München ist Weltspitze. Darüber war man sich einig bei der festlichen Eröffnung des neuen Museums Brandhorst (wer der internen Sprachregelung gehorcht, sagt »des Museum Brandhorst«, also grammatikwidrig ohne Genetiv-s). Keiner der Festredner ließ das Spitzenwort aus. Unklar blieb nur, ob München jetzt erst Weltspitze wurde oder sowieso schon war, ob also der mit 36.000 bunten Keramikstäben flirrend umkleidete Bauquader neben der Pinakothek der Moderne nur das i-Tüpfelchen draufsetzte.
Überschwenglich erscholl der Dank an das Industriellen- und Sammlerehepaar Udo und Anette Brandhorst, das so großherzig war, sich zu seinem ewigen Ruhm auf Kosten des Freistaats Bayern (48 Millionen Euro) ein Museumsgehäuse für das bauen zu lassen, was ihm in der Gegenwartskunst lieb und teuer war: 700 Werke mit einem Schätzwert von angeblich 100 Millionen Euro; ein knappes Viertel davon kann in dem Bauwerk des Berliner Büros Sauerbruch & Hutton gezeigt werden. Ein Stiftungsvermögen von 120 Millionen Euro sichert zudem das weitere Wachstum der Sammlung. Noch überschwenglicher wäre der Dank wohl ausgefallen, wenn schon am Eröffnungstag bekannt gewesen wäre, was erst am Tag danach die Süddeutsche Zeitung unter Berufung auf einen »hochrangigen Beamten der Staatsregierung« vorrechnete: Da Udo Brandhorst seit langem mit Hauptwohnsitz in Bayern gemeldet sei, habe er mit seinem »privaten« Steueraufkommen das Museum »quasi selbst« finanziert. Da fällt endlich einmal Licht auf zahllose unentdeckte Mäzene, die brav ihre Steuern entrichten und gar nicht ahnen, daß sie damit etwas finanzieren, was sonst der Staat hätte bezahlen müssen.
Vier Tage lang durften die Münchner bei freiem Eintritt bestaunen, was sie zur Weltspitze erhebt. Etwa Andy Warhols hundertfach versimpelten Christuskopf aus Leonardos Mailänder Abendmahl. Oder Damien Hirsts riesige Spiegelvitrine mit endlos aufgereihten bunten Arzneipillen. Oder Cy Twomblys mythenspinnenden Geheimniskram, der das gesamte obere Stockwerk mit Kritzelnotaten zur Schlacht von Lepanto und wuchtig monumentalisierten Rosen füllt.
Der Ausguck vom Brandhorst-Museum zeigt freilich drastisch auch den Preis, den gekostet hat, was wiederum die Süddeutsche ein »glänzendes Geschäft« für Bayern nennt: Der Blick fällt auf ein Stück urbanes Ödland. Denn um den Sammler zufriedenzustellen, wurde der zweite Bauabschnitt der Pinakothek der Moderne auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben. Damit fehlen dem Haus nicht nur notwendige Räume, unter anderem für die Graphische Sammlung; dem Torso gebliebenen Bauwerk von Stefan Braunfels fehlen die gestalterische Prägnanz und der städtebauliche Sinn. Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP) versprach zwar bei der Brandhorst-Einweihung, sich »mit ganzer Kraft« für die Vollendung der Pinakothek einzusetzen, aber Ministerpräsident Horst Seehofer als Vorsitzender einer Steuersenkungspartei goß sogleich Wasser in den Wein: Es gebe vielerlei Begehrlichkeiten, und man müsse erst einmal sehen. Nur als dumpfes Gemurmel drangen in die Festversammlung die Sprechchöre protestierender Studenten, die draußen vor der Absperrung gegen Studiengebühren demonstrierten. Undankbare Subjekte. Auf welches »private Steueraufkommen« können diese Youngster denn schon verweisen, das ihnen einen Anspruch auf kostenfreien Universitätsbesuch sichern könnte?