Wäre ich ein großer Industrieboss oder ein Global Player der Wirtschaft oder auch einfach nur Funktionär einer Partei, die im Dienste dieses Klientels für die Allgemeinheit zu wirken vorgibt, dann wäre ich auf jeden Fall für eine radikale und allumfassende Privatisierung. Privatisierung verspricht unternehmerischen Erfolg, Wachstum, Kostensenkung, Gewinn. Privatisierer werfen allen hemmenden Ballast ab. Die Lösung sozialer oder Umweltprobleme überlassen sie der Allgemeinheit.
Ich würde diesen Prozeß lieber nicht als Privatisierung bezeichnen, ich finde das Wort Liberalisierung dafür viel schöner. Es hat auch den schönen Klang von Befreiung. Und bei richtiger Betrachtung erfolgt ja in jedem Fall eine Befreiung, eine Befreiung aus den Fesseln des sogenannten Sozialstaates.
Ich als Großunternehmer wünsche mir aber auch den freien Zugang zu allen Ressourcen. Wasser ist zum Beispiel so eine Ressource, die dringend dem freien Markt zuzuführen wäre. Mit ihr müßte man viel gewinnorientierter umgehen, als das bisher geschieht, denn Wasser ist ein teures Gut. Schon seit einiger Zeit haben das findige Liberalisierer erkannt und mit ihren Ideen und Ansprüchen für Aufregung bei den Verbrauchern gesorgt. Aber warum sollte ein einzelner nicht an diesem teuren Gut profitieren dürfen? Wir haben doch einen freien Markt, sind eine freiheitliche Demokratie, da muß das doch möglich sein!
So könnte ich mir auch ein einträgliches Geschäft mit der Atemluft vorstellen. Sie wäre so eine Ressource, die bei gescheitem Management mit großem Gewinn vermarktet werden könnte. Der gemeine Mensch braucht doch nichts so sehr zum Leben wie die Luft zum Atmen. Ich denke darüber nach, wie hoch der Grundtarif für die Einzelperson sein sollte, wie sich das individuelle Lungenvolumen auf die Preisgestaltung auswirkt, ob man Familienrabatte einräumen und tatsächlich kostenfrei zu atmende Einheiten vorsehen sollte.
Ebenso sähe ich Chancen bei der Vermarktung der Ressourcen Mond- und Sonnenschein. Hiervon sollte schon jeder Mensch eine bestimmte Dosis zur freien, unentgeltlichen Verfügung haben. Es wäre zu überlegen, ob man das freie Limit als Stundenanzahl pro Tag, pro Monat oder pro Jahr festlegt. Jedenfalls wären darüber hinausgehende Sonnen- oder Mondschein-Einheiten dann kostenpflichtig. Mit einer globalen Lizenz könnte man aus der Idee ein sehr effektives Privatunternehmen machen.
Die Post-mortem-Wellness-Oase, auch Himmel oder Paradies genannt, ist allerdings seit Jahrtausenden schon in Privathand. Sie läßt sich also nicht noch einmal privatisieren oder in andere, besser wirtschaftende Privathände überführen. Der gut florierende, global agierende, private Familienbetrieb von Vater, Sohn und Heiligem Geist ist so stabil, daß auch das Zweigstellen- und Vertreterpersonal auf Erden sich stark und wehrhaft dafür einsetzt, den Bestand dieses Unternehmens zu sichern. Aber auch das andere postmortale Unternehmen, die Wellness-Oase für die ganz Hartgesottenen, die Hölle, scheidet als Objekt für eine Privatisierung aus. Der Eigner, Herr Satanas und seine Crew lassen selbst gut vorbereitete Friendly-Takeover-Vorhaben nicht zu. Auch wenn sich dieser Betrieb bei der Allgemeinheit keiner großen Beliebtheit erfreut, ist er auf Grund der ständigen Zwangszuweisungen ein grundsolides Unternehmen. Als fleißiger Liberalisierer würde man aber später sowieso genügend Gelegenheit haben, dieses Unternehmen gründlich kennenzulernen. Dann ergäbe sich sicher eine gute Gelegenheit, mit all den Kollegen und Konkurrenten, denen man dort mit Sicherheit begegnen wird, zu versuchen, Einfluß auf die Abläufe im Unternehmen zu bekommen. Sicher würde Herr Satanas dann einsehen, daß er bisher nicht effektiv genug gewesen ist, und abtreten. Aber vielleicht ist genau das schon vor einiger Zeit geschehen.