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Titel0111

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Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, frohgemut. – In Ihrer Weihnachtsausgabe 2010 stand in großen Lettern zu lesen: »Unser Glaubensbekenntnis fürs nächste Jahr«. Ein zum Fest an der Krippe naheliegender Titel, denn die Bundesrepublik hat, worauf nicht nur die Kanzlerin besteht, ein religiöses, ein christliches Wertefundament. Dann präzisieren Sie, woran wir glauben sollen: »Der Dax nimmt neue Rekorde in Angriff. Die Zinsen bleiben niedrig. Dafür haben alle etwas mehr Geld im Portemonnaie.« Gloria in excelsis deo? Es können Glaubenszweifel auftreten: Werden sich wirklich alle Menschen in Deutschland über einen Zugewinn freuen können, wenn auch nur einen bescheidenen? Oder werden die einen viel mehr, manche etwas mehr, wieder andere weniger Geld im Portemonnaie haben? Ihr Glaubensbekenntnis zielt, ergänzen wir, auf den Durchschnittswert. Der macht alle gleich. Wenn man eine Mücke und einen Elefanten mißt, wird man feststellen, daß beide Tiere im Durchschnitt mehr als einen Meter groß sind. Korrekt.

Angela Merkel, vergeßlich. –
Die Bundesrepublik sei »wie kaum ein anderes Land gestärkt aus der Wirtschaftskrise herausgekommen«, verkündeten Sie in Ihrer Neujahrsansprache; im wiedervereinigten Deutschland hätten »noch nie mehr Menschen Arbeit gehabt als jetzt«. Sie vergaßen aber, dieses Jobwunder näher zu kennzeichnen, wie es das Statistische Bundesamt gerade zum Jahresende getan hatte: Die Zahl der Vollzeitbeschäftigten ist gesunken, die der Teilzeitbeschäftigten auf 5,28 Millionen angestiegen, und ein großer Teil der neuen Jobs ist in der Leiharbeitsbranche entstanden. Tilo Gräser und Franziska Walt haben in diesem Heft nähere Angaben zusammengetragen. »Arm trotz Arbeit« – dieser Trend ist in der Bundesrepublik gestärkt wie in kaum einem anderen Land.

Bertelsmann-Stiftung, verwirrt. – Um die Agenda-Politik haben Sie sich beratend verdient gemacht, um die »Neue Soziale Marktwirtschaft«, und nun dies: 31 Länder der OECD wurden von Ihnen nach einem »Gerechtigkeitsindex« unter folgenden fünf Aspekten vermessen: Armutsvermeidung, Zugang zur Bildung, Arbeitsmarktchancen, Einkommensverteilung und Generationengerechtigkeit. Die Bundesrepublik Deutschland, wirtschaftlich höchst erfolgreich, schnitt hier schlecht ab: Sie habe »starke Defizite bei der Vermeidung von Armut«, und die »Ungleichheit der Einkommen« sei in den vergangenen zwei Jahrzehnten stark angestiegen, mußten Sie feststellen. Peinlich – aber wie kommt’s? Wir empfehlen eine neue Untersuchung: Über Korrelationen zwischen Umverteilungspolitik, Armutszuwachs und gesellschaftspolitischer Ideenproduktion – speziell im Medienhause Bertelsmann, dem größten Deutschlands und Europas.

Guido Westerwelle, auf Kultur bedacht. – Als Parteivorsitzender haben Sie es wahrlich nicht leicht, aber außenministerielle Reputation kommt auf Sie zu: Deutschlands Mitgliedschaft im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen begann. Diese Rolle, erklärten Sie, werde man »verläßlich« wahrnehmen, in der bewährten Tradition »deutscher internationaler Verantwortung«. Die Bundesrepublik stehe »für eine Kultur der militärischen Zurückhaltung«. Wer sich auf Deutschland verlassen kann, führten Sie nicht näher aus. Für die »Kultur der militärischen Zurückhaltung« haben wir immerhin historische Beispiele: Was wäre aus jugoslawischem und afghanischem Terrain geworden, wenn deutsches Militär so richtig zugeschlagen hätte.