Wert darauf gelegt, Arbeitgeber und Gewerkschaften an einen Tisch zu holen. Solch eine Politik, bei der es um die Sicherung von Arbeit und die Existenz der Menschen gehe, müsse fortgesetzt werden, ›um den sozialen Frieden zu erhalten‹. Das bisherige Krisenmanagement Merkels nannte er dabei zum Beispiel mit Blick auf die Kurzarbeitsregelung ›vorbildlich‹.«
Red.
Frei, freier, am freiesten
Ohne Ranking geht nichts mehr in der Wettbewerbsgesellschaft, und so beauftragt die freidemokratische Friedrich-Naumann-Stiftung alljährlich Wirtschaftswissenschaftler, die Bundesländer auf »wirtschaftliche Freiheit« hin zu messen und zu vergleichen. Als Maßstab gilt, wie weit der Staat ins Geschäftsleben eingreift, wie viel Steuern er erhebt und wie hoch die »Staatsquote« liegt, womit vor allem der Aufwand für öffentliche Dienste und Sozialleistungen gemeint ist. Am freiesten geht es hiernach in dem Bundesland zu, in dem der Staat sich in Sachen Ökonomie maximal zurückhält. Das jüngste Ranking der Naumann-Stiftung ergibt, wenig überraschend: Bayern ist nach wie vor auf dem ersten, Berlin auf dem letzten Rang – nicht zuletzt durch die Sozialleistungsquote, die in Bayern nur 14,5 Prozent, in Berlin 24 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt beträgt.
Ranking soll den Wettbewerb um einen besseren Platz anstacheln. Also wäre der Stadt Berlin zu empfehlen, die Empfänger von Sozialleistungen auf Verhungernration zu setzen. Aber auch dann entstehen noch öffentliche Kosten. Da bleibt nur eins: Ausweisen, diese Parasiten – ab nach Bayern. Damit endlich Bewegung ins freidemokratische Ranking kommt.
A.K.
Wachstumsbranche
Turbulenzen im Finanzmarkt und Nachfrageschwäche bringen längst auch die Industrie ins Taumeln, nicht zuletzt die metallverarbeitenden Firmen. So auch das Unternehmen Rheinmetall, das den Autoherstellern zuliefert; hier sackt der Umsatz ab, Arbeitsplätze werden abgebaut. Aber Rheinmetall hat auch eine florierende Sparte: die Firma »Defence«. Da herrscht Wachstum dank der vielen ertragreichen Aufträge für Kampfpanzer, gepanzerte Militärtransporter und Schützenpanzer. Nicht anders bei der Rüstungsfirma Krauss-Maffei-Wegmann und den anderen Waffenfabriken – die Militärindustrie der Bundesrepublik hat Dauerkonjunktur. Beim weltweiten Waffenexport steht sie nach den Vereinigten Staaten und Rußland an dritter Stelle. Die großzügige Genehmigungspraxis der Großen Koalition für den Waffenexport erbrachte 2008 eine Umsatzsteigerung um fast 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Tendenz unter der neuen Regierung: weiter steigend. Wer auf sichere Rendite setzen will, ist mit blutigen Aktien gut bedient. Krise? Nicht im Kriegsgeschäft.
Marja Winken
Alisa Fuss
emigrierte 1935 als deutsche Jüdin nach Palästina. Sie arbeitete in Orangenplantagen, als Haushaltshilfe, als Malerin auf dem Bau, schließlich als Pädagogin in einer Schule für »verhaltensauffällige« Kinder und radikalisierte sich politisch; 1940 und 1956 wurde sie aus politischen Gründen inhaftiert. 1976 kehrte sie nach Deutschland zurück und wurde hier an der Laborschule Bielefeld tätig. 1981 war sie Mitgründerin des Berliner Flüchtlingsrates. 1983 hielt sie ihre erste öffentliche politische Rede auf einer antifaschistischen Demonstration der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes. 1991 wurde sie Präsidentin der Internationalen Liga für Menschenrechte und blieb es bis zu ihrem Tod 1997. Besonders engagierte sie sich in Kampagnen für die Rechte der Emigranten in Deutschland. Unter Protest gegen die Aushöhlung des Asylrechts gab sie 1993 ihr Bundesverdienstkreuz zurück. In einem Schreiben an den damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker begründete sie: »In seiner Sitzung vom 26. Mai 1993 hat der deutsche Bundestag den Artikel 16 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes durch den Artikel 16a so weit eingeschränkt, daß vom Grundrecht auf Asyl nichts mehr bleibt als eine Worthülse. Die faktische Abschaffung des Asylrechts wird, wie schon die unsägliche Debatte darum in den letzten Jahren, die Republik verändern, und nicht zum Besseren.«
Bei der alljährlichen feierlichen Überreichung der von der Internationalen Liga für Menschenrechte verliehenen Carl-von-Ossietzky-Medaille hielt sie Reden, die wie Gegenberichte zur Lage der Nation wirkten, wie ihre Biographin Barbara Heber-Schärer schreibt. Unter dem treffenden Titel »Solidarität und Eigensinn« gelang der Schweizer Autorin ein anschauliches Bild eines facettenreichen Lebens in seinen historischen Zusammenhängen.
Mario Tal
Barbara Heber-Schärer: »Solidarität und Eigensinn. Das tätige Leben der Alisa Fuss – Berlin, Tel Aviv, Berlin«, PapyRossa Verlag, 257 Seiten, 18 €
Querkopf Erich Köhler
Fast wäre das Buch verloren gegangen: Einen Teil der 1990 erschienenen Auflage rettete zwar der westdeutsche Pfarrer Weskott vor den damaligen Bücher-Müllhalden. Doch die Zeiten waren so turbulent, daß schon einmal ein Buch durch die Lappen gehen konnte. Um so verdienstvoller, daß der Kulturmaschinen Verlag es wieder aufgelegt hat.
Ein Troll-Roman, ein Geschichts- und Geschichtenbuch und ein Jahrhundert-Roman: Der Troll Sture erlebt die Französische Revolution und den Germanen-Helden Siegfried, kennt auch die alten Römer und weiß Bescheid über die verschiedenen Eigenschaften von Trollen und anderen Geistern dieser Art. Seinen vorerst letzten Erdenwandel unternimmt er im 20. Jahrhundert, wo er keinen historisch wichtigen Schauplatz ausläßt und Stalin, Hitler, Thälmann, Bert Brecht und viele andere persönlich befragt. Erich Köhler bietet in dem Buch eine sehr eigene, kenntnisreiche Interpretation geschichtlicher Ereignisse – nicht ohne ständigen Bezug zum Mythos und dem weltliterarischen Erbe, webt philosophische Betrachtungen und kühne Einfälle ein, und so entsteht ein eigener Kosmos, dem – sonst wäre es nicht ein Buch dieses Autors – die Utopie einer geld- und konsumfreien Welt innewohnt. Köhler – ein Philosoph, Sprachkünstler und Träumer, in der DDR oft belächelt wegen seines »Urkommunismus«, wenig verstanden und 1992 als unwürdig aus dem PEN ausgeschlossen. Wer sich Zeit für anspruchsvolle Lektüre voller Überraschungen und auch Rätsel nimmt, wird den Eigenbrötler und Querkopf Erich Köhler schätzen lernen.
Christel Berger
Erich Köhler: »Sture und das deutsche Herz«, Kulturmaschinen Verlag Berlin, 364 Seiten, 16.90 €
Berlin-Pankow, Neumannstraße
Im eben begonnenen Jahr ist am 75. Todestag eines Mannes zu gedenken, der einen Platz in der Geschichte der deutschen Literatur und des Journalismus ebenso besitzt wie in der Geschichte der geistigen, sozialen und politischen Kämpfe in den Jahren der Weimarer Republik. Welche Seite seines Wirkens jeweils in den Vordergrund geraten wird, das dürfte die Redner und Autoren von Gedenkartikeln mehr charakterisieren als den Menschen, der sich 1935 unwiderruflich entschloß, nicht mehr mitzumachen.
Die Liste der Apostrophierungen, die Kurt Tucholsky seit Jahren zuteil werden, ist lang. Hier ist eine unvollständige Reihe: Dichter, Schriftsteller, Lyriker, Romancier, Erzähler, Autor, (scharfzüngiger) Journalist, (linksintellektueller) Publizist, facettenreicher Literat, Meister der kleinen Form, Meister der literarischen Attacke, Meister der Anekdote und des Aphorismus, sensibler Künstler, (pessimistischer, auch verspäteter) Aufklärer, Kritiker, Mahner, Kassandra, Pamphletist, scharfzüngiger Spötter, Humorist, Polemiker, Satiriker, Kabarettautor, Chansondichter, Liedtexter, Justizanalytiker, Politmoralist, Plauderer, auch überempfindlicher Künstler. Hinsichtlich der gesellschaftlichen Auseinandersetzungen heißt er politischer Mensch und heiter Kämpfender, Friedenskämpfer, wirklicher Kämpfer für die ewigen Menschenrechte, gegen jegliche Reaktion, gegen jeden Blödsinn der Politiker, gegen jede spießige Gefühlsduselei. Er wird als Antimilitarist charakterisiert, als Verfechter von Toleranz und Verständigung, als Gesellschaftskritiker, Sozialkritiker, Einzelkämpfer und Visionär. Immer wieder wird er, der sich gelegentlich als »militanten Pazifisten« bezeichnete, in die bunte Schar der Pazifisten gestellt, einmal pazifistischer Publizist genannt, dann als pazifistischer Sozialist identifiziert, von dritten als »überzeugter Pazifist« oder »Radikalpazifist« eingestuft, ihn so von jenen seiner entfernten Verwandten unterscheidend, die weder Roß und Reiter benennen und Kriegen und Kriegern nicht anders als betroffen, klagend und betend entgegentreten. Er liebe, hat Tucholsky bekannt »jeden tapferen Friedenssoldaten«. Im politischen Spektrum, das von Faschisten über Konservative, Liberale, Demokraten, Sozialisten bis zu den Kommunisten reicht, ist Tucholsky wiederholt den »linken Demokraten« zugerechnet worden – mitunter als »standhafter linker Demokrat«, ein Zusatz, der andeutet, wie viel Wankelmut in dieser Gruppe angetroffen werden konnte.
Vieles steht also zur Wahl. Gewiß ist: Ohne Parteinahme wird die Erinnerung an den Mann nicht abgehen. Das sollte sich auch bis an die Schule in Berlin-Pankow, die seinen Namen trägt, herumsprechen. Die nämlich bietet in ihrem Internet-Auftritt unter dem Verweis auf Tucholsky neben den Geburts- und Sterbedaten sowie der Aufzählung seiner Pseudonyme als einzigen Eintrag diese beiden knappen Sätze: »Er war Schriftsteller und Publizist. Von 1923–1933 veröffentlichte er in zahlreichen Zeitungen und Zeitschriften.« Das ist alles – geistig ärmlich und lieblos obendrein. Sie Schulleitung sollte sich mit Blick auf den Jahrestag entschließen, den Schülern einen Wettbewerb um den treffendsten Kurztext für jene Seiten anzubieten, auf denen sich die pädagogische Anstalt vorstellt. Und bevor sich dann entscheidet, welchen sie prämiert und verwendet, sollte sie sich jenes Bibelwortes entsinnen, das da sagt: »Weil du aber lau bist und weder kalt noch warm, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde.« (Offb. 3, 16)
Kurt Pätzold
Was das Fernsehen lehrt
Rentner reden gern darüber, daß das viele Fernsehen gar nicht gut ist. Schon gar nicht für die Enkel, die keine Bücher lesen, unentwegt vorm Computer sitzen und Computerspiele spielen. Darüber reden Rentner, deren Tagesprogramm das Fernsehprogramm ist. Sie wissen schließlich, wozu das viele Fernsehen führt. Rentner reden von der zunehmenden Verblödung der Jugend, von der immerzu im Fernsehen die Rede ist. Sie reden von der zunehmenden Gewaltbereitschaft der Jugend, über die das Fernsehen immerfort berichtet. Sie reden vom zunehmenden Desinteresse der Jugend, wofür das Fernsehen ständig Beispiele liefert. Rentner wissen, wovon sie reden. Sie wissen Bescheid. Rentner gehen abends nicht aus dem Haus, fahren nicht mit der Straßenbahn, der U-Bahn, der S-Bahn. Da herrscht die pure Gewalt, sagen die Rentner. Gefragt und ungefragt. Überall. Immerfort. Unbeirrbar. Höflich lassen wir sie reden.
Bernd Heimberger
Press-Kohl
Eine aufschlußreiche Bildunterschrift der
Berliner Zeitung: »Noch ist der Infotower auf der Baustelle des Flughafens BBI der Anziehungspunkt. Ab 2011 werden hier pro Jahr 20 Millionen Fluggäste abgefertigt.« Fragt sich, wo genau: auf dem Infotower? Oder auf der Baustelle?
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Häufig werden Werbezettel der Firma »Dr. Hittich Gesundheits-Mittel, Postfach 500462 Aachen« in unserem Briefkasten abgelagert. Diese Papiere berichten uns »überzeugende Ergebnisse der Nattokinase. Die Aufname von Tagesmengen zwischen 85 mg (1700 FU) und 3900 mg (78000 FU) Nattokinase führt zu keinen nachteiligen Effekten« – natürlich nur, wenn man die FU genau abzählt – und »kann einen erhöhten Blutdruck senken« sowie »effizient bestehende Thrombosen in Blutgefäßen auflösen« – oder auch nicht.
Dennoch bin ich nicht bereit, dem Aachener Dr. Meisenbart meine Körpergröße in m² mitzuteilen, weil ich diese seit meiner letzten TÜV-Untersuchung nur noch in Kubikmetern messe.
Felix Mantel