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Titel1110

75 Jahre Dietrich Kittner  (Wolfgang Helfritsch)

Er wollte Clown werden und brachte es nur zum Kabarettisten, schloß sein Jura-Studium nicht ab und setzt sich dennoch oder gerade deswegen für die oft gebogenen oder gebrochenen Rechte seiner Mitbürger ein. Er wurde Satiriker aus Leidenschaft, Bänkelsänger von Format, provokanter Streitpartner der Behörden, zuverlässig voraussehender Schwarzseher, eindringlicher Warner vor Krieg und Völkermord, einer, der sich immer wieder kritisch mit seinen Landsleuten anlegt: »Der echte Deutsche ist sehr gastfreundlich – wenn er einen Ausländer sieht, gleich kocht er« oder: »Des echten Deutschen bester Freund ist der echte deutsche Schäferhund. Er hat sowas Menschliches.«

Apropos Hund: Kittner ist in Deutschland bekannt wie ein bunter Hund, allerdings nicht aus dem bunten Fernsehen. Beides hat einen und denselben Grund: Er war und blieb ein »Radikaler im öffentlichen Dienst«, wie Günter Walraff ihn genannt hat. Der Ausschluß aus der SPD war ebenfalls eine Quittung für seine Kritik an deren Opportunismus und Anpassung.

Kittner schrieb und gestaltete 30 Programme, füllte sie mit unbequemen Wahrheiten und bitterem Spott und fand dafür viel Publikum. Jahrelang glossierte er Politiker, dann fuhr er schärfere Geschütze auf: Er zitierte sie. Zum Beispiel Helmut Kohl: »Die Wirklichkeit, meine Damen und Herren, ist anders als die Realität.«

Schon seine Programm-Titel provozieren, zum Beispiel: »Hai-Society«, »Dein Staat, das bekannte Unwesen«, »Maden in Germany«, »Bürger, hört die Skandale«. Seit Gründung der Zweiwochenschrift Ossietzky gehört er zu deren Stützen. Und man kennt ihn als Teilnehmer an öffentlichen Aktionen in Sälen, auf Straßen und Plätzen. Man dankte ihm mit dem Deutschen Kleinkunstpreis, dem Deutschen Schallplattenpreis, dem Erich-Mühsam-Preis, er wurde Träger des »Ehrengauls von Niedersachsen« und des »Sterns der Satire«, und auf dem Mainzer »Walk of fame« ist ihm eine Bronzetafel gewidmet. Jetzt, vor Vollendung seines 75. Lebensjahrs, scheint sich auch die Stadt Hannover, wo er jahrzehntelang als Theaterleiter gewirkt hat, der Tatsache bewußt zu werden, daß sie ihn bisher sträflich vernachlässigt hat. Der Ärger darüber, daß er den Stadtvätern gelegentlich auf die Füße getreten hat, überwog offenbar den Stolz auf den unbequemen Zeitgenossen.

Alle guten Wünsche, lieber Dietrich! Und laß es dabei bloß nicht bewenden!