Wie bekommen wir ein Problem vom Tisch? Indem wir es verschieben, am besten so, dass es hinten runterfällt. Das haben die Politiker im letzten Jahr schon eifrig geübt. Und was passiert mit einem so entsorgten Problem? Das dürfen die nach uns entscheiden, nicht wir! Damit ist das Problem für uns gelöst. Und genauso wird es 2020 weitergehen:
Ende Januar verlässt Großbritannien mit Türenknallen und allem Drum und Dran eines Rosenkriegs die EU. Die notwendigen Verhandlungen über die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen, die Finanzen und den Reiseverkehr werden sich hinziehen. Die Probleme des Landes werden dadurch nicht gelöst, die der EU auch nicht, aber sie sind vom Tisch!
Im Februar wird Karneval die Massen bewegen, und garantiert werden auf den Rosenmontagszügen auch Schilder: »Rosenmontag for Future« erscheinen – oder der deutsche Humor hätte sich sehr verschoben. Das Klimaproblem lässt sich mit ein paar Schildern aber nicht vom Tisch wedeln. Schade! Aber letztlich betrifft es eh die Zukunft. Also doch erst einmal vom Tisch.
Im März wird die letzte Folge der Serie »Lindenstraße« ausgestrahlt. Die Programmkonferenz der ARD begründete den Entschluss mit Sparzwängen. Die Beendigung des »Tatorts« aus Sparzwängen wurde noch verschoben.
Die türkische Armee marschiert in Libyen ein, um dem einen Statthalter gegen den anderen beizustehen. Weil es in Nordsyrien so schön geklappt hat. Und weil die NATO in Libyen seit der Ermordung Gaddafis 2011 keine Stabilität erzwingen konnte. Irgendwie hat sich das immer wieder verschoben …
Meister im Verschieben sind die Mikronesier. Ursprünglich sollte das Unabhängigkeitsreferendum für den Bundesstaat Chuuk der Föderierten Staaten von Mikronesien am 5. März 2015 stattfinden. Jetzt soll es März 2020 werden – wenn es nicht wieder verschoben wird. Noch ein Staat mehr oder nicht, das wird kaum auffallen. Europa sollte sich aber mit guten Ratschlägen zurückhalten: Kroatien, Slowenien, das Kosovo, Nord-Mazedonien lassen grüßen. Solange darüber kein Krieg in Mikronesien ausbricht …
Apropos Krieg: Im April startet das großangelegte Manöver »Defender 2020«. 20.000 US-Soldaten mit schwerem Gerät werden von den USA über den Atlantik und quer durch Europa an Russlands Grenze gefahren. Damit wird zwar diese Grenze noch nicht verschoben, aber das ist nur verschoben, nicht aufgehoben!
Im Mai sollen die Oberammergauer Festspiele beginnen. Wenn sie nicht verschoben werden, weil die AfD dagegen protestiert, dass ein Türke mitspielt. Allerdings spielt er den Judas, so dass es vielleicht noch durchgeht vor den völkischen Bewahrern.
Im Juni beschließt das ZDF, seine Satiresendungen »heute-show« und »Die Anstalt« auf einen Sendebeginn nach 23 Uhr zu verschieben. Dann seien nur noch die Zuschauer wach, die Satire verstehen und keine Beleidigung aller Omas wittern, wenn eine im Lied als Umweltsau im Hühnerstall Motorrad fährt. Die Reaktion des WDR-Intendanten auf die Sendung eines solchen Liedes machte nämlich Schule in allen Sendern. Oliver Welke meint, er sei froh, überhaupt noch senden zu dürfen, und werde in seiner Sendung keinesfalls mehr irgendwelche Omas auch nur erwähnen.
Zum Jahrestag des Sturms auf die Bastille am 14. Juli stürmen die Gelben Westen den Élysée-Palast und schieben Macron vom Balkon. Der flüchtet nach London, das ihn nach Hongkong abschiebt, von dort kann niemand ausgeliefert werden, weil die Regenschirme das verhindert haben. Dafür wird Julian Assange in die USA ausgeliefert, wo Trump mit dessen Hinrichtung den Wahlsieg feiern will.
Die Olympiade in Tokio wird natürlich nicht verschoben! Die Sportler strahlen, noch mehr strahlen die Dosimeter, Fukushima lässt grüßen!
Im September feiert Präsident Trump die 100. Sanktion, die er in seiner Amtszeit verhängt. Zufällig bricht genau an dem Tag die schwelende Finanzkrise aus: Tesla hat sich mit der Fabrik in Grünheide übernommen und geht pleite. Weitere Unternehmen folgen, nur die Fondsgesellschaft BlackRock bleibt übrig.
Die Krise verschiebt auch den Eröffnungstermin des BER auf unbekannte Zeit.
Bei den Präsidentschaftswahlen in den USA im November gewinnt der Kandidat von BlackRock, das ist selbstverständlich nicht Bernie Sanders. In Deutschland macht sich Friedrich Merz zum Kanzlerkandidaten der Union. Die Umfragewerte der CDU steigen, die SPD ist bei vier Prozent angelangt und wird wohl im nächsten Bundestag nicht mehr vertreten sein. Die AfD trimmt sich auf regierungsfit und schiebt ihre Flügel beiseite, Bernd Höcke bekommt ein Magengeschwür vom Kreidefressen und ist aus dem Spiel.
Die Klimakonferenz in Glasgow verschiebt den Klimawandel, indem sie beschließt, sich auf das nächste Jahr zu vertagen. Und schon ist 2020 vorüber.