Die Bahn will Daten und Geld
Nachdem die Führung der Deutschen Bahn eindrucksvoll gezeigt hat, wie vertraulich sie mit persönlichen Daten umzugehen weiß, ist es um so verständlicher, daß sich manche Bahnkunden nach wie vor scheuen, ihre Fahrkarten mit der EC-Karte zu bezahlen.
Doch genau dazu möchte die Bahn ihre Reisenden ermutigen. Mehr Vertrauen in die Seriosität des Unternehmens, zur Not mehr Vertrauen in die staatlichen Kontrollen soll der Kunden wagen. Aus diesem Grund (und zur Senkung der Personalkosten) werden immer weniger Fahrkartenschalter betrieben und die Verkäuferinnen machen keinen Hehl daraus, daß die am Automaten gezogenen Fahrkarten preiswerter sind.
Unabhängig davon bleibt vielen Kunden selbst in mittelgroßen Städten wie Merseburg oft gar keine Alternative zu den beiden elektronischen Kästen, die je nach Wunsch Bargeld oder EC-Karten als Zahlungsmittel anerkennen.
Da die Bahn nirgendwo anderslautende Hinweise gibt, ist eigentlich davon auszugehen, daß eine Fahrkarte an beiden Automaten gleich viel kostet. Und tatsächlich beträgt der Preis einer Einzelfahrt von Merseburg nach Magdeburg exakt 16,70 Euro, egal, ob der Kunde mit Barem oder mit EC-Karte bezahlt.
Auch für eine Fahrkarte nach Gera zahlt der Kunde am Bargeld-Automaten 16,70 Euro – an dem EC-Automaten hingegen kostet sie drei Euro weniger. Die Differenz ist bei einer Fahrt nach Weida noch größer: Bar bezahlt kostet sie glatte 19 Euro, mit der EC-Karte nur 15,20 Euro. Richtig bemerkbar macht sich der Preisunterschied bei einer Fahrt von Merseburg nach Dresden. Unglaubliche 8,80 Euro zahlt hier der Kunde drauf, der sich für den Bargeld-Automaten entscheidet.
Sollten Kunden der Deutschen Bahn also besser mit EC-Karte bezahlen, soweit sie sich mit potentiellen Eingriffen in ihre privaten Daten abfinden? Ja, sagen die Fahrkarten-Automaten der Deutschen Bahn – bis auf wenige Ausnahmen. Es gibt nämlich einzelne Strecken, wo Barzahlung günstiger ist, zum Beispiel von Merseburg nach Kassel. Da spart der Barzahler 1,60 Euro.
Aber was steckt dahinter? Will die Deutsche Bahn wirklich mehr Kundendaten bei weniger Personalaufwand erhalten? Und wenn ja, wozu? Wird in naher Zukunft vielleicht die Regionalbahn nach Köthen auf mich warten, weil der Zugführer weiß, daß ich diese jeden Dienstag benutze? Oder hält mir das freundliche Reisepersonal einen Sitzplatz am Fenster frei? Wohl eher nicht.
Handelt es sich hier vielleicht einfach um Abzocke? Zunächst spricht vieles dafür, daß die Bahn in diesem Fall bewußt mit der Unwissenheit ihrer Kunden Schabernack treibt, da sie nicht ausreichend über Preisunterschiede zwischen den Automaten informiert. Jedenfalls muß der Vorstandsvorsitzende irgendwie auf sein Gehalt von jährlich 2,9 Millionen Euro kommen. Außerdem muß die Bahn noch die Abfindung für den scheidenden Vorsitzenden Hartmut Mehdorn berappen. 4,8 Millionen Euro wachsen schließlich nicht in der hohlen Hand!
Bernhard Spring
Völkerkunde
Die ganze Welt
ein blühender Paradiesgarten
auf allen Kontinenten,
jedenfalls im Prinzip.
Hier wurde gesät und geerntet,
gesungen und getanzt,
gespielt und gelacht,
später sagte man:
Freiheit, Gleichheit, Mitmenschlichkeit.
Die ganze Welt
ein stinkender Misthaufen
durch alle Jahrhunderte,
jedenfalls in der Realität.
Krieg und Vertreibung,
Piraterie, Sklaverei, Vergewaltigung,
Unterdrückung und Ausbeutung.
Jeder sich selbst der Nächste,
einer der Feind des andern.
Wolfgang Bittner
Steigerungsfähig
Die Bundeswehr hat Rekrutierungsprobleme. Veranstaltungen zielen darauf, junge Frauen und Männer in ihre Dienste zu locken. Das geschieht möglichst harmlos, einladend und unterhaltend. Das frohe Leben im Zelt, der verträumte Blick ins Lagerfeuer, das Kraftgefühl, einen Lastwagen zu lenken, nicht gleich den Marschallstab im Tornister, aber Aussicht auf ein krisenfestes, auskömmliches Einkommen. Derlei besitzt Tradition, die hier aber nicht herausgestellt wird. Die ältesten Zeitgenossen erinnern sich noch. Begleitet vom Papa oder Opa, die schon beim Kaiser »gedient« und fürs Vaterland geschossen hatten, sind sie in einer Wehrmachtskaserne einst an einem Sonntag auf allerlei Kriegsgerät herumgekrabbelt und haben davon geträumt, Abenteuer zu bestehen, ein richtiger Kerl oder gar Held zu werden.
Von solchem Tag, im Jahre 1941, da führte Deutschland, das damals das Reich hieß, auch Krieg, berichtete ein US-amerikanischer Augenzeuge, Harry Flannery, in seinem Buch »Mit dem letzten Zug ...«.
Nach Hitlers Kriegserklärung an sein Land mit dem letzten Zug in die Schweiz entkommen, beschrieb er den »Tag der Wehrmacht«, den er im März noch in Berlin erlebt hatte, so: »Zu diesem Anlaß war der Waffenstillstandswagen von Compiègne im Lustgarten aufgestellt worden, und gegen Eintritt konnte man auf einer eigens errichteten Plattform an dem dunkellackierten Waggon entlanggehen und zu den Fenstern hineinschauen. Auf dem offenen Platz zwischen Staatsoper und Kronprinzenpalais standen leichte und schwere Panzer, Flugzeuge, Flugabwehrkanonen und andere Geschütze, auf denen die Jungen herumturnten, an deren Kurbeln sie herumdrehen und durch deren Visiergeräte sie schauen durften. Auf dem Grünstreifen Unter den Linden standen Feldküchen, an denen Essen verteilt wurde. Und überall im Reich waren Kasernen, Exerzierplätze, Marinestützpunkte und Fliegerhorste Schauplatz militärischer Vorführungen, von Spielen und Unterhaltung, an der Prominenz aus Film, Varieté und Oper teilnahm.«
Um eben diese Zeit wurde in der Stadt Münster, bei einem Sammeltag des Winterhilfswerkes, von der Polizei ein Turm aufgebaut, von dem herab die Kleinen gegen eine Spende »Bomben auf London« werfen konnten.
Mit etwas Traditionsbewußtsein ist die aktuelle Werbung der Bundeswehr mithin steigerungsfähig, wenn auch das Zelt, in dem der Sieg am Hindukusch notifiziert worden ist, Unter den Linden noch nicht ausgestellt werden kann.
Von Krieg ist ohnehin die Rede nicht. Krieg führen die anderen, wir ziehen in Einsätze.
Kurt Pätzold
Sozial, sozialer, am sozialsten
Die Bundesrepublik hat, zumindest in der Wirtschafts- und Sozialpolitik, seit Jahren ohne regierende Politiker und Parteien dagestanden. Außerirdische waren es, die gesellschaftspolitische Weichenstellungen vorgenommen haben. Dieses Bild bringen derzeit SPD, Grüne und CDU/CSU unters Wahlvolk. Die Sozialdemokraten und die Grünen überbieten sich in sozialpropagandistischem Eifer, in Schmähreden auf den bösen »Casinokapitalismus«, und da will der »Arbeiterführer« Rüttgers (CDU) noch eins draufsetzen. Anläßlich seiner Bestätigung als Parteivorsitzender in Nordrhein-Westfalen polemisierte er gegen »das Mantra der letzten Jahrzehnte – Privatisierung, Deregulierung, Flexibilisierung«. In der Vergangenheit habe »man« (ja aber wer ...) »Wachstumserlöse privatisiert und die gesellschaftlichen Kosten sozialisiert«. Damit müsse nun Schluß sein.
Wenn das so weitergeht mit der verbalen Zähmung des kapitalistischen Systems, hat die Linkspartei bald programmatisch nichts mehr anzubieten. Merke: Nach der Wahl ist sprichwörtlich vor der Wahl, aber ganz praktisch ist vor der Wahl nicht nach der Wahl. Jetzt werden Sprüche geklopft, dann wird regiert – nicht anders als bisher, durchaus irdischen Anweisungen folgend, freilich nicht denen der Wählerinnen und Wähler, die jetzt auf den Leim geführt werden sollen.
Arno Klönne
Heiteres von Steinbrück
Auch Peer Steinbrück tourt jetzt durch die Lande, und anders als sein Parteivorsitzender weiß der Bundesfinanzminister das Publikum in Laune zu bringen; er hat stets den einen oder anderen Scherz parat, etwa: »Eine Milliarde scheint zur kleinsten Recheneinheit der Republik geworden zu sein.« Aber Spaß beiseite – »Spielregeln« für die Finanzmärkte seien in Zukunft tatsächlich vonnöten, sagt er und bietet eine Erklärung dafür an, daß es daran bisher gefehlt hat: »Eine Partei, die hinter jedem Buchstaben einen Punkt hat, war da nicht sehr hilfreich.« Daran hat’s gelegen, ob nun rot-grün oder schwarz-rot regiert wurde: Guido Westerwelle wollte der deutschen Politik nicht auf die krisenverhindernden Sprünge helfen.
Marja Winken
Nationalstaat und Globalisierung
sind Themen des neuen Buches von Jürgen Elsässer, in dem auf 100 knappen Seiten sowohl Analyse als auch Lösungsmöglichkeiten der aktuellen Krise Platz finden. Der in der Linken nicht unumstrittene Autor beschreibt hier in einfachen Worten, wie es zur Krise kam und wer bis jetzt daran verdient (zum Beispiel die Bank J. P. Morgan). Immer wieder auf den Buchtitel Bezug nehmend regt Elsässer an, den Nationalstaat in seiner Bedeutung zu reaktivieren, um der ungebremsten Finanz-Globalisierung entgegentreten zu können. Sieben kurze, leicht verständliche Kapitel reichen ihm, um den großen Bogen der Weltlage zu spannen. Er verzichtet dabei weitgehend auf Fußnoten zur Quellenlage, was manchmal schade, aber in Anbetracht des Taschenformats verständlich ist. Quellen, die er mehrfach erwähnt, sind Helmut Schmidt, Sahra Wagenknecht und Wilhelm Hankel, Finanzstaatssekretär unter Willy Brandt.
Im Kapitel »Fiktives Kapital, realer Krieg« zeigt Elsässer die verdeckte Beziehung zwischen Militarisierung und Finanzspekulation. Zitat aus dem Buch: »Tag für Tag flossen im Jahr 2007 etwa drei Milliarden Dollar netto vom Ausland in die USA. Was macht die Anleger so sicher, daß sie ihr Geld zurückbekommen? (…) Der Dollar ist zwar nicht mehr durch Gold, wohl aber durch militärische Gewalt gedeckt. (…) Daß sie (die US-Regierung) ein Land wie den Irak, wo die zweitgrößten Ölvorkommen weltweit vermutet werden, unter ihre Kontrolle bekam, verschaffte ihr an den internationalen Kreditmärkten Bonität.«
Daß der Kampf für mehr Demokratie und für eine menschliche Wirtschaftsordnung nur über den Weg des Nationalstaats erfolgreich sein wird, kann wohl als zentrale These des lesenswerten Buches gelten. Sie steht zur Debatte.
Paul Schreyer
Jürgen Elsässer: »Nationalstaat und Globalisierung. Als Linker vor der Preußischen Gesellschaft.«, Manuscriptum Verlagsbuchhandlung
Walter Kaufmanns Lektüre
Dem stets akribisch forschenden Ralph Hartmann mag entgangen sein, daß der Bund stolze sechs Millionen Euro Steuergelder für die Entwicklung und Anwendung eines Computerprogramms des Fraunhofer-Instituts zur Verfügung stellte, mit dessen Hilfe in 16.000 Säcken gelagerte 600 Millionen Schnipsel von Hand zerrissener Stasi-Dokumente rekonstruiert werden können. Den Hinweis auf die Geldzuwendung liefere ich nach, und zugleich bestätige ich dem Autor, daß es äußerst aufschlußreich ist, die aufwendige Wiederherstellungsaktion dem Verschwinden von Geheimdienstinformationen über Auslandseinsätze der Bundeswehr aus den Jahren 1999–2003 gegenüberzustellen.
Und wenn er uns daran erinnert, daß der ehemalige CDU-Generalsekretär Peter Hintze den »Aufbau Ost« als »die beeindruckendste Erfolgsgeschichte des Jahrhunderts« lobte, und wenige Abschnitte später schreibt, daß die ostdeutsche Industrieproduktion durch den Crash-Kurs der Bundesregierung, nach der überstürzten Währungsunion und dank des Wirkens der Treuhandgesellschaft 1991 nur noch ein Drittel des Vorwendestandes erreichte, dann wissen wir Hintzes Wort richtig einzuordnen.
So geht es quer durch die DDR-Legenden: Wenn der Profit gefährdet ist, schreibt Hartmann, werden Werke ausgeplündert und geschleift (wie in Roßleben und Bischofferode), Arbeiter werden in Massen entlassen, Existenzen zerstört. Winkt jedoch neuer Maximalgewinn, dann scheuen Profitjäger weder Mühe noch Kapital. Unter Roßleben, so liest man, liegen rund 300 Millionen Tonnen bester Kali – da lohnt es schon, den zugeschütteten Schacht mit geschätzten Kosten von einer halben Milliarde Euro wieder in Betrieb zu nehmen; schließlich geht es nicht länger um »feindliches Vermögen«.
Unter den Ostdeutschem, die seit 1990 ihre alte Heimat verlassen haben, ist, laut Hartmann, der Anteil junger qualifizierter Frauen besonders hoch – in den entlegenen wirtschaftsschwachen Regionen übertrifft das Frauendefizit selbst das in den Polarkreisregionen im Norden Schwedens und Finnlands. Da dürfte anzunehmen sein, daß die Empfänger sogenannter »Heimatschachteln« aus Sachsen-Anhalt, die Knäckebrot und Pralinen, diverse Gutscheine und Abonnements für lokale Zeitungen enthalten, vornehmlich Frauen sind, damit in ihnen die Sehnsucht nach der Heimat geweckt werde und sie an Rückkehr denken ...
Dieses Buch hat es in sich. Man schlage es auf wo auch immer, Überraschungen sind garantiert. Oder würden Sie ohne weiteres glauben, daß im Veranstaltungskalender der Eppelmann-Stiftung zum 20. Jahrestag der deutschen Einheit die Treuhandanstalt total ausgeblendet bleibt? Oder daß es sich, angesichts des beim Aufbau Ost Geleisteten, für die Sprecher der CDU erübrigt, auf Mängel wie Deindustrialisierung, Überschuldung von Ländern und Gemeinden, Vergreisung und Verödung ganzer Landstriche, Abwanderung von 1,5 Millionen Menschen, Massenarbeitslosigkeit, Diskriminierung der Ostdeutschen bei Tariflöhnen und Rente, Kinder- und Altersarmut überhaupt einzugehen? In anderen Worten: Schlag nach bei Hartmann, es lohnt sich!
Walter Kaufmann
Ralph Hartmann: »DDR-Legenden. Der Unrechtsstaat, der Schießbefehl und die marode Wirtschaft«, edition ost, 224 Seiten, 14 €
Nazim Hikmet
An Versuchen, das dichterische Werk Nazim Hikmets, des großen türkischen Poeten, ins Deutsche zu übertragen, hat es in der Vergangenheit nicht gefehlt. Unter den Nachdichtern befinden sich Stephan Hermlin, Heinar Kipphardt, Bernd Jentzsch. Vor einigen Jahren haben Lutz Görner und Melike Demirag mit einem bei Naxos erschienenen Hörbuch an Hikmet erinnert. Jetzt, 45 Jahre nach Hikmets frühem Tod, hat der Schweizer Ammann Verlag eine umfangreiche Gedichtsammlung in Übertragungen von Gisela Kraft veröffentlicht – ein Buch, das mir das Herz höher schlagen läßt. Frühe Gedichte des genialen Jünglings stehen noch ganz im Zeichen der anatolischen Tradition. Es folgen bis 1950 entstandene und »späte Gedichte«. Den Abschluß bildet Lyrik aus den letzten drei Lebensjahren. »Nachwort zu allen meinen Büchern« ist eines dieser wunderbaren poetischen Gebilde überschrieben:
Meine Zeilen schmecken nicht
nach Tränen,
meine Gedichte sind wie Bittersalz:
untrinkbar ...
Eine Entdeckung für jeden Hikmet-Freund ist die vollständige Nachdichtung des »Epos vom Scheich Bedreddin«, in dem der Dichter ein Thema aus der Geschichte seines Volkes gestaltet: den Volksaufstand gegen Sultan Mehmet I. im 15. Jahrhundert.
Die hier vereinten Gedichte lassen uns auch noch einmal dem unbeugsamen Kommunisten Hikmet begegnen, der nach jahrelanger Haft ins sowjetische Exil ging.
Ich dachte beim Lesen an ein Treffen Hikmets mit uns Studenten in Leipzig 1957. Moderator war Hans Mayer, Übersetzer aus dem Russischen – Hikmet sprach fließend russisch – Alfred Kurella. Hikmet faszinierte uns damals mit seiner Bescheidenheit und Herzlichkeit. Er rezitierte auch eigene Gedichte – mit harter, spröder Stimme. Mit großer Geste rief er uns, die Jugend, dazu auf, für den bedrohten Weltfrieden zu kämpfen. Er war voller Elan und Optimismus.
Die jetzt vorliegende Anthologie bietet eine gute Einführung in Hikmets Werk und eine leider sehr lückenhafte Chronik der wichtigsten Lebensstationen. Auch die Qualität der wenigen beigegebenen Fotografien läßt zu wünschen übrig.
Dieter Götze
Nazim Hikmet: »Hasretlerin Adi. Die Namen der Sehnsucht«. Gedichte, türkisch und deutsch, ausgewählt, nachgedichtet und mit einem Nachwort versehen von Gisela Kraft, Ammann Verlag, 354 Seiten, 29.90 €
Werte Herren
Bitterling und Reizker! Sie haben mir da kürzlich Ihren gedruckten Briefwechsel zukommen lassen; sehr intimes Geschreibsel, in dem Sie ziemlich wirr über Politik herziehen und unsere Bundeskanzlerin und deren beide Lebensgefährten, Pofalla und Sauer, falsch darstellen. Ganz besonders mies aber machen Sie den kernigen deutschen Wähler, vor allem uns Sachsen, das Urvolk der Demokratie.
Werte Herren, heutzutage gibt ja jeder seine Glaubensrichtungen preis und nennt dies dann Memoiren. Hätten Sie das nicht auch machen können? Aber nein, Sie mähren das als Briefwechsel aus. Sie, Herr Bitterling, berichten ständig stolz von Ihrer übergewichtigen Familie und schmieren sich bei Ihrem Bundestagsabgeordneten an, daß es schon nicht mehr feierlich ist. Und Sie, Herr Reizker, vergessen völlig, daß Sie als Bundestagsabgeordneter auch eine gewisse deutsche Würde an den Tag legen sollten. Hingegen prahlen Sie marktschreierisch mit einer sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz, von welcher dann ein Kind entbunden wird.
Es mag Bundestagsabgeordnete geben, die so pflicht- und ehrvergessen handeln. Aber ich kenne eine ganze Menge anderer, die täglich vierzig Stunden Empfänge durchzuführen haben, Gesetzestexte anstreichen und Autobahnbänder zerschneiden müssen und sich für uns Schwielen an den Hintern anarbeiten. Apopos: Ihre rücklings gewandten Witzchen hätten zum Beispiel auf den Humorabenden unserer Bundeswehr keine Chance, denn dort herrscht eine offene Moral bis zum Hintukusch.
Daß Sie aber Ihre peinlichen Schreibereien und Ihre als Kalauer getarnten Verunglimpfungen unter den Decknamen zweier mir eigentlich als humorvoll-heiter bekannten Persönlichkeiten anbieten, finde ich schamlos. Wolfgang Eckert schreibt in Meerane feinsinnige Humoresken, und Hanskarl Hoerning war jahrzehntelang ein Urgestein des vorwärtsweisenden Humors des Kabaretts »Leipziger Pfeffermühle«.
Sollten diese noblen Herren Ihr Buch in die Hand bekommen, werden Sie womöglich Klage gegen Sie erheben. Dieser Absicht, das darf ich Ihnen durchaus versichern, habe ich nichts hinzufügen!
Hochachtungsvoll!
Matthias Biskupek
Wolfgang Eckert / Hanskarl Hoerning: »Werter Herr Abgeordneter! Ein Briefwechsel«, Eulenspiegel Verlag, 5,90 €