Am 4. April begann die »Rückführung« von Flüchtlingen aus Griechenland in die Türkei. »Wir müssen jetzt ein paar harte Bilder aushalten«, sagt Innenminister de Maizière dazu. Wir müssen Bilder aushalten? Wer jeden Tag drei Anschläge auf Flüchtlingsheime aushalten kann (337 in den ersten drei Monaten dieses Jahres laut Reuters-Statistik vom 19.4.16), der wird auch »harte« Bilder aushalten – die Vorgänge spielen sich ja außerhalb unserer Grenzen ab.
Was sich in der Türkei abspielt, interessiert uns schließlich auch nicht – nur Herrn Böhmermanns »Ziegenficker«-Gedicht und seine gerichtliche Verfolgung durch Herrn Erdoğan. Der die Bundeskanzlerin zugestimmt hat. Den »Majestätsbeleidigungs-Paragraph« 103 hat schon Kaiser Wilhelm gerne in Anspruch genommen – allerdings gegen bessere Satiriker. Frank Wedekind saß deswegen im Gefängnis. Über die Qualität von Böhmermanns Injurien kann man nicht streiten – sie ist unterirdisch. Aber die Qualität des Demokratieverständnisses von Frau Merkel ebenso. Das sehen auch vier von fünf Befragten beim Politbarometer des ZDF so. Deutschlands Mehrheit will zwar keine Flüchtlinge mehr aufnehmen, aber ein Kotau vor der Türkei soll dann bitteschön auch nicht sein.
Lieber vor den USA den Buckel krumm machen und TTIP schönreden zusammen mit Obama. Der dafür wiederum die Kanzlerin lobt – was ihn nichts kostet, denn er darf bald nicht mehr den Präsidenten spielen, das werden dann andere Darsteller übernehmen. Wahrscheinlich wird die Welt sich noch zurücksehnen nach dem Drohnenkiller-Nobelpreisträger.
Vielleicht ist er auch froh, nicht mehr verantwortlich sein zu müssen, wenn die Weltwirtschaft mal wieder so richtig in die Krise kommt – der Internationale Währungsfonds (IWF) hat seine Wirtschaftsprognose schon nach unten korrigiert. Das Bruttoinlandsprodukt aller Staaten zusammengenommen werde nur noch um 3,2 Prozent steigen statt um 3,4 Prozent. Für Deutschland kommt der IWF in seiner Prognose auf nur noch 1,5 Prozent in diesem und 1,6 Prozent im nächsten Jahr. Der IWF-Chefökonom verlangt von den Regierungen Ausgaben und Reformen, die die Wirtschaft ankurbeln. Da bietet sich ein Geschenk für die Autoindustrie an, damit der Ladenhüter Elektroauto endlich losgeschlagen werden kann. Und die Gelddruckereien sollen auch weiter auf Hochtouren arbeiten. Aber: In vielen Ländern hat sich trotz lockerer Notenbankpolitik die Wirtschaftslage verschlechtert. Grund für die »Wachstumsschwäche« seien Unwägbarkeiten wie die Probleme Chinas, die »Brexit«-Debatte oder die Flüchtlingskrise. Der deutsche Exportüberschuss von einer Viertel Billion Euro wird aber nicht thematisiert. Dabei sieht die EU nicht nur Strafen für zu große Defizite, sondern auch für zu große Überschüsse in der Leistungsbilanz vor. Doch Finanzminister Schäuble lässt keine Kritik aufkommen. Stattdessen fordert er höhere Zinsen. Wie die die Wirtschaft stärken sollen, bleibt sein Geheimnis, aber dass dieser schwäbische Haushälter ähnlich wie das Milchmädchen rechnet, ist bekannt.
Es macht ihn allerdings nicht unbedingt beliebt. Auch die CDU verliert Prozente in den Umfragen. Allerdings muss sie sich noch keine Sorgen machen, unter die 20-Prozent-Marke zu rutschen wie die SPD. Der wird auch die Forderung nach einer Rentenreform nichts mehr nützen. Zu viele Wähler erinnern sich, dass es die SPD-Regierung war, die die Renten so reformiert hat, dass Millionen nur noch Altersarmut vor sich haben.
Ob es da hilft, AfD zu wählen? Die hat auch kein Rezept gegen Krise und niedrige Renten. Dafür fordert die brandenburgische AfD-Fraktion tägliche Beflaggung der Schulen mit Schwarz-Rot-Gold. Altersgemäß solle in regelmäßigen Abständen das Thema Flaggen im Unterricht behandelt werden. Wann kommt der Fahnenappell wieder?
Und wann wehen mal wieder rote Fahnen?
In Frankreich demonstrieren mehrere Millionen vor allem Jugendliche gegen das geplante neue Arbeitsgesetz, das die 35-Stunden-Woche aushöhlen und prekäre Arbeitsverhältnisse weitgehend erlauben soll. Und hier bei uns sind die Gewerkschaften hoffentlich auch bereit, zumindest die Verschlechterung der Löhne und Arbeitsbedingungen aufzuhalten. Warnstreiks finden bereits überall statt, gegen TTIP demonstrierten am 23. April in Hannover fast hunderttausend Menschen – harte Bilder für Frau Merkel! Davon muss es aber noch mehr geben, bevor sie es nicht mehr aushalten kann ...