Schon wieder haben die Wiederholungstäter des Auslandsgeheimdienstes illegal gehandelt – eigenmächtig, angeblich an der Spitze des Bundesnachrichtendienstes (BND) vorbei. Monatelang forschten sie die E-Mail-Korrespondenz einer Journalistin mit einem afghanischen Minister aus und speicherten sie – nachdem sie zuvor schon Journalisten jahrelang systematisch bespitzelt hatten. Wieder sind die parlamentarischen Kontrolleure die letzten, die davon erfahren haben. Nun mißbilligen sie die Geheimaktion und reden von »gestörtem Vertrauen«.
Vertrauen der Kontrolleure in die Behörde, die sie kontrollieren sollen, ist deplaziert, erst recht, wenn es sich um einen Geheimdienst handelt, denn demokratische Kontrolle ist institutionalisiertes Mißtrauen, das angesichts der Geschichte des BND und auch des Verfassungsschutzes, die sich jeweils als Skandalgeschichte schreiben läßt, in hohem Maße gerechtfertigt ist.
Doch ist das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG), das die bundesdeutschen Geheimdienste kontrollieren soll, eine taugliche Institution des Mißtrauens? Daran darf gezweifelt werden.
Die meisten der neun Mitglieder des geheim in einem abhörsicheren Raum tagenden Parlamentarischen Kontrollgremiums wissen von der Vergeblichkeit einer öffentlichen Kontrolle ein garstig Lied zu singen. Ihnen ist es im Lauf ihres Wirkens kaum vergönnt gewesen, einen der zahlreichen Geheimdienstskandale aufzudecken – immer wieder müssen sie mit Verspätung auf Skandale reagieren, die von Medien oder Insidern aufgedeckt werden.
Die PKG-Mitglieder sind allesamt vielbeschäftigte Abgeordnete des Bundestages, haben für diese Gremienarbeit nur wenig Zeit, und manchen fehlt es auch an Kenntnissen über die geheimen Abläufe in den Diensten. Deshalb sind sie kaum in der Lage, ihrer Kontrollaufgabe in angemessener Weise nachzukommen. Noch nicht einmal ihre gesetzlich begrenzten Kontrollbefugnisse können sie wirksam ausschöpfen, zumal sie aus Geheimhaltungsgründen weder ihre Mitarbeiter in die Gremiumsarbeit einbinden noch sich mit ihren Fraktionskollegen austauschen und beraten dürfen.
Die Geheimdienste verstehen es ohnehin, sich einer intensiven Kontrolle zu entziehen. Sie zeichnen sich gerade dadurch aus, daß niemand so recht weiß, was sie eigentlich treiben und wie sie es treiben – bis zum jeweils nächsten Skandal, der ruchbar wird. Kontrolle kommt also regelmäßig zu spät, wenn überhaupt. Als Geheimdienste haben der BND, der Militärische Abschirmdienst (MAD) und die 17 Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder die Lizenz zur Infiltration, Täuschung, Manipulation und Desinformation – warum sollten sie ausgerechnet gegenüber der Kontrollinstanz diese Fähigkeiten nicht anwenden?
Mit Verdeckten Ermittlern, V-Leuten, Lockspitzeln und technischen Mitteln für Lausch-, Späh- und Trojanerangriffe beschaffen die Geheimdienste heimlich Informationen im In- und Ausland, infiltrieren verdächtige Gruppen, bespitzeln Individuen, hören Telefone ab und durchforsten das Internet – mitunter helfen sie auf diese Weise mit, Gründe für völkerrechtswidrige Angriffskriege zu finden. Wer soll solche klandestinen Operationen von außen wirksam kontrollieren können?
Geheimdienste arbeiten auf der Grundlage recht weit geschnittener Gesetze, deren Formulierungen sich immer noch weiter dehnen lassen. Hierfür sind Regierungen und Parlamente verantwortlich – und damit eben auch für die mangelhafte Kontrolle. Geheimdienste arbeiten in einer intransparenten, letztlich kontrollfreien Geheimzone, wo der demokratische Sektor endet. Mit Demokratie sind sie eben deswegen schwerlich vereinbar, weil sie den Prinzipien der Transparenz und Kontrollierbarkeit widerstreben. Dieses chronische Kontrolldefizit begünstigt skandalöse Machenschaften, Grenzüberschreitungen und Grundrechtsverletzungen.
Was also tun mit solchen notorischen Fremdkörpern in einer Demokratie, wenn – obwohl sie mehr schaden als nützen – ihre Auflösung und Umwandlung in demokratisch-transparente Institutionen aktuell nicht zur Debatte stehen? Da bleibt nichts anderes übrig, als zunächst ihre Aufgaben und Befugnisse zu beschneiden, anstatt diese auszuweiten und ihnen immer mehr Macht zu verleihen, wie es im Zuge des staatlichen Antiterrorkampfes ständig geschieht. Zumindest sollten nachrichtendienstliche Mittel und Methoden allenfalls in Ausnahmefällen zulässig sein und gesetzlich zur ultima ratio erklärt werden.
Das sich mit »Quellenschutz« und Aufrechterhaltung der »Funktionsfähigkeit« der Dienste selbst begründende Geheimhaltungssystem kann nur aufgebrochen werden, wenn die systematische Anwendung dieser geheimen Mittel und Methoden – etwa das V-Leute-Unwesen – endlich unterbunden wird. Darüber hinaus sind Transparenz und Kontrolle so gut wie möglich zu verbessern – und zwar weit über das hinaus, was man gegenwärtig in Berlin als »Reform« diskutiert. Zumindest könnte ein vom Parlament zu wählender und nur ihm verantwortlicher, von der Regierung unabhängiger Geheimdienstbeauftragter mit weitreichenden Kontrollbefugnissen – wie Akteneinsichts- und Vernehmungsrecht – und kompetentem Team die Kontrolle professionalisieren. Allerdings ließe sich auch dadurch keine umfassende Kontrolle der Geheimdienste garantieren. Und keine Demokratieverträglichkeit.