Vor 70 Jahren erhoben sich polnische und deutsche Juden im Ghetto von Warschau. Das menschliche Elend war unerträglich geworden. Krankheit, Hunger und Tod standen auf der Tagesordnung. Wer Schilderungen von Zeitzeugen, die das Grauen überlebt haben, liest, kann erahnen, was diese Menschen durchmachen mußten. Es war ein Aufstand der Verzweiflung, dessen Hoffnung auf Veränderung von der SS letztlich blutig niedergeschlagen wurde. Die Deutschen brannten das Ghetto nieder und deportierten die nicht Ermordeten in die Lager von Treblinka, Auschwitz und Majdanek, wo sie fast immer der sichere Tod erwartete.
Einer der SS-Bewacher in Warschau war Josef Blösche, der sich bei der Bekämpfung des Aufstandes besonders hervortat. Der 1912 Geborene war seit 1941 dort eingesetzt und beteiligte sich nach Ausbruch des Aufstandes an Massenhinrichtungen wie auch an wahllosen Erschießungen. Er selbst räumte später ein, zahlreiche Menschen im Ghetto eigenhändig erschossen zu haben. In vielen Geschichtsbüchern ist ein Bild zu finden, das zum Symbol für die Zerschlagung des Warschauer Aufstandes wurde: Im Vordergrund ein kleiner Junge mit Schiebermütze und erhobenen Händen, hinter ihm mit Maschinenpistole im Anschlag und aufgesetztem Stahlhelm Josef Blösche. Ein Foto, das einst der »Unterrichtung« von Heinrich Himmler diente als Bestandteil des sogenannten Stroop-Berichtes. Es stammt aus jenen Tagen des Aufstandes.
Blösche gelang es nach Ende des Zweiten Weltkrieges in Thüringen unterzutauchen. Ein Unfall, in dessen Folge sein Gesicht verletzt und völlig verändert worden war, kam ihm dabei zugute. In den 1960er Jahren wurde dann allerdings gegen ihn in beiden deutschen Staaten ermittelt. Ausgangspunkt dafür war eine Anzeige gegen Blösches früheren Vorgesetzten in Warschau, Ludwig Hahn. Er war so in das Visier der Hamburger Staatsanwaltschaft geraten.
Hahn wird man allerdings erst 1973 und 1975 zu langen Freiheitsstrafen verurteilen. Blösche kam 1967 in der DDR in Haft und legte ein umfangreiches Geständnis über seine grausamen Handlungen im Ghetto ab. Auch bestätigte er ausdrücklich schriftlich auf der Rückseite des bereits erwähnten Fotos seine Identität. Das Bezirksgericht Erfurt verurteilte Blösche im Frühjahr 1969 zum Tode. Er wurde einige Monate später – nach Verwerfung seines Rechtsmittels durch das Oberste Gericht der DDR – in Leipzig hingerichtet.
In Erfurt wurde unlängst eine »Gedenkstätte Andreasstraße« eröffnet. Sie befindet sich in einem Gebäude, welches einst als Untersuchungshaftanstalt des DDR-Strafvollzuges diente. Ein Teil davon wurde durch das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) genutzt. In der Untersuchungshaftanstalt saßen in all den Jahren Räuber und Diebe, Sexualstraftäter und andere Rechtsbrecher ein. In dem Teil, der dem MfS überlassen worden war, auch Personen, die die DDR verlassen wollten oder auf andere Weise Handlungen gegen diese unternommen hatten und deshalb strafrechtlich verfolgt wurden.
Leider wird heute der Eindruck erweckt, als habe es sich ausschließlich um politisch Verfolgte gehandelt. So ist auf der Internetseite der Gedenkstätte zu lesen: »Von 1952 bis 1989 wurden hier mehr als 5000 Frauen und Männer eingesperrt, weil sie sich der SED-Diktatur widersetzten.« Das kann zahlenmäßig nicht richtig sein, da »gewöhnliche« Kriminelle nicht in diese Statistik gehören. Diebstahl, Raub und Mord wird niemand als Widerstand gegen die DDR einklassifizieren können und wollen. Sie waren auch in der damaligen Bundesrepublik strafbar. Auch Josef Blösche wartete einst in dieser Haftanstalt auf seinen Prozeß, wie auch zeitweise der ebenfalls verurteilte SS-Angehörige Wilhelm Schäfer. Beide haben sich Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht, lange vor Gründung der DDR.