Unauslöschlich steht der zweite Maitag des Jahres 1933 in der Chronik der deutschen Gewerkschaftsbewegung. Da endete für mehr als zwölf Jahre die Legalität des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes und aller anderen Gewerkschaftsorganisationen, die in der Weimarer Republik mit mehr oder weniger Energie und Erfolg die Interessen ihrer Mitglieder und auch unorganisierter Arbeiter und Angestellter vertreten hatten – oder das, was sie dafür hielten. SA besetzte die Häuser und Büros, verschleppte Funktionäre in die Konzentrationslager. Am Tage davor hatte die Gewerkschaftsführung noch dazu aufgerufen, an einer Kundgebung teilzunehmen, die anläßlich des zum »Tag der nationalen Arbeit« verfälschten Kampftages in Berlin auf dem Tempelhofer Feld stattfand. Dort sprach: Adolf Hitler.
Das hätte in der Eröffnungsansprache gesagt werden können, die Professor Günter Morsch, Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, hielt, als am 2. Mai 2011 der Deutsche Gewerkschaftsbund zur Eröffnung einer Wanderausstellung in sein Berliner Zentralhaus am Hackeschen Markt einlud. Stattdessen nannte der Redner die damalige Haltung der Gewerkschaften und die Hoffnung, in der Nazidiktatur irgendeinen legalen Platz doch noch behalten zu können, einen Irrtum. Wie es zu dem gekommen war, mochten sich die Gäste selbst beantworten. Deren Interesse aber galt vor allem der Ausstellung, deren Titel lautet »Seid wachsam, daß über Deutschland nie wieder die Nacht hereinbricht – Deutsche Gewerkschafter im KZ 1933–1945«. Nach seinem Umfang ist das Gezeigte so bemessen, das es in vielen Gewerkschaftshäusern des Landes Platz finden und Besucher anziehen kann. Und das ist dieser verdienstvollen Arbeit zu wünschen. Sie entstand unter Mitwirkung von Studenten des Otto-Suhr-Instituts. Waren die danach mit ihren Studien so beschäftigt, daß deswegen keiner von ihnen aus diesem Anlaß zu Worte kam?
Die Ausstellung ist strikt biographisch angelegt. Sie informiert auf etwa einem Dutzend Schautafeln über Lebenswege von Gewerkschaftern. Vertreten sind Funktionäre des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes ebenso wie aus den christlichen Organisationen und der Revolutionären Gewerkschafts-Opposition, Menschen, die in den Lagern umgebracht wurden, und andere, die überlebten und sich nach der Befreiung vom Faschismus in einem der beiden deutschen Staaten für demokratische Zustände und damit die Möglichkeit einsetzten, die Interessen der Arbeitenden zu verfechten und durchzusetzen. Wer mehr über sie wissen will, kann sich in einem Begleitband belesen.
In der Konzentration auf Lebensbilder liegt die Ausdrucksstärke der Ausstellung mit ihren großformatigen Fotografien und knappen Texten und zugleich ihre – jedoch nicht unvermeidliche – Schwäche. Unerwähnt bleibt, daß die Nazis, die während der Weltwirtschaftskrise den weithin vergeblichen Versuch unternahmen, in Betrieben politisch Fuß zu fassen, und die Gewerkschaften Feinde waren, weil die Hitlerpartei doch eine Partei des Kapitals war; diese Anmerkung hätte nicht viel Platz beansprucht. Das gilt auch für die Tatsache, daß zur gleichen Zeit, da Gewerkschafter in die Konzentrationslager verschleppt wurden, der Reichsverband der deutschen Industrie, ihr organisierter Widerpart, den Aufruf zur »Adolf Hitler-Spende der deutschen Wirtschaft« ergehen ließ. So verläßt der Betrachter den Ort auch mit dem Eindruck, daß hier der soziale Friede (früher: die Volksgemeinschaft) nicht durch einen zu tiefen Blick in die Geschichte gestört werden soll.
Die Ausstellung ist bis zum 30. Juni montags bis samstags zwischen 10 und 18 Uhr im DGB-Haus am Hackeschen Markt in Berlin zu sehen.