Es gab in den letzten Monaten auch in linken Medien Vorfreude auf den vermeintlich bevorstehenden Niedergang der Alternative für Deutschland (AfD). Das stützte sich im Wesentlichen auf drei Belege.
Zum einen schnitt die Partei bei den Landtagswahlen im Saarland schlechter ab als bei den vorherigen Wahlen. Zum anderen sinken nach Meinungsumfragen das zum Teil bis in den Bereich von 15 Prozent prognostizierte Stimmenergebnis für die Bundestagswahl gegenwärtig in den Bereich von sieben bis neun oder zehn Prozent. Vereinzelt gab es sogar die Hoffnung, dass die Partei erneut – wie schon 2013 mit damals 4,7 Prozent der Stimmen – an der Fünfprozenthürde hängenbleiben könnte. Drittens hofften viele im Vorfeld des Parteitags der AfD, der am 22. und 23. April in Köln stattfand, auf die Entfaltung von Zerwürfnissen, die nach dem öffentlichkeitswirksamen Verzicht der Parteivorsitzenden Frauke Petry auf einen herausragenden Platz im Spitzenduo oder -team für die Bundestagswahl weiter aufblühen würden.
Vor einem verfrühten Abgesang auf diese Partei sei an dieser Stelle ausdrücklich gewarnt.
Erfreulich ist eindeutig das verhältnismäßig schlechte Abschneiden der Partei im Saarland. Ungewollt hat Alexander Gauland eine tiefe Verbeugung vor Oskar Lafontaine vollzogen, als er am Wahlabend das schlechte Ergebnis der AfD auf dessen starke Ausstrahlungskraft in diesem Bundesland zurückführte, die so schließlich in anderen Bundesländern nicht vorhanden sei. Das – verglichen etwa mit Baden-Württemberg – schwache Abschneiden der AfD in Schleswig-Holstein zeigt aber die Fadenscheinigkeit dieser Erklärung. Es ist zu hoffen, dass es für Gaulands Truppen in Nordrhein-Westfalen einen weiteren Dämpfer geben wird.
Die gegenwärtigen Umfragen lesen sich zwar schön – aber im Sommer 2015 lag die Partei auch schon mal bei durchschnittlich drei Prozent und wurde damals von vielen schon abgeschrieben. Danach erst begann der eigentliche Sturm auf die deutschen Landesparlamente. Die bisherigen Daten geben keinen Anlass zu der Hoffnung, dass einer Partei rechts von CDU/CSU tatsächlich der Weg ins Bundesparlament verlegt werden könnte.
Vor allem aber übersieht die Fixierung auf die Zahlen von Meinungsforschungsinstituten, dass der leichte Tempoverlust an fiktiven Sonntags-Wahlurnen erkauft worden ist durch die Übernahme einer ganzen Reihe von zentralen Forderungen der AfD durch die gegenwärtigen Regierungsparteien – Abschiebe- statt Willkommenskultur, Kurs auf zwei Prozent Rüstungskosten bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt, vermehrte Wehrbereitschaft nach innen wie nach außen.
Und was ist mit der Personalie Petry? Nüchtern gefragt: War da was? Von »Kapitulation«, von der die Tageszeitung Die Welt spracht, kann keine Rede sein: Sie ist weiter Parteivorsitzende und die an ihrer Stelle an der Seite von Gauland gewählte Alice Weidel gibt keine Hinweise auf einen Kurswechsel dieser im Geiste von Alfred Dregger geprägten Formation. Die Partei jedenfalls ist offensichtlich alles andere als hoffnungslos zerstritten: Das Wahlprogramm wurde mit 92 Prozent der Stimmen verabschiedet, das Spitzenduo mit Zweidrittelmehrheit gekürt.
Dieser Partei wird mit Fixierung auf Kreuzchen und Urnen nicht beizukommen sein. Das greift entschieden zu kurz. Sie reiht sich ein in die Phalanx solcher von den jeweiligen dortigen Linken lange verspotteten Kräfte wie Donald Trump in den USA, die FPÖ in Österreich oder auch Le Pen in Frankreich. Das Problem wird voraussichtlich auch im September hartnäckig weiterbestehen und bedarf der Durchdringung des Wesens dieser Kräfte, um sie nicht kurzfristig und damit -atmig, sondern langfristig und effektiv zurückdrängen zu können.
Von Manfred Sohn ist im April im konkret-Verlag das Buch »Falsche Feinde. Was tun gegen die AfD? Ein alternativer Ratgeber« (127 Seiten, 13,50 €) erschienen.