Die Europäische Kulturstiftung hat Joachim Knebel, Chief Science Officer am Karlsruhe Institute of Technology (KIT), den Wissenschafts-Kulturpreis verliehen. Begründung: »Wir würdigen damit die wissenschaftlichen Verdienste um die Technologie »Partitioning und Transmutation« zur Reduzierung der Radiotoxizität des hochradioaktiven Abfalles und der damit verbundenen Schließung des nuklearen Brennstoffkreislaufes.« Mit dem Preis wurde der Herr des millionenschweren Forschungsprogramms Transmutation geehrt. Warum eigentlich nicht? Wenn der elegante Kriegsfürst Barack Obama Friedensnobelpreisträger sein kann, warum soll dann ein stolzer Atomkraftfanatiker nicht Kulturpreisträger sein. Je fragwürdiger eine Technologie wird, je offenkundiger die Gefahr, die von ihr ausgeht, desto mehr Gründe gibt es für die Profiteure, ihr Treiben in den Rang von Kultur erheben zu lassen.
Transmutation ist das Zukunftsversprechen, den langlebigen radioaktiven Schrott der Atomenergie in kürzerlebigen zu verwandeln – von einigen zehntausend in einige hundert Jahre Zerfallszeit. Wunderbar. Dann sind wir zwar die Gefahr der Kernschmelze à la Tschernobyl und Fukushima nicht los, aber immerhin den Abfall, von dem niemand weiß, wo man ihn vernünftigerweise lagern soll. Aber nur vielleicht.
Denn die dafür erforderlichen Anlagen sind ohne stetige massive staatliche Zuschüsse ebenso wenig durch das »freie Spiel der Marktkräfte« finanzierbar wie der Atomstrom. Die Technologie ist vergleichbar mit der des Schnellen Brüters, dessen Schicksal mit dem Scheitern der Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf und des Brutreaktors in Kalkar besiegelt wurde. Geflissentlich verschwiegen wird, daß viele Anlagen vom Typ Wackersdorf und sogenannte Kernreaktoren der 4. Generation gebaut werden müßten, wenn die Technologie vielleicht in zwei Jahrzehnten einsatzreif sein sollte. Der hochradioaktive Schrott aus der Versuchsanlage für die Wiederaufarbeitung und dem Versuchsbrüter des Forschungszentrums Karlsruhe ist gerade per Castor durch die Republik verschoben worden. Mit der Transmutation geht das Ganze von vorne los. Das Programm richtet sich direkt gegen den Ausstieg aus der Atomenergie und gegen den erforderlichen Umstieg zur Energie-Einsparung und zu erneuerbarer Energie. Das jedenfalls ist die gut begründete Auffassung der NaturwissenschaftlerInnen-Initiative »Verantwortung für Frieden und Zukunftsfähigkeit«.
Und dafür gibt es einen weiteren zwingenden Grund. Die sogenannte friedliche Nutzung der Atomenergie ist nach wie vor die technologische Voraussetzung für den Bau von Atomwaffen. Das Kernforschungszentrum Karlsruhe wurde von Franz-Josef Strauß mit Nazi-Rüstungswissenschaftlern und Nazi-Juristen in den Führungspositionen ausgestattet, die nach der Hitler-Diktatur mit den damaligen Diktaturen in Argentinien, Brasilien und Südafrika zusammenarbeiteten, um die militärische Atomtechnologie weiterzuentwickeln. Adenauer und Strauß wollten die deutsche Bombe.
In Brasilien wird gegenwärtig neue Atomkraft-Euphorie verbreitet. Offizielle Stimmen fordern, die Rohstoffressourcen gegen mögliche Begehrlichkeiten der USA notfalls mit eigenen Atomwaffen zu schützen. Sowohl die seit Jahrzehnten gepflegte Atomkooperation als auch neuerdings die direkte Militärkooperation mit der Bundeswehr soll verstärkt werden. Brasilien ist der alte und neue strategische Partner, der bereits über den geschlossenen Brennstoffkreislauf (mit Wiederverwendung des Plutoniums aus abgebrannten Brennstäben verfügt.
Die Schließung des Brennstoffkreislaufs war das vom Karlsruher Schnellbrüter-Pionier Wolf Häfele mit religiöser Inbrunst propagierte Mantra. Das Verkaufsargument mit der Kulturkomponente erscheint da schon etwas intelligenter. Und dennoch könnte sich die Transmutations»kultur« als der entscheidende Sargnagel des KIT erweisen. Im autoritär geführten KIT sind bereits die letzten Reste von Mitbestimmung verschwunden und ganz nebenbei der traditionsreiche Name der Universität (TH) Karlsruhe.
Etwas Versöhnliches zum Schluß. Wenn sich die Menschheit eines Tages von Atomwaffen und Atomkraft befreit und eine gerechte Weltwirtschaftsordnung erkämpft haben sollte, kann wieder über die Transmutation zur rascheren Befreiung vom atomaren Schrotts nachgedacht werden. Aber keinen Tag früher.