erstellt mit easyCMS
Titel1014

Bonhoeffers Andenken  (Ralph Dobrawa)

In jüngerer Zeit war verschiedentlich an dieser Stelle die eine oder andere Entscheidung eines bundesdeutschen Gerichts zu kritisieren, die sich mit der NS-Zeit auseinandersetzen mußte. Um so erfreulicher ist es, über ein Urteil zu berichten, das sowohl historisch als auch juristisch Akzeptanz finden wird. Der Pfarrer Dietrich Bonhoeffer gehörte bekanntermaßen einer Widerstandsgruppe gegen Hitler an, die sich unter anderem für einen Waffenstillstand einsetzte. In dem Zusammenhang kam es zu Kontakten mit den Alliierten. Bonhoeffer nutzte dazu seine vielfältigen kirchlichen Verbindungen ins Ausland. Die Gruppe wurde jedoch von den Nazis entdeckt und mehrere ihrer Mitglieder – darunter Bonhoeffer – verhaftet und über verschiedene Zwischenstationen ins Konzentrationslager Flossenbürg verschleppt. Dort wurden sie einen Monat vor der Kapitulation des Deutschen Reiches in einem Standgerichtsverfahren auf Geheiß Hitlers zum Tode verurteilt und nur Stunden später gehängt. Die SS warf ihnen sowohl Hoch- wie auch Landesverrat vor.

Mit diesen äußeren Fakten mußte sich das Landgericht Bonn im Herbst vergangenen Jahres auseinandersetzen. Anlaß dazu war die Verurteilung eines Mannes wegen Verunglimpfens des Andenkens Verstorbener zu einer Geldstrafe durch das in der Vorinstanz zuständige Amtsgericht. Dieser hatte in einer Leserzuschrift an den Bundesbrief einer Studentenverbindung sich über Bonhoeffer geäußert als Reaktion auf einen vorangegangenen, in derselben Zeitung veröffentlichten Beitrag, in dem Bonhoeffer als Vorbild gewürdigt wurde. Er behauptete: »Aber es ist eine Frage der Moral, wie man gegen eine Diktatur vorgeht. Der Hochverrat mag ein probater Weg sein, der Landesverrat auf Kosten von tausenden Soldaten an der Front und der durch diese beschützten Flüchtlinge besonders in den Ostgebieten ist es sicherlich nicht. Hier muß zwischen Hochverrat und Landesverrat genauestens differenziert werden. Und Bonhoeffer war zweifelsfrei ein Landesverräter. … das landesverräterische Engagement Bonhoeffers … besiegelt sein Schicksal ... Rein juristisch halte ich die Verurteilung für gerechtfertigt. ... auch der BGH, unzweifelhaft freiheitlich-demokratischen Gesichtspunkten verpflichtet, sprach die Richter, die Bonhoeffer verurteilten, 1956 ausdrücklich frei.«

Nachdem der Leserbriefschreiber gegen das Urteil des Amtsgerichts Berufung eingelegt hatte, mit der er Freispruch erstrebte, kam das Landgericht Bonn zu der Feststellung, daß die Verurteilung dieses Mannes zu recht erfolgte und verwarf das Rechtsmittel auf seine Kosten. In der Begründung heißt es unter anderem: »Vorliegend wurde das Verunglimpfen des Andenkens des verstorbenen Bonhoeffer durch eine Beleidigung im Sinne des § 185 Strafgesetzbuch, welche eine besonders schwere Kränkung enthielt, begangen. Durch die Bezeichnung des verstorbenen Bonhoeffer als ›Landesverräter‹, der Erweckung des Eindrucks, er handele ›unmoralisch‹ und sei rechtmäßig verurteilt worden, bekundete der Angeklagte seine eigene Mißachtung der Taten des verstorbenen Bonhoeffer im Widerstandskampf gegen das nationalsozialistische Regime und damit seine Mißachtung gegenüber Bonhoeffer als Person ... Manche Widerstandskämpfer haben es in ihrem Kampf gegen die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft als erforderlich angesehen, auch außerdeutsche Hilfe in Anspruch zu nehmen und dem Ausland bei seinem Kampf gegen Hitler zu helfen. Dabei handelten die meisten der Widerstandskämpfer aus uneigennütziger, lauterer Gesinnung heraus, um der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft ein Ende zu bereiten.« Das Gericht stellt weiterhin klar, daß es sich bei dem Standgerichtsverfahren gegen Bonhoeffer um »kein justizförmiges Verfahren« handelte und es nicht darum ging, »die Wahrheit zu erforschen und Recht und Gerechtigkeit walten zu lassen. Zweck des Verfahrens war es vielmehr ausschließlich, die aufgrund ihrer Widerstandstätigkeit unbequem gewordenen Häftlinge unter dem Schein eines gerichtlichen Verfahrens ... beseitigen zu können.« Das Landgericht macht außerdem deutlich, daß die Äußerungen des Leserbriefschreibers nicht vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit abgedeckt sind, weil dieses nicht für beleidigende und herabwürdigende Äußerungen gelten kann. Damit hat es entscheidend dazu beigetragen, daß Ehre und Ansehen des ermordeten Dietrich Bonhoeffer wieder hergestellt wurden. Es steht außer Zweifel, daß wird das den Widerstandskämpfern, die ihr Leben im Kampf gegen die Hitler-Diktatur gelassen haben, schuldig sind.