Während unsere Leitmedien europäische und transatlantische Nabelschau pflegen, droht auf der anderen Seite der Erde der Weltenbrand: globales Verderben, beginnend mit einem Krieg zwischen der Volksrepublik China und einigen ihrer Nachbarstaaten, angezettelt von den USA. Und befeuert von Berlins Kriegstreiber-Fraktion.
Die Anrainerstaaten des Südchinesischen Meeres sind im Rüstungswettlauf: Vietnam, die Philippinen, Indonesien, Brunei, Malaysia sowie Taiwan; sogar der Stadtstaat Singapur deckt sich mit Angriffswaffen (Tarnkappen-Bombern!) ein. Auch Indien und die Volksrepublik China rüsten massiv. Zündstoff: die riesigen Öl- und Gasvorräte unter dem Boden der Südchinesischen See, im Spratly-Archipel – mit 18 Milliarden Tonnen die viertgrößte Öllagerstätte der Erde. Und das überragende geostrategische Interesse an dieser Region, durch die die inzwischen wichtigste Schiffahrtsstraße der Welt führt (s. Ossietzky, Heft 22/04).
US-Präsident Barack Obama hat vor dem australischen Parlament am 17. November 2011 mit Blick auf den Ressourcenreichtum in Fernost den Herrschaftsanspruch der USA über diese Weltgegend bekräftigt. Zur dauerhaften Bezwingung des Konkurrenten China sollen US-Truppen jetzt auch in Australien stationiert werden. Die USA streben in Südostasien weitere Militärpakte an, wollen noch mehr Marinesoldaten, Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge für ihre Bastionen. »Die Vereinigten Staaten sind im 21. Jahrhundert im gesamten asiatisch-pazifischen Raum präsent«, und zwar, »um hier zu bleiben.« So hat Obama von Canberra aus den neuen Kalten Krieg erklärt.
Chinas Präsident Hu Jintao äußerte daraufhin am 6. Dezember 2011 vor der Zentralen Militärkommission in Peking, die Marine müsse sich zum »Schutz des Landes und zur Wahrung des Weltfriedens dringend auf Krieg vorbereiten«. Unsere Konzernmedien berichteten nur wenig über Obamas Auftritt in Canberra; über Präsident Hus Rede in Peking gar nichts.
Dabei häufen sich bedrohliche Ereignisse im Südchinesischen Meer: provokante US-Seemanöver gemeinsam mit Japan und den Philippinen, auch mit Indonesien. Japanische Kriegsschiffe legten sich wiederholt mit chinesischen Fischkuttern an. Japan hängt vom Öl aus dem Westen ab, und der Seeweg ist deshalb von vitalem Interesse. Indien ist beim Spiel mit dem Feuer ebenfalls dabei. Das demnächst bevölkerungsreichste Land der Erde strebt gleichermaßen nach wirtschaftlicher Weltgeltung und ist traditionell dabei, wenn es gegen die Volksrepublik China geht.
Die Bundesrepublik, Speerspitze der europäischen NATO-Staaten, agiert vorerst »nur« mit politischer Wühlarbeit in Fernost, changiert dabei gegenüber China zwischen ökonomischer Anbiederei und politischer Intransigenz. Das Internetportal German Foreign Policy berichtete von Berliner Anstrengungen, in aller Stille mit Myanmars Militärregime ins Geschäft zu kommen, Rüstungsgüter inklusive, und es dem Nachbarn China abspenstig zu machen. Derweil rüstet Deutschland die eigene Marine auf, unter anderen mit der gefährlichsten Angriffswaffe überhaupt: mit U-Booten, die Raketen abfeuern und wochenlang unter Wasser fahren können, wegen ihrer Brennstoffzellen- und Tarnkappentechnik aber nicht zu orten und damit noch bedrohlicher sind als selbst moderne Flugzeugträger.
Zugleich bereichert sich die deutsche Rüstungsindustrie am Waffenexport nach Fernost. Berlin entspricht somit den Empfehlungen der führenden außenpolitischen Zeitschrift Internationale Politik: »... auf die Aufrüstung der Kriegsmarine konzentrieren und sich damit auch für die Konkurrenz gegen die Volksrepublik China wappnen.« Kriegstreiberei ist das. Berlin läßt überdeutliche Warnungen in der Pekinger Global Times außer Acht, deren Ernst schon vor Monaten hätte wahrgenommen werden müssen. Das Blatt ist eines der Foren der chinesischen Kommunistischen Partei. Die Beiträge eines Autors namens Long Tao zeigen, daß viele Entscheidungsträger in Peking längst genug haben von antichinesischer Destruktion und Agitprop der USA und deren Vasallen.
Sachlich, aber entschieden erklärt Long Tao, die USA hätten im Südchinesischen Meer nicht genug »Wampe« für einen militärischen Zusammenstoß mit der Volksrepublik. Es sei an der Zeit, den Anrainern dort »eine Lektion zu erteilen«. Damit sind nur vordergründig die oben schon aufgezählten asiatischen und westpazifischen Nachbarn angesprochen. Im Kontext gemeint sind die USA.
Long Tao ist, wie mir ein chinesischer Journalist versicherte, »ein angesehener, hoher Offizier der Volksbefreiungsarmee«, er spreche mit Volkes Stimme. Die Global Times weist Long als »strategischen Analysten des ›China Energy Fund Committee‹« aus, einer in Hongkong basierten Denkfabrik. Ersichtlich ist: Da spricht einer Klartext. Daß dieser Offizier auch die Kompetenz hat, es laut zu sagen, erweist sich nunmehr an den Worten des Staatspräsidenten.
Long weist darauf hin, daß die rund 750 Inselchen und Riffe des Spratly-Archipels in der erweiterten Wirtschaftszone der Volksrepublik liegen. Das trifft zu, aber es überlappen sich dort auch die Wirtschaftszonen der konfligenten Staaten. Peking erhebt darüber hinaus, wie sogar das fast 2000 Seemeilen entfernte Taiwan und alle übrigen Konkurrenten, territoriale Ansprüche, macht sie aber im Gegensatz zu den anderen bisher nur mit der Präsenz von Kriegsschiffen sowie einem Deich um ein Gemüsefeld auf einem der Riffe geltend.
Den größten Teil der Inselgruppe hat die Sozialistische Republik Vietnam mit Armeeposten besetzt. Sie unterhält außerdem einen Flugplatz. Auch Malaysia, die Philippinen und die »Republik China« (Taiwan) haben Luftwaffenstützpunkte und Garnisonen angelegt. Washington stachele die Anrainer am Südchinesischen Meer permanent an, auszuloten, wie weit sich ihre Truppen vorwagen könnten, ohne ins Feuer zu geraten, schreibt Long Tao. Die USA profitierten von derlei inszenierten regionalen Konflikten, wohingegen China gar zu geduldig Frieden wahre; es solle endlich militärisch antworten: »Wir wollen nicht Feindschaft und Krieg, aber wir haben genug von einem Tyrannen, der sich als Demokrat maskiert.« Long weiter: »Vier militärische Flugbasen gibt es auf den Inseln. Keine davon gehört der Volksrepublik China. Es gibt mehr als 1000 Förderanlagen für Öl und Gas. Keine davon gehört der Volksrepublik China. Wir sollten endlich hingehen und uns Öl nehmen.«
In Longs Artikelserie und besonders in Präsident Hus Rede vor der Zentralen Militärkommission wird sichtbar, daß China erst jetzt eine geostrategische Gesamtkonzeption entwickelt, während Washington längst militärisch die imperiale Rolle spielt und seiner globalen Kriegsagenda folgt. In Peking werden deshalb Forderungen laut, entschiedener auf die eigene Stärke zu setzen. China weiß: Nicht Syrien und der Iran sind die Endziele der US-Aggression, sondern Rußland und die Volksrepublik China – und Peking baut vor.
Das wiederum ist Stoff für Agitprop aus den US-Giftküchen. Eine Kostprobe psychologischer Kriegsführung servierte dieser Tage die in New York ansässige New Tang Dynasty Television (NTD-TV). In ihrem auf Chinesisch ausgestrahlten Magazin »Tabu-Nachrichten aus China« wurde einem Professor der Nationalen Militärakademie in Peking, dem Generalmajor Zhang Zhaozhong, der ungeheuerliche Satz in den Mund gelegt, China werde nicht zögern, zum Schutz des Iran den Dritten Weltkrieg zu führen. Einen Beleg für die Echtheit des Zitats blieb der US-Sender schuldig. Der Vorfall reiht sich ein in die kriegsvorbereitende Propagandaschlacht der USA.