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Titel118

Belletristik  (Andreas Stahl)

Ich gebe zu, ich habe Vorbehalte gegenüber zeitgenössischer US-amerikanischer Literatur. Weniger gegenüber der Literatur als solcher, als gegenüber den Werken, die es in deutschsprachiger Übersetzung in den hiesigen Buchhandel schaffen.

 

Bei diesen Werken, so meine Mutmaßung, steht der kommerzielle Gedanke im Vordergrund, die literarische Güte des Buches ist von nachgeordneter Bedeutung. Die Chance, ein »gutes« Buch zu erwerben, ist ungleich niedriger, als wenn ich im Buchhandel ein Buch erwerbe, welches im Original in Rumänien erschien. Wenn es ein Buch aus Rumänien, Ungarn, Ghana oder Pakistan – in deutscher Übersetzung – in den hiesigen Buchhandel schafft, ist die Chance, ein literarisch-gehaltvolles Buch zu erwerben, ungleich höher, als wenn ich ein Buch aus dem Ursprungsland Vereinigte Staaten von Amerika erwerbe.

 

Wenn viele Bücher aus originär US-amerikanischer Feder in der Bundesrepublik Deutschland verkauft werden, deren ungleich weniger aus ursprünglich rumänischer, ungarischer, ghanesischer oder pakistanischer Feder, so spielen sicherlich auch andere Faktoren eine Rolle, sei es die Sprache, sei es die vorhandene Logistik oder seien es politische Erwägungen. All dies vermag meinen eingangs postulierten Vorbehalt der kommerziellen Prägung der Veröffentlichung nicht zu entkräften. Auch nicht der Hinweis, kommerzielle Erwägungen seien in einem kapitalistischen System nun mal gang und gäbe.

 

Pepper Hardings »Das Herz des Henry Quantum«, im Oktober 2017 als Erstveröffentlichung in Deutschland erschienen (Goldmann Verlag/Random House/Bertelsmann), im Original 2016 (Gallery Books), Übersetzung in die deutsche Sprache durch Doris Heinemann, ist ein solches Beispiel. Flächendeckend fand ich in den letzten Wochen das Buch im Handel platziert. Egal, wo ich mich befand: Das Buch war schon da. Passend zur Vorweihnachtszeit – es passte ja auch inhaltlich: Wie dem Klappentext zu entnehmen ist, hat Henry Quantum eine Mission, »er muss unbedingt ein Weihnachtsgeschenk für seine Frau Margaret besorgen«. Doch dabei, so heißt es weiter, ließe sich der charmante Grübler immer wieder ablenken.

 

Passt ganz gut, dachte ich mir, weniger das mit dem Weihnachtsgeschenkkauf, als vielmehr die Empfänglichkeit für Ablenkungen. So ließ ich mich ablenken und erwarb den Roman.

 

Dass ich hier über diesen Roman schreibe, hat weniger mit der Güte des Werkes zu tun. Es ist weder gut noch schlecht. Es ist. Vor allem ist es kommerziell. Produktplatzierungen kennen wir aus dem Fernsehen und dem Kino. Finden sie ohne Offenlegung statt, sind sie verbotene Schleichwerbung. Produktbeistellungen hingegen sind zulässig – soweit diese dramaturgisch notwendig sind.

 

Schleichwerbung findet sich auch in der Belletristik, hier bei Pepper Hardings Henry Quantum. Bei BMW wird der Roman gern gelesen werden. Auch bei Chanel. Auch für den Fremdenverkehr in San Francisco wird geworben, zum Beispiel wenn es heißt, bei BIX gebe es »die besten Martinis der Stadt«. Deutlicher wird dies, wenn der Autor im Nachwort bemerkt, Henrys Spaziergang durch San Francisco könne nachspaziert werden, hilfreich der im Klappentext präsentierte Innenstadtplan. Wer diesen nachgehen möchte, wird nicht nur bei BIX einen Martini trinken können, bei Starbucks Kaffee oder im Café de la Presse »leckere Sachen« genießen. Müßig zu erwähnen, keine der Produkt- und/oder Markenplatzierungen spielen für die Handlung eine Rolle. Und – statt sich am 23. Dezember auf die Suche nach einem Weihnachtsgeschenk zu begeben, hätte Quantum sich auch an einem x-beliebigen Tag im Mai des gleichen Jahres auf den Weg machen können, einen Anzug in der Reinigung abzuholen. Der Handlung hätte dies keinen Abbruch getan. Dem Kommerzgedanken sehr wohl.

 

In gut recherchierter Belletristik findet sich oftmals mehr Wahrheit als in den Nachrichtensequenzen, die veröffentlicht werden (spannend ist ja immer das, worüber nicht berichtet wird). Welche Bücher gepusht werden und welche nicht, auch dies verdient Beachtung.

 

 

Ossietzky-Schleichwerbung: Mehr von Andreas Stahl gibt’s unter abc-hero.de.