Rudolf Dreßler, gutgläubig. – Als alphabetisch erster Unterzeichner stehen Sie hinter einer »Grundsatzerklärung«, mit der für eine »Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokraten in der SPD« geworben wird. Diese will »das Parteiestablishment aufrütteln, sich wieder dem historischen Auftrag der Sozialdemokratie zu verpflichten: Politik für die Mehrheit und insbesondere für die weniger privilegierte Mehrheit der Bevölkerung zu machen« und sich zu »dem Fehler zu bekennen, daß unter sozialdemokratischer Regierungsverantwortung die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinandergegangen ist«. Die Gründungsidee könnte Nachahmung finden: eine »Arbeitsgemeinschaft der Umweltschützer bei den Grünen«, eine »Arbeitsgemeinschaft von Liberalen in der FDP«, von »christlichen Demokraten in der CDU«, von »Linken in der Partei Die Linke«. Nachdem Ossietzky schon vor Jahren die Gründung der Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokraten in der SPD angeregt hat (Sie machen aus unserer Satire Ernst), interessiert uns jetzt vor allem, was Sie konkret vorhaben. Sie fordern, daß »Amtsinhaber auf Landes- und Bundesebene sich verpflichten, nach dem Ausscheiden aus politischen Ämtern für die Dauer von drei Jahren nicht für Unternehmen tätig zu sein, für die sie politisch zuständig waren«. Was aber sollen besagte Amtsinhaber in dieser Zwangspause unternehmen? Da sind Ausfallhonorare fällig.
Friedrich März, lässig wartend. – Die Kanzlerin will Sie versöhnen, und in der Öffentlichkeit werden Sie als möglicher Kandidat der Bundesrepublik für einen Sitz in der EU-Kommission genannt. Die SPD gönnt Ihnen diesen Job nicht, und die Grünen halten Sie für ungeeignet, weil Sie der letzte uneinsichtige Neoliberale seien. Vorgeschobene Ablehnungsgründe – denn von robusten Verfechtern jener Wirtschaftspolitik, die man »neoliberal« zu nennen pflegt, wimmelt es doch nach wie vor in Brüssel wie in Berlin, da passen Sie, um »mehr Kapitalismus zu wagen«, bestens hin. Vielleicht müsse man, um das Problem lösen zu können, noch die Bundestagswahl hinter sich bringen, meint Angela Merkel. Recht hat sie, denn dann wird für diesen Akt die SPD nicht mehr benötigt, oder sie ist, von Wahlkampfpflichten befreit, wieder »einsichtig« geworden, also bereit, sich angeblichen kapitalistischen Sachzwängen zu unterwerfen und an verschärfter Ausbeutung mitzuwirken – was man eben »neoliberal« nennt.
Rainer Eppelmann, offenherzig. – Das offiziöse evangelische Magazin chrismon schildert den Untergang der DDR als »Revolution der Pastoren« und würdigt dabei auch Ihre Rolle. Ihre »strategische Chance« stellen Sie selbst so dar: »Wenn wir den Frieden thematisierten, konnten die Oberen eigentlich nichts dagegen machen.« Als die letzte DDR-Regierung gebildet wurde, habe Lothar de Maizière Sie dann gefragt, ob Sie Minister für Verteidigung werden möchten, berichten Sie. Nein, sei Ihre Antwort gewesen, sondern Minister für Abrüstung. In Ihrer Amtsbezeichnung stand dann: »Minister für Abrüstung und Verteidigung«. Der Übergang war damit bezeichnet: Abrüstung des Ostens und sogenannte Verteidigung des Westens, inzwischen am fernen Hindukusch.
Gerhard Zwerenz, immer den Überblick bewahrend. – Wenn die Deutschen sich streiten und einander alle Rechte bis hin zum Existenzrecht absprechen, werfen Sie gelegentlich einen Satz ein, der eigentlich reichen sollte, die Gemüter zu beruhigen und den Verstand anzuknipsen – wenn man denn auf Sie hören würde. Einen solchen Satz lasen wir jetzt auf der – auch sonst zu empfehlenden – Website poetenladen.de: »Die DDR war kein Rechtsstaat, sondern ein angefangener, abgetriebener Linksstaat.«
Norbert Geis (CSU), Scharf-Rechts-Politiker. – Sie haben sich durchgesetzt: Der Bundestag wird in dieser Legislaturperiode diejenigen Wehrmachtssoldaten, die wegen »Kriegsverrats« verurteilt und zumeist sofort hingerichtet wurden, nicht rehabilitieren. Sie sagten zur Begründung: Eine pauschale Aufhebung dieser Urteile wäre für Sie unerträglich, weil damit die Arbeit von Juristen in der Nazi-Zeit pauschal verunglimpft würde. Das unterscheidet Sie und uns: Ihnen geht es um die Ehre der Täter der massenmörderischen Militärjustiz, uns um das Andenken der Opfer, deren Hinterbliebenen es schwerlich zuzumuten ist, vor bundesdeutschen Gerichten die Aufhebung der einzelnen Terrorurteile zu erkämpfen – zumal nicht auszuschließen ist, daß sie an Richter Ihrer Couleur geraten würden. Ihren parlamentarischen Erfolg verdanken Sie freilich der SPD, die aus Gründen der Koalitionstreue ihre Absicht fallen ließ, die »Kriegsverräter« zu rehabilitieren. Also ein Sieg der großen Kriegskoalition.