Ein einziges Mal war die lethargische Kanzlerin empört. Als bekannt wurde, daß der Große Bruder auch ihr Handy abhört. Niemals hatte sie ihm Grund gegeben, ihr zu mißtrauen. »Ausspähen unter Freunden – das geht gar nicht.« Das war alles, was sie in Ausübung ihres Amtseides, Schaden vom deutschen Volk zu wenden, zu sagen sich aufraffte. Das Abhören, das Ausspähen des gesamten Restvolkes ist ihr egal.
Und sie schweigt zu dem auch von deutschem Boden aus – der allerdings war dazu schon immer tauglich – betriebenen Mord auf anderen Kontinenten. Seit dem Dienstag in der Karwoche, seit der Arte-Dokumentation »Die Drohne« (noch in der Arte-Mediathek zu sehen) wissen wir, daß Merkels Freunde unter Barack Obama den schon von George W. Bush initiierten Drohnenmord hemmungslos ausweiten. In Pakistan gibt es alle zwei, drei Tage Drohneneinsätze. Gefangene werden nicht mehr gemacht. Aus humanitären Gründen. So bleiben – das hat Obama versprochen – den Opfern neue Guantanamos erspart. Es ist nur noch ein Videospiel. Ein Klick und die Sache ist erledigt. Und wenn dann in Nordwasiristan tote und verletzte Kinder auf der Straße liegen und keiner zu Hilfe eilt, aus Angst vor der Drohne, sorry, shit happens. Der Krieg gegen den Terror geht weiter.
Spätestens seit einer »Panorama«-Sendung im Mai letzten Jahres ist der Kanzlerin bekannt, daß vom deutschen US-Stützpunkt Ramstein aus völkerrechtswidrige Todesdrohnen der US-Luftwaffe in Afrika gesteuert werden. Drohnentypen mit sprechenden Namen: Predator (Raubtier), Global Hawk (Globaler Habicht) und Reaper (Sensenmann). Daß Edward Snowden dazu vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß aussagt, hat Angela Merkel erst einmal verhindert, indem sie dessen CDU-Vorsitzenden zum Rücktritt veranlaßte.
Von deutschem Boden können die USA zwar Todesdrohnen in Afrika lenken, hier in Europa können sie diesen Terror noch nicht anwenden. Statt dessen gibt es andere Methoden, die wir aus der sorgfältig abgeschirmten NATO-Untergrundorganisation »Stay behind« kennen mit dem Sprengstoffanschlag auf den Bahnhof von Bologna. Oder dem Oktoberfest-Attentat durch Mitglieder der von Franz Josef Strauß geförderten Wehrsportgruppe Hoffmann. Auch das Morden des NSU konnte nur deshalb so lange unentdeckt bleiben, weil er im Verfassungsschutz eine zuverlässige Schutzstaffel besaß. Mit einem Schutzpatron im hessischen Innenministerium, der heute als schwarzgrüner Ministerpräsident fungiert.
Die NSU-Aktivistin Beate Zschäpe hat darum die freie Wahl: Entweder hält sie ihr Schweigen bis zum Ende ihres Prozesses durch, in dem entscheidende Anträge der Opferanwälte einfach abgebügelt werden. Oder sie erklärt ihre Aussagebereitschaft. Dann geht es ihr wohl genau wie Heinz Lembke, jenem Stay-behind-Förster in der Lüneburger Heide mit seinen 33 Waffen- und Sprengstoffdepots im Hermann-Löns-Land. Am Morgen des Tages, an dem er doch noch vor dem Bundesanwalt aussagen wollte, fand er sich in seiner Zelle an einem Kabel erhängt wieder. Selbstmord selbstverständlich.
So etwas muß Angela Merkel wegen ihrer hervorgehobenen Stellung von ihren Freunden nicht befürchten. Doch sie redet nicht. Nicht über die totale Überwachung aller Bundesbürger durch die NSA. Nicht über Ramstein, von wo der Drohnenmord in Afrika gelenkt wird.
Das Schweigen der Kanzlerin dröhnt über diesem Land.