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Titel1015

Gegen Krieg und NATO  (Susanna Böhme-Kuby)

Die vom NATO-Westen geschürten Kriege im Nahen Osten und anderswo haben Millionen Menschen ihrer Heimat und Lebensbedingungen beraubt.


Ein kleiner Teil von ihnen sucht Zuflucht im reichen Europa, das sich diesem Flüchtlingsstrom über das Mittelmeer in keiner Weise gewachsen zeigt. Die Verantwortlichen der Europäischen Union beschlossen kürzlich lediglich, ihr Grenzen und nicht Menschen schützendes »Triton«-Programm finanziell aufzustocken und die Schlepper durch Bombardierung ihrer Boote und Fischkutter in den libyschen Häfen unschädlich machen zu wollen. Eine abwegige Vorstellung, bei der sich jeder halbwegs Denkende fragt: Was soll das, was will man damit bewirken? Da man Flüchtlingsströme auf solche Weise nicht aufhalten kann, könnte das nicht vielmehr einen Vorwand für weitere militärische Eskalation in Libyen liefern? Immerhin hat der NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg im Februar in Rom schon angedeutet, »daß eine Verschlechterung der Situation in Libyen zu einer weiteren Bedrohung der europäischen Sicherheit führen könnte und die NATO bereit sein müßte, jedes ihrer Mitglieder vor solchen Gefahren zu schützen«. Und er hat für 2016 den Einsatz der neuen »Alliance Ground Surveillance« in Sigonella (Sizilien) angekündigt, die mit Drohnen wie Global Hawks und ähnlichem Gerät den gesamten Raum vom Mittelmeer bis Afrika überwachen kann, zur Unterstützung von NATO-Operationen. (Laut Manlio Dinucci, Il manifesto 24.4.2015, Übersetzung: S. B.-K.)


Ganz zu schweigen von dem, was sich in der Ukraine zusammenbraut. Dort sind Waffen und Ausrüstung für die Militärübung »Fearless Guardian« mit der 173rd Airborne Brigade aus der US-Basis Vicenza angekommen, die demnächst sechs Monate lang drei Bataillone der ukrainischen Nationalgarde ausbilden soll. Die dreihundert US-Spezialisten sollen dabei von englischen und kanadischen Kräften unterstützt werden. Die Deutschen halten sich etwas entfernt davon und beschränken sich darauf, Litauen gegen Rußland mit aufzurüsten. Alle im Jahr 2015 bereits erfolgten und noch geplanten NATO-Übungen in Europa weisen einen bisher nicht gekannten Eskalationsgrad auf: Allein 25.000 Mann sollen bei »Trident Juncture 2015« in Italien, Spanien und Portugal im Herbst (28.9. bis 6.11.) zu Wasser, Land und Luft eingesetzt werden, es werde die größte NATO-Übung seit dem Fall der Mauer, kündigte ein NATO-Sprecher an.


So kommt es nicht von ungefähr, daß das Organisationskomitee der Kampagne »No Guerra – no NATO« rechtzeitig zum 25. April, dem 70. Jahrestag der Befreiung Italiens von deutscher Besetzung, eine Petition verfaßt hat, die inzwischen schon Gegenstand eines Symposions im Senat war. Es geht darum, den Artikel 11 der Verfassung Italiens, der den Krieg explizit ächtet, umzusetzen, indem man das Land aus dem NATO-System herauslöst. Die NATO-Mitgliedschaft kostet Italien nach eigenen Angaben bisher im Schnitt 52 Millionen Euro pro Tag, nach Berechnungen der SIPRI in Stockholm sind es 72 Millionen. Und diese Summe soll – ungeachtet sonstiger Sparmaßnahmen überall – laut neuer Beschlüsse demnächst auf über 100 Millionen täglich ansteigen. Das bedeutet eine weitere enorme Belastung des öffentlichen Haushalts, dem diese Mittel (circa 35 bis 40 Milliarden pro Jahr) vor allem im sozialen Sektor fehlen.


Die NATO folgt längst nicht mehr ihrer einst propagierten defensiven Strategie; seit den 1990er Jahren hat sie in Jugoslawien (1994/95 und 1999), in Afghanistan (2001–2015), in Libyen (2011) und last but not least in Syrien und der Ukraine neue Angriffsstrategien realisiert, gegen Grundsätze der UN-Charta. Die NATO-Mitgliedschaft beraubt Italien der Möglichkeit, mittels autonomer Außenpolitik eine friedliche Brückenfunktion nach Süden und Osten zu übernehmen, die seiner geostrategischen Lage besser entspräche als seine bisherige Funktion als Flugzeugträger der USA im Mittelmeer (s. Ossietzky 4/07, 7/11). Die Existenz beträchtlicher US- und NATO-Militärbasen auf italienischem Gebiet mit der Lagerung von Atombomben, für die auch italienische Piloten ausgebildet werden, stellt nicht nur eine Bedrohung der Bevölkerung und eine Einschränkung der Souveränität des Landes dar, sondern verletzt auch den von Italien unterzeichneten Atomwaffensperrvertrag.


Ein Austritt aus der NATO gäbe Italien Souveränität und damit auch politischen und wirtschaftlichen Handlungsspielraum zurück. Eine fromme Illusion? »Der Frieden braucht dich!« – mit diesen Worten wird zur Unterzeichnung des schon von Tausenden in wenigen Tagen unterschriebenen Aufrufs bei https://www.change.org/p/la-pace-ha-bisogno-di-te-sostieni-la-campagna-per-l-uscita-dell-italia-dalla-nato-per-un-italia-neutrale aufgefordert.