Afghanistan, Frühjahr 2009. Kabul. Sechs-Millionen-Stadt mit rund 500.000 Fahrzeugen. Eine Stadt in der Finsternis, denn über ihr lastet eine Rauch- und Staubdecke. Unwillkürlich hält man den Atem an, weil man das Gefühl hat zu ersticken.
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Im privaten Fernsehsender
Tolo höre ich einen Bericht über die nördlich von Kabul gelegene US-Militärhaftanstalt Bagram, in der immer noch 600 Menschen festgehalten werden, ohne Anklage und Gerichtsverfahren. Viele Foltermethoden sind zunächst in Bagram getestet und dann im irakischen US-Gefangenenlager Abu Graib und später im Guantánamo angewandt worden. Obama hat zwar angekündigt, Guantánamo bis 2010 schließen zu lassen, warum aber nicht Bagram? Wer zu Guantánamo nein sagt, kann doch zu Bagram nicht ja sagen.
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Der Bezirk 5 im Westen der Hauptstadt sieht einem beliebigen Slum in Rio oder Mumbai ähnlich. Da der Magistrat der Stadt Kabul sich darum nicht kümmert, haben die Einwohner in Eigeninitiative Teile der Hauptstraße repariert und eine provisorische Brücke gebaut. Ein Polizeifahrzeug blieb stecken und mußte mit einem Kran herausgeholt werden. Nun ist sie wieder unpassierbar.
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In der südlich von Kabul liegenden Provinz Logar haben Besatzungssoldaten sechzehn Zivilisten erschossen. Mitglieder des Ortsrates teilen mit, alle erschossenen Personen seien unschuldig gewesen und hätten keinerlei Verbindungen zum Widerstand gehabt. Der Vorgang wird wie folgt beschrieben: »Bei einer Hausdurchsuchung klopften NATO-Soldaten an die Tür. Als der Hausbesitzer die Tür öffnete, wurde er sofort erschossen. Die Besatzersoldateska fragte nicht, sie schoß wahllos um sich.« Eine aufgebrachte Menge rief vor laufender Kamera, sie werde die Besatzer aus ihrer Heimat vertreiben.
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Der Warlord, Drogenbaron, Kriegsverbrecher sowie Gouverneur von Balkh, Ata Mohammad Nur, ein Liebling der Deutschen, sagt, die internationale Gemeinschaft sei die eigentliche Quelle von Korruption in Afghanistan. Was geschieht mit den Millionenbeträgen, die der afghanischen Administration zugesagt worden sind?
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Präsident Abdul Hamid Karsai, dessen Wirkungsbereich kaum über die Hauptstadt hinausreicht, hat sich in seinem Palast mit einigen einflußreichen Persönlichkeiten zum Mauscheln getroffen, darunter dem politischen Wendehals par excellence und derzeitige Präsidenten des Unterhauses, Mohammad Junos Qanuni. Das Treffen wurde als »Beratung« über den Termin für die im Herbst vorgesehene Präsidentschaftswahl deklariert. Laut Artikel 61 der Verfassung endet seine Amtszeit am 1. Jawsa 1388 (22. Mai 2009). Parlament und Bevölkerung würden es begrüßen, wenn er sein Amt niederlegte. Niemand würde dieser US-Marionette nachtrauern. Aber die sogenannte unabhängige Wahlkommission hat in Absprache mit den USA den Wahltermin in den Herbst verlegt. Das ist eine eklatante Verletzung der Verfassung. In einer Parlamentsdebatte kritisierten zahlreiche Abgeordnete das Treffen als verfassungswidrig; viele vermuten, daß es eine Vorbesprechung für eine unheilige Allianz mit den mächtigen Warlords war.
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Afghanistan ist das Land mit den meisten Personenminen weltweit. Sie haben schon um die 100.000 Opfer gefordert. Zur Zeit sind nur 800 Minenräumer im Lande tätig. Sie würden 400 Jahre brauchen, um das Land minenfrei zu machen, sagen Experten. Zwei Drittel der von der sogenannten internationalen Gemeinschaft zugesagten Mittel für die Minenräumung sind bisher nicht gezahlt worden. Nach der Vereinbarung von Ottawa sollte Afghanistan bis 2013 minenfrei sein, aber die kriegführenden Seiten verminen das Land weiter.
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Bei einem Besuch meiner Schwester, die im Stadtteil Scha Schahid (Bezirk 8) lebt, einen Steinwurf von Karsais Palast entfernt, stelle ich zu meinem Erstaunen fest, daß auch hier die Straßen nur noch aus Schlaglöchern bestehen. Da es in den Tagen zuvor viel geregnet hat, verwandelten sich die Straßen in einen reißenden Bach. Viele Kinder konnten nicht zur Schule gehen. Meine Schwester lebt hier seit mehr als 40 Jahren. Damals waren die Straßen schon asphaltiert. Internationale Hilfsorganisationen kamen und schauten sich die Lage an, begannen auch mal mit der Reparatur, stellten jedoch aus unerklärlichen Gründen die Arbeit bald ein. Sogar in Scherpur, wo die Warlords sich staatliches Bauland einfach angeeignet haben, um dort Luxusvillen zu bauen, sehen die Straßen nicht besser aus. Ich beobachte, wie die UNO- und NGO-Mitarbeiter, die da residieren, mit ihren Luxus-Jeeps durch den Schlamm fahren.
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Die Arbeitslosigkeit hat vor allem im Osten und Süden Afghanistans sehr stark zugenommen. Durch die »Politik der offenen Tür« der Kabuler Administration – sprich: Billig-Importe – ist die afghanische Industrie in ihrer Existenz bedroht. Zum Beispiel eine Textilfabrik in der südlichen Provinz Qandahar: Vor 2001 waren hier 2000 Arbeiter tätig, jetzt noch 30. Viele Arbeitslose schließen sich auch aus Not dem Widerstand an – eine Vermutung, die sowohl der Gouverneur der Provinz, Asadullah Khaled, als auch ihr Vertreter im afghanischen Parlament, General Nur Ulhaq Ulumie, bestätigen.
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Militäreinheiten der Besatzer haben in der südlichen Provinz Ghasni eine Moschee überfallen und zahlreiche betende Menschen geprügelt und verletzt. Sie hatten den Verdacht, unter den Betenden könnten Widerständler sein. Die Antwort der Bevölkerung ist eine große Demonstration mit Aufrufen zum Widerstand. Mohammad Kazem Allahyar, Stellvertreter des Provinzgouverneurs, hat die Bildung einer Untersuchungskommission angekündigt. Jeder, mit dem ich darüber rede, lacht nur: Es gab schon viele Kommissionen, die nichts herausbrachten.
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Präsident Karsei hat in Anwesenheit des US-Sonderbeauftragten für Afghanistan und Pakistan, Richard Holbrooke, seine Entscheidung bekanntgegeben, die Neuwahl des Präsidenten werde am 20. August 2009 (29. Asad 1388) stattfinden. Holbrooke saß an seiner rechten, Außenminister Rangin Dadfar Spanta schüchtern wie eine Maus an seiner linken Seite. Meine Bekannten machen sich lustig über den Minister mit deutschem Paß, der so unfähig ist, daß das Kabuler Parlament ihm das Mißtrauen ausgeprochen hat. Eigentlich hätte er seinen Hut nehmen müssen, doch auf Karsais Befehl arbeitet er immer noch kommissarisch weiter. Zahlreiche Parlamentsabgeordnete kritisieren die Verzögerungstaktik und verspätete Entscheidung Karsais, doch Holbrooke unterstützt seine Marionette.
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Studierende höherer Semester der Universität Kabul bringen vor der Presse ihre Sorge zum Ausdruck, nach dem Studium keine Arbeit finden zu können: Viele Absolventen der vorangegangenen Jahrgänge seien immer noch ohne Arbeit. Die Arbeitgeber begründen das damit, daß es den Universitätsabgängern an Erfahrung mangle. Der Sprecher des Hochschulministeriums gibt zu, daß seine Behörde nicht einmal über eine Liste der Absolventen verfügt. Daher könnten die Daten nicht an das Arbeitsministerium weitergeleitet werden. Jeder weiß: Im neuen, freien und demokratischen Afghanistan muß man für einen Arbeitsplatz ein »Schlüsselgeld« zahlen, doch die meisten der neu auf den Arbeitsmarkt gelangenden Kräfte haben kein Geld, sich eine Stelle zu kaufen. Ihre Chancen sind gleich null. Größte Chancen haben die Kinder von Ameriko- und Euro-Afghanen.
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Die französische Regierung hat einen Zeitplan für den Abzug ihrer Besatzertruppen ins Gespräch gebracht. US-Verteidigungsminister Robert Gates sieht keine Möglichkeit, daß in absehbarer Zeit auch US-Truppen aus Afghanistan abziehen könnten. Im Gegenteil. Präsident Barack Obama hat die Entsendung weiterer 17.000 und Herbst nochmals 30.000 angeordnet.
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Im Land am Hindukusch breiten sich Raubtierkapitalismus und Betrug aus. Die durch Drogenökonomie und Korruption reich gewordene neue Klasse investiert nicht im produktiven Bereich, sondern in spekulativen Branchen. Sie baut billige Wohnblocks vor allem in der Hauptstadt, deren Einwohnerzahl – auch kriegsbedingt – permanent steigt. Hochhäuser, die weder Kanalisation noch Heizung haben. Die Bauqualität ist so schlecht, daß oft schon nach kurzer Zeit Baufälligkeit festgestellt wird.
Der nach 1966 von der Sowjetunion gebaute Wohnkomplex »Makrorian« – mit funktionierender Kanalisation und Zentralheizung – ist hingegen immer noch intakt und beliebt. Und die Bewohner fühlen sich dort sicher, worauf sie großen Wert legen.
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In der südlich von Kabul liegenden Provinz Ghasni haben Besatzersoldaten ein Haus überfallen, Teile des Hauses zerstört und einige Kinder mißhandelt. Die Provinzverwaltung stellte sich vor der Presse als ahnungslos dar. Es vergeht kein Tag ohne solche Meldungen.
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Die »internationale Gemeinschaft« hat den Krieg am Hindukusch unter anderem mit der Befreiung der Frauen begründet. Doch die Lage der Frauen ist jetzt schlechter als je zuvor. Ein Indiz sind die vielen Selbstverbrennungen von Frauen, vor allem in der westlichen Provinz Herat. Die Gründe liegen in häuslicher Gewalt und Zwangsehen.
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Seit Afghanistan NATO-Protektorat ist, hat die mörderische Krankheit Tuberkulose drastisch zugenommen. Gesundheitsminister Sayed Mohammad Amin Fatemi nennt als Ursache die Zunahme der Armut. Experten warnen, die ansteckende Krankheit könne epidemische Ausmaße annehmen.
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Jawid Ahmad Yasemi, Mitarbeiter des kanadischen Fernsehens, ist in Jalalabad ermordet worden. Afghanische Journalisten protestieren. Sie fürchten, erfahrungsgemäß werde der Mörder unbestraft bleiben und das Morden an unabhängigen, kritischen Journalisten weitergehen. Vorwürfe richten sich gegen den Kabuler Geheimdienst: Er stecke hinter den Mordtaten. Wahrscheinlich. Aber nicht leicht zu beweisen.
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Das zentral gelegene Bamyan, bekannt durch die Buddha-Statuen, an denen sich einst die Taliban vergriffen, ist immer noch die unterentwickeltste Provinz Afghanistans. Hier gibt es kaum Schulgebäude, die Kinder lernen in Zelten und werden von Mullahs, islamischen Geistlichen, unterrichtet. Prügeln ist nicht die Ausnahme, sondern die Regel.
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Eine US-Drohne (unbemanntes Flugzeug) hat in der afghanisch-pakistanischen Grenzregion 24 Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Durch Drohnen, die in der Regel vom Geheimdienst CIA angefordert werden, sind inzwischen 14 angebliche Widerständler und 700 unschuldige Zivilisten getötet worden.
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Im Bezirk Tscharch der Provinz Logar haben Besatzungssoldaten fünf Mitglieder einer Familie, ausschließlich Zivilisten, getötet.
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Die Karsai-Administration ist nicht einmal in der Lage, die Stromversorgung der Bevölkerung in Kabul zu sichern, geschweige denn in den Provinzen. In der deutschen Besatzungszone Kundus haben die Einwohner täglich nur zwei Stunden Strom, aber die Strompreise sind erhöht worden. Die Elektrizitätsfirmen begründen das damit, daß der Strom aus Tadschikistan importiert werden muß.
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In Kabul und erst recht außerhalb der Hauptstadt herrschen katastrophale medizinische Verhältnisse. Die wenigen staatlichen Krankenhäuser haben zu wenig Kapazität und Personal. Davon profitieren die seit 2001 wie Pilze aus dem Boden geschossenen privaten Krankenhäuser. Dort müssen die Patienten aber mit Dollar oder pakistanischen Kaldar bar zahlen – was sich nur die neuen Reichen, die korrupten Bürokraten, Polizisten, Richter, Armeeoffiziere, Drogenbarone und Warlords leisten können. Der Rest der Bevölkerung darf auf Gott vertrauen.
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Bei einem Besuch in der Dé Afghanistan Bank (Staatsbank) treffe ich einen Bekannten. Er wurde kürzlich von der Zentrale in eine Filiale versetzt. Seinen Posten bekam ein anderer, der dafür »Schlüsselgeld« bezahlt hatte. Dann sollte sein Vater vorzeitig pensioniert werden, der jedoch Dollars auf den Tisch legte und daraufhin nicht in Rente geschickt, sondern zum Generaldirektor einer lukrativen Provinzfiliale ernannt wurde. Jetzt reduziert die staatliche Bankführung systematisch das Filialnetz. Dahinter stecken die Privatbanken, die die Bankführung reichlich schmieren. Die Dé Afghanistan Bank »rationalisiert« zu Gunsten der Privatbanken, die sich im ganzen Land verbreiten. Am US-Militärstützpunkt in Bagram hatte die Dé Afghanistan Bank eine florierende Filiale. Eine Privatbank, so erzählt mir mein Bekannter, habe dem Präsidenten der Dé Afghanistan Bank ein schönes Auto geschenkt und dafür die Filiale in Bagram erhalten.
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Bei einer Begegnung mit einigen hochrangigen Offizieren der Afghanischen National-Armee (ANA) in Kabul erfahre ich einiges über die Zustände in der Armee, ihre Einstellung zum Widerstand und zu den Besatzern. Die Offiziere werden von den Besatzern bevormundet und zum Teil gedemütigt; das hebt nicht ihre Kampfmoral. Sie verlieren vielmehr jegliche Motivation, sich für ein Marionettenregime und dessen Herren in der NATO zu opfern. Wer aber keine guten Verbindungen zu Führungskräften in Kabul hat und keine Dollars zahlen kann, muß damit rechnen, in gefährliche Kämpfe gegen die hochmotivierten Widerständler abkommandiert zu werden. Die Folge ist, daß hochrangige, qualifizierte Offiziere mit Kampferfahrung nicht mehr zum Dienst erscheinen. Sie fahren lieber Taxi, um ihre Familie zu ernähren, als sich totschießen zu lassen. Ich erfahre auch von Offizieren, die festgenommene Widerständler freilassen. Umgekehrt wurden mehrere Offiziere, die in einen Hinterhalt gelockt und festgenommen worden waren, kurz vor ihrer Hinrichtung freigelassen, nachdem sie, wie mir einer von ihnen selbst erzählte, per Handy ihre Kontaktperson bei den Widerständlern informiert hatten.
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Gewöhnlich wird man morgens vom Ruf des Muezzins (Vorbeters) geweckt. Heute früh um 5.45 Uhr schreckten mich acht aufeinander folgende dumpfe Detonationen aus dem Schlaf. Die exakten Abstände der Explosionen ließen auf Computersteuerung schließen. Offenbar kamen die Raketen aus dem Osten, aus dem afghanisch-pakistanischen Stammesgebiet der Paschtunen, wo der Widerstand politisch und militärisch am stärksten verankert ist. Die US-amerikanische Kriegspolitik destabilisiert zunehmend das Nachbarland Pakistan. Sollte es dort zu innenpolitischen Unruhen kommen, in einem Land mit starken islamistischen Parteien, das im Besitz der Atombombe ist, wird uns der Krieg in Afghanistan als harmlos erscheinen. Die USA sind sowohl in Pakistan als auch in Afghanistan so verhaßt wie noch nie zuvor. Würde man dies zum Maßstab nehmen, müßte es eigentlich bald zu einem Volksaufstand kommen. Von mehreren Afghanen hörte ich bei verschiedenen Anlässen: »Uns fehlt leider nur die Führung für einen Djihad. Unsere alte Modjahedin-Führung hat sich schon längst für Dollars verkauft.«
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Allein das Ibne-Sina-Krankenhaus in Kabul hat innerhalb eines Jahres rund 600 Selbstmordfälle registriert. Die Täter/Opfer waren meist im jugendlichen Alter. Die anderen Krankenhäuser der Hauptstadt nennen keine Zahlen.
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Ich verlasse das Land in dem schmerzlichen Bewußtsein, daß es beherrscht ist von Korruption, Kriminalität, Gesetzlosigkeit, Hilf- und Machtlosigkeit gegenüber den hoch bewaffneten kriegführenden Besatzern. Weltweit gibt es wohl kein Land mehr, in dem große Teile der Bevölkerung, vor allem Frauen, Kindern und alte Menschen, in so tiefem Elend leben. Das ganze afghanische Volk ist traumatisiert. Selbst in der Familie, der heiligen Instanz der Afghanen, werden Streitigkeiten mit der Waffe ausgetragen. Kinder spielen nur noch Krieg. Welche Zukunft hat dieses Land?