»Der größte Menschenrechtskämpfer im Land ist Günter Nooke, weltweit bekannt« weiß man im Berliner Stadtbezirk Pankow. Kein Wunder, hier ist Nookes Wahlkreis, in dem er nach vorangegangener glänzender Karriere als Vorsitzender der Berliner CDU-Landesgruppe im Bundestag 2005 allerdings nur 15,3 Prozent der Stimmen gewann. Das hat ihn und seine Freunde zwar geärgert, aber resigniert haben sie nicht. Nooke wurde »Beauftragter für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe der Bundesregierung im Auswärtigen Amt«. In dieser Funktion kann sich der wandlungsfähige ehemalige Streiter des Demokratischen Aufbruchs, der Gruppe Demokratie Jetzt, des Bündnis 90 und des BürgerBündnis, der 1996 zur CDU konvertierte, so richtig ins Zeug legen und seine hohen menschlichen und politischen Qualitäten unter Beweis stellen – wie jüngst im Kampf um Freiheit und Menschenrechte in Tibet. Hier geht er voran und zeigt den Seinen, den Chinesen und dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC), wo es lang geht.
Wie kaum ein anderer schuftet er, um seine Erkenntnisse und Vorschläge über die Medien – von ARD bis Stern, Berliner Zeitung und SUPERillu – zu verbreiten. Seine Botschaften sind klar: Künftig sollten die Olympischen Spiele nicht mehr in Ländern ausgerichtet werden, die auf »massive Weise« die Menschenrechte verletzen. Das IOC wird aufgefordert, Sportlern während der Spiele in Peking Protestaktionen zu erlauben. Auf die chinesische Führung ist Druck auszuüben, damit Menschenrechtsverletzungen wie in Tibet nicht weitergehen und keine Jubelkulisse aufgebaut werden kann. Die Entscheidung der Kanzlerin, nicht zu den Eröffnungsfeiern in Peking zu fahren, ist richtig: »Weil sie in der DDR aufwuchs, hat sie in solchen Fragen eine hohe Sensibilität. Sie weiß, wie Diktaturen funktionieren, wie Diktatoren ticken.«
Da Nooke selbst ein Spezialist für das Ticken von Diktatoren ist, verdient es auch sein prächtiger Vorschlag für das Verhalten von Sportlern, Funktionären und Gästen während der Spiele, im Wortlaut wiedergegeben zu werden. Gegenüber dem Deutschlandfunk hat er ihn wie folgt geschliffen formuliert: »Ich glaube, daß es gut ist, wenn in vielen Gesprächen, die stattfinden, nicht nur in öffentlichen Stellungnahmen, immer wieder auch Europäer, Deutsche, wir unser Verständnis von Menschenrechten, von Werten wie friedliches Zusammenleben in einer Gesellschaft möglich ist, auch den Vertretern der chinesischen Seite, den ganz normalen Menschen auf der Straße oder den Verantwortlichen sagen. Ich denke, daß es nicht anders geht, als daß wir verbal uns ganz klar und sowohl öffentlich als auch in den vielen Gesprächen, die dann Trainer und der ganze Troß, der mit den Sportlern mitreist, Journalisten, dort führen, daß wir dort klar machen: Wir sind nicht hergekommen, um zu jubeln, sondern wir nutzen die Eröffnung der Olympischen Spiele, um auch auf das hinzuweisen, was in China passiert.« Mit anderen Worten: Ziel der Reise zu den Spielen sollte nicht die Freude an sportlichen Leistungen, sondern Aufklärung über die Lage in China sein. In dieser Hinsicht ist Nooke durch und durch Optimist, was er gegenüber der SUPERillu in dem prägnanten Satz zusammenfaßte: »Massiver internationaler Druck wird in Peking Wirkung zeigen.«
Aber welche Wirkung verspricht sich der Menschenrechtsbeauftragte? Sollen etwa die Verhältnisse wiederhergestellt werden, wie sie unter dem Regime des Dalai Lama bestanden, als in Tibet noch die Leibeigenschaft herrschte und die Besitzer der Leibeigenen und Sklaven das Recht der Entscheidung über deren Leben und Tod, einschließlich der Folter, hatten, die Mönche einer spezifischen Art der Scharia anhingen und Verletzungen der von ihnen gehüteten religiösen Vorschriften grausam bestraften? Wünscht er sich die Zeiten zurück, als nur zwei Prozent der Kinder zur Schule gingen, heute sind es immerhin 81 Prozent, und die durchschnittliche Lebenserwartung 33,5 gegenüber heutigen 67 Jahren betrug? Dazu äußert sich Nooke nicht.
Überhaupt pflegt der Regierungsbeauftragte, was den Schutz der Menschenrechte anbelangt, von wenigen Ausnahmen abgesehen eine Art Geheimdiplomatie. Öffentlich ist wenig oder gar nichts über sein unermüdliches Eintreten gegen die Kriegsverbrechen der USA in Afghanistan und im Irak, die Vertreibung der Serben aus Kosovo, die Unterdrückung der Kurden in der Türkei, die Drangsalierung der Palästinenser im Gaza-Streifen zu hören. Auch in seinem Heimatland scheint er nur konspirativ gegen die fortgesetzte Diskriminierung der Ostdeutschen als Bürger zweiter Klasse und für die Rehabilitierung und Entschädigung der Opfer der Kommunistenverfolgungen in der alten Bundesrepublik zu kämpfen. Sein Eintreten für die Menschenrechte ist häufig so geheim, daß es aus Sicherheitsgründen gar nicht erst stattfindet.
Ganz selten weicht er von seiner geheimnisumwitterten Menschenrechtsdiplomatie ab. So im Falle Tibets und dankenswerterweise auch des US-Gefangenenlagers in Guantanamo. Hier hat er sich öffentlich zu Wort gemeldet und fünf Jahre nach der Inhaftierung der ersten Gefangenen eine Fixierung der Öffentlichkeit auf das Thema kritisiert: »Als Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung habe ich ein Interesse daran, daß wir uns in der Öffentlichkeit und in den Medien nicht nur mit Themen befassen, die für uns intellektuell und politisch interessant sind, aber an den Quantitäten vorbeigehen ... 395 Gefangene sind eben nur 395 Gefangene, die ungerechtfertigt ohne Prozeß festgehalten werden...« Und weil das nach seiner Auffassung im Vergleich zu den Menschenrechtsverletzungen in Kuba oder gar in China offensichtlich nur Lappalien sind, wird Günter Nooke zurecht in Berlin-Pankow als der größte Menschenrechtskämpfer im ganzen Land besungen.