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Mao hinten – Che vorn  (Monika Köhler)

Hamburgs Museen müssen sparen und auf ihre versteckten Schätze aus dem Depot zurückgreifen. Zwei Ausstellungen als Beispiel. »Götter und Dämonen Asiens«, eine Werkschau des Museums für Völkerkunde, bis zum 28. August. Die Götter stehen etwas verloren in dem großen Raum herum. Es gibt Informationen, aber meistens fehlen Angaben zum Material. Ist es Holz oder Ton, was da so glänzend und grell bunt in großer Vielfalt präsentiert wird? Die Assoziation zu deutschen Gartenzwergen verbietet sich wohl, denn es sind Nat-Figuren aus Myanmar (früher Burma), Objekte des Volksglaubens aus dem 20. Jahrhundert. Was wie Holz aussieht, kann Bronze sein, so der riesige Giebelschmuck eines Schlosses (1658) mit einem Fischkörper und Tigerkopf aus Japan. Er soll vor Feuer schützen. Ganz anders als die Kultur der Nikobaren, einer Inselgruppe, die zu Indien gehört. Eindrucksvolle Tier- oder Schreckfiguren aus Holz (vor 1910), die gegen die bösen Totengeister unters Hausdach gehängt wurden. Hier ängstigen sie wohl nur die Kinder.

Das Völkerkunde-Museum sieht sich als »erlebnisorientiert«, deshalb die japanischen Tatami-Matten auf dem Boden? Man wird aufgefordert, dort Platz zu nehmen, um »Zwiesprache mit den Bildern« zu halten, den »von vielen Menschen als heilig angesehenen Objekten«. Gut so, aber was soll der Nachsatz: »ungehindert von zu viel Information«? Braucht man sie nicht? O-Ton Völkerkunde-Museum: »Man sieht nur mit dem Herzen wirklich gut.« Es muß Herzversagen gewesen sein, als das Museum 2007 gefälschte Chinakrieger ausstellte.

Eine Entdeckung: die Rollbilder aus der chinesischen Provinz Zhejiang, vor 1931 entstanden. Sie stellen die ersten sechzehn Schüler des historischen Buddha dar: die Arhats oder Lohans. Sehr große, ganz individuelle Gestalten, expressionistisch fast. Sie gehen auf eine Gemäldeserie des Malers Guanxin (10./11. Jahrhundert) zurück, die zur Vervielfältigung in Steinplatten graviert wurde. Ein Wandbehang mit Drachen soll aus dem Kaiserpalast in Peking stammen (vor 1901). Da dessen Kunstschätze unverkäuflich waren, wurde er wohl von »zweibeinigen Dämonen geplündert«, informiert ein Text lakonisch.

Andere chinesische Wandbilder zeigen die Erdpräfektur, wo die Hölle liegt, für deren Verwaltung die hohen Beamten zuständig sind. Alles ist wohlgeordnet. Man sieht den gefürchteten Folterknecht »Rindskopf« bei der Arbeit. Die Tierhölle ist Tierquälern vorbehalten. »Kokette Frauen« fliegen dort als bunte Vögel umher. Wie angenehm. Wandtexte zu Göttern, Geistern, Dämonen und Ahnen geben kurze Einführungen. Zu einem tibetischen Rollbild (19. Jahrhundert) erfährt der Besucher, die Göttin mit dem weißen Schirm sei zur »Schützerin Norddeutschlands« erklärt worden – vom Dalai Lama, der das Andachtsbild bei einer seiner Heimsuchungen weihte.

Leicht zu übersehen, was sich hinter einem Stellschirm verbirgt, ganz hinten: Mao Zedong. Ein Plakat aus den 1970er Jahren. Tote Persönlichkeiten würden manchmal vergöttlicht, heißt es. So sei es auch hier zu beobachten. Oben Mao, strahlend wie die Sonne hinter ihm. Unten steht das Volk aufgereiht, die Arme zu ihm erhoben.

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Die Ausstellung »Body and Soul« im Museum für Kunst und Gewerbe sollte schon im September 2010 schließen. Sie wurde wegen des großen Erfolges verlängert bis Ende 2011. Auch sie ist aus eigenen Beständen entstanden. Nach Themengruppen sinnvoll geordnet: Geburt und Tod, Leidenschaft, Schönheit, Spiel, Kampf, Individualität und Verehrung. Hier Gemeinsamkeiten, dort Unterschiede in den verschiedenen Kulturen. Kreativ und manchmal verspielt, sehr lebendig die Zusammenstellung.

Am Eingang begrüßt uns der knallrote Sessel »Donna« von Gaetano Pesce (1960): weibliche Formen mit angekettetem kleinen Ball, dem Bambino. Von der Göttin Isis mit dem Horusknaben über die Jungfrau Maria mit Kind (Straßburg um 1462) zu einem ganz realistischen Christusknaben wie eine nackte Puppe (Augsburg um 1500), besonders in Frauenklöstern beliebt, und zum weiblichen Bodhisattva Guanyin aus dem China des 18. Jahrhunderts, gleichfalls mit Kind, angebetet oder verehrt, wenn ein Kinderwunsch bestand.

Zwei dicke Damen mit ausgefallenen Frisuren aus einem Grab der Tang-Zeit (China, 8. Jahrhundert). Dagegen drei Grazien aus Biskuitporzellan, in Meißen hergestellt, um 1785. So unterschiedlich das Schönheitsideal. Ein Fächer, den Oskar Kokoschka für Alma Mahler schuf mit dem Vesuv als Metapher für wilde Leidenschaft. Japaner setzen da den heiligen Berg Fujiyama zum Liebespaar.

Vermutlich aus Ägypten der kleine Kopf (aus Basalt) eines afrikanischen Kindes (1. Jh. v.Chr.). Er wirkt so lebensecht, als wolle er gestreichelt werden. Die Statuette eines buckligen Bettlers (3. Jh. v.Chr.), auch aus Ägypten, sollte das Böse bannen. Häßlichkeit stand für schlechten Charakter. Wie zur Zeit der europäischen Aufklärung Johann Caspar Lavaters »Physiognomische Fragmente zur Beförderung der Menschenkenntnis und Menschenliebe« der Anfang eines Weges waren, der bis zu den Schädelmessungen der Nazis führte.

Kampf: Der Erzengel Michael (Oberösterreich um 1700) steht triumphierend auf dem Satan. Zum Vergleich die japanische Schutzgottheit Fudo Myoo mit furchterregendem Ausdruck. Auch er vertreibt böse Mächte mit Schwert und Lasso. Das Tänzerpaar Lavinia Schulz und Walter Holdt schuf um 1920 den nordischen Kämpfer »Skirnir«, ein großes Bühnenkostüm aus Holz, Pappe und Sackleinen. Das Gewicht der Körpermaske (20 Kilogramm) ließ keinen leichtfüßigen Tanz zu. Leider fehlen jetzt Informationen über das Paar, das in Hamburg unter ärmlichsten Verhältnissen hauste und sich im Juni 1924 das Leben nahm.

Verehrung kann sich ausdrücken in einem kleinen Engelskopf aus Terracotta, in dem Kopf eines Buddha oder dem eines Königs aus Nigeria – beide aus Bronze. Oder heute auf einem rot/schwarzen Plakat »Viva Ché«, das Ernesto Ché Guevara zeigt (1968) – hier nicht hinter einer Stellwand verborgen. Das Museum informiert: »Als moderner Schmerzensmann wird der Revolutionär weltweit verehrt. Er litt für seine Ideale und wurde von seinen Widersachern ermordet. Ché starb ungefähr im selben Lebensjahr wie jener Jesus von Nazareth.« Ein gutes Beispiel für den unkonventionellen und kulturübergreifenden Umgang mit den Objekten. Er macht die kleine Ausstellung locker und anregend.