Die Infrastruktur der Daseinsvorsorge stellt einen gewaltigen Wert dar. Allein für ihren Erhalt sind laut OECD von 2006 bis 2030 weltweit 71 Billionen US-Dollar erforderlich. Die nach Anlagemöglichkeiten Suchenden sind daher schon länger auf die Daseinsvorsorge aufmerksam geworden. Auch wenn keine Autos mehr rollen, Wasser wird weiter getrunken, die Mittel, die die Staaten für den Erhalt ihrer Daseinsvorsorge aufwenden, gelten als krisensicher.
Dabei sind Infrastrukturen an und für sich für private Anleger gar nicht so interessant, sie sind teuer in Errichtung und Unterhalt und können auch bei luxuriösester Inanspruchnahme von wenigen Privaten kaum gewinnbringend genutzt werden. Erst durch die Allgemeinheit als Nutzergruppe und den Staat als Geldgeber für die erforderlichen Investitionen werden Infrastrukturen als Anlageobjekte interessant.
Das Instrument der Privatisierung der Daseinsvorsorge heißt PPP, Public Privat Partnership, im Deutschland zuweilen auch ÖPP, öffentlich-private Partnerschaften genannt. PPPs sind ultralanglaufende Vertragswerke. Das Auftragsvolumen von Schulen, Krankenhäusern, Wasserwerken, Gefängnissen, Rathäusern, Schwimmbädern und sogar Autobahnen wird für 30 Jahre an eine einzige Firma vergeben. Die Verträge verwandeln die Daseinsvorsorge in handelbare, spekulationsfähige Finanzprodukte. Eigenkapitalanteile von PPPs können und werden weiterverkauft, in Großbritannien allein bisher 650 mal. Erst nach Vertragsende erfolgt der »Heimfall« an die öffentliche Hand, die dann oft eine erforderlich gewordene teure Sanierung vornehmen muß. Die PPP-Projektgesellschaften, die während der Vertragslaufzeit Millionen, teilweise Milliarden Euro an ihre Anleger (oft mit Sitz in Steueroasen) ausschütten, haben in Deutschland immer nur das Minimum an haftendem Eigenkapital von 25.000 Euro. Werden diese Projektgesellschaft mit Regreßforderungen bedacht, melden sie sofort Insolvenz an.
Offiziell beworben wird PPP mit dem angeblichen Effizienzvorteil. Private Berater errechnen im Vorfeld in sogenannten Wirtschaftlichkeitsgutachten, daß PPP die öffentliche Hand günstiger kommt als die konventionelle Vergabe. Inoffiziell wird PPP als Umgehung von Verschuldungsobergrenzen angeboten: Die Verträge sind zwar faktisch Schulden und müssen in Krisenländern wie Griechenland auch als solche verbucht werden. In Deutschland werden PPPs jedoch noch unter den laufenden Ausgaben verbucht, trotz mehrfacher und vehementer Kritik der Rechnungshöfe. In einer gemeinsamen Stellungnahme der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder heißt es zu den Gutachten: »In vielen Fällen zeichneten sich die Arbeitsergebnisse der [PPP-]Berater durch mangelnde Nachvollziehbarkeit aus.« Tatsächlich konnten neun von 18 untersuchten PPPs deswegen nicht geprüft werden. Bei den verbliebenen neun PPPs kamen die Rechnungshöfe in acht Fällen zu einem geringeren Effizienzvorteil als ausgewiesen. Man gab auch einen Hinweis, weswegen das so ist: Die gutachtenden Beraterfirmen sind selbst enorme Profiteure des Systems PPP. »Zum Teil waren die Grenzen zwischen Beratung und Lobbying fließend«, stellten die Rechnungshöfe nüchtern fest. Vermutlich deswegen sind PPP-Vertragsentwürfe und PPP-Verträge stets geheim.
Es gibt bei PPP-Projekten inzwischen zahlreiche Fälle von eklatanten Kostensteigerungen, gravierenden Bauzeitüberschreitungen, massiven Einschränkungen der Leistungen sowie von Schädigungen der Infrastruktur. Viele Projekte wurden vorzeitig abgebrochen, oft wegen Insolvenz. Unter den Abbrüchen sind Preisträger und Pilotprojekte wie das »digitale Bürgerportal Würzburg«. Das PPP-Innovationsprojekt Elbphilharmonie Hamburg kostet statt ursprünglich 77 Millionen Euro nun mindestens 684 Millionen Euro – fast das Neunfache. Im PPP-Innovationsprojekt »90 Schulen Landkreis Offenbach« kam es zu erheblichen Nachforderungen im Projektverlauf. Statt 780 Millionen zahlt der Landkreis 1,3 Milliarden Euro oder mehr.
Das Volumen an PPP nimmt weiter zu, aktuell sind fünf milliardenschwere Autobahn-PPP-Vorhaben in der Planung, teilweise auch schon in der Ausschreibung. Auch die Anzahl der PPP-Vorhaben steigt weiter an.
Dennoch gibt es auch Hoffnung: Noch vor fünf Jahren war der Begriff PPP außerhalb von Expertenkreisen weitgehend unbekannt, inzwischen wird vielfach darüber kritisch berichtet, zuletzt in den ARD-Fernsehmagazinen Monitor und Panorama sowie in frontal 21 vom ZDF, aber auch in Autobild. Gleichzeitig ist seit drei Jahren in keiner großen Zeitung mehr eine Lobeshymne für PPP erschienen. Die Wende in der Berichterstattung spiegelt die Haltung der Menschen zu PPP als Privatisierungsform wider. Es kommt immer öfter zu lokalem Widerstand gegen PPP-Vorhaben. In Frankfurt am Main konnte ein 500-Millionen-Euro-PPP-Projekt verhindert werden. Die Privatisierung eines Abschnitts der Autobahn A7 per PPP geriet zum Wahlkampfthema in Niedersachsen und wurde vorerst gestoppt. In Keitum wurde der Gemeinderat wegen eines PPP-Desasters abgewählt, vor einer 14 Millionen Euro teuren Keitumer PPP-Investitionsruine hat man eine Gedenktafel angebracht: »Lernort PPP oder wie der Traum vom Thermalbad zum finanziellen Alptraum wurde«. Noch ist nicht nur Keitum, sondern weiterhin ganz Deutschland »Lernort PPP«. Für eine Abwahl von Politikern, die die Daseinsvorsorge privatisieren, gibt es im September eine neue Gelegenheit.