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Titel1114

Non vollero – sie haben nein gesagt!  (Susanna Böhme-Kuby)

»Widerstand ohne Waffen – Geschichten von italienischen Militärinternierten im ›Dritten Reich‹ (1943–1945)« lautet übersetzt der Titel einer berührenden Ausstellung, die das Venezianische Institut für Widerstand und Gegenwartsgesellschaft in diesem Frühjahr in Venedig zeigt.

Das Institut ist eine der 66 über ganz Italien verteilten Vereinigungen von Partisanenorganisationen und jüngeren Historikern, die seit Anfang der 1990er Jahre die Geschichte der italienischen Militärinternierten (IMI) detailliert aufarbeiten und publizieren. Die problembeladene Thematik war in Italien zuvor jahrelang unterbelichtet geblieben – in Deutschland will man bis heute nicht ihr Ausmaß wahrnehmen und weigert sich, die Militärinternierten für die ihnen in Deutschland abgepreßte Zwangsarbeit angemessen zu entschädigen.

Die Ausstellung basiert auf dem reichhaltigen Material der venezianischen Sektion der italienischen Vereinigung der aus der Gefangenschaft Heimgekehrten, die nach Kriegsende von allen Fronten meist krank und geschwächt in ihre Heimat zurückkamen. Es war ein verarmtes und zerstörtes Italien, das ihnen weder größere Hilfe, noch Anerkennung gewähren konnte und mochte, denn ihre Existenz zeugte von der unrühmlichen Geschichte der italienischen Militärführung nach dem 8. September 1943, als das Königreich Italien aus dem Krieg ausgeschieden war und seine Soldaten de facto führungslos dem neuen deutschen Feind ausgeliefert hatte.

Damals waren Hunderttausende aufgefordert worden, sich den Salò-Faschisten oder direkt dem deutschen Oberkommando der Wehrmacht unterzuordnen, doch die große Mehrheit weigerte sich und leistete spontan passiven Widerstand. Den mußten Soldaten wie Offiziere 600.000fach mit der Verschleppung nach Norden, jenseits der Alpen, bezahlen – ein Widerstand also, der großen Respekt abnötigt, nicht zuletzt in heutigen Zeiten, wo militärischer Einsatz wieder allseits propagiert wird. Selbst Staatschef Giorgio Napolitano, damals der Resistenza angehörend, verkniff es sich nicht, in seiner rituellen Rede zum Tag der Befreiung am 25. April zwar auf die Bedeutung eines »Volkes in Waffen« (nämlich der Resistenza) hinzuweisen, aber gleichzeitig heute vor »anachronistischem Mißtrauen gegen Waffensysteme« zu warnen, ja sogar vor »alter und neuer antimilitaristischer Demagogie« – was aktuell nur auf den umstrittenen Ankauf der F-35-Jagdbomber für das zum Sparen verdammte Italien gemünzt sein kann. Der Historiker Enzo Collotti hat auf die zunehmende Entleerung der Erinnerung hingewiesen (Il manifesto, 25.4.14), die seit mindestens 20 Jahren voranschreite. Der Revisionismus der Berlusconi-Ära hat die Faschisten salonfähig gemacht, und in Mailand, der einstigen Hochburg des Nationalen Befreiungskomitees (CLN), wird heute auch faschistischer »Märtyrer« gedacht. Die Opfer werden den Tätern gleichgestellt, nicht allein in Italien ein Problem.

Umso wichtiger also, wenn in Venedig auch der Einzelschicksale gedacht wird, dreizehn aus den vielen Tausenden, die aus dem Veneto verschleppt wurden. Da steht auf einem Foto der Brigadegeneral Alberto Trionfi (geb. 1892) lebensgroß vor einem, der 1943 mit anderen Offizieren aus Tripolis in einem verplombten Waggon nach Socken (heute Skoki) ins Kriegsgefangenenlager Oflag 64/Z verbracht wurde, wo er unter Hunger und Mißhandlungen 30 Kilogramm verlor, bevor er am 20. Januar von der SS auf einen Todesmarsch Richtung Luckenwalde bei Berlin geschickt, aber dann noch in Polen bei Schelchow (heute Kusnica Zelichowo) zusammen mit fünf anderen Generälen erschossen wurde. Oder der Venezianer Gian Umberto Berti (geb. 1921), der in den französischen Seealpen von der Panzergrenadierdivision Hermann Göring gestellt und im Viehwaggon nach Nürnberg ins KZ Langwasser (Kriegsgefangenenlager XIII D) transportiert wurde. Abkommandiert zum Arbeitskommando 16006 stellte man dem jungen Industriedesigner die Freilassung in Aussicht, sofern er sich der Republik von Salò anschlösse, was er ablehnte. Dafür wurde er ausgepeitscht und mußte ab September 1944 Panzerabwehrgräben bei Trier ausheben, bis zu seiner Flucht im Marz 1945. Zusammen mit anderen Geflüchteten versteckte ihn die deutsche Familie Holm in Freudenbach bei Heidelberg bis zur Ankunft der US-Truppen am 13. April. Da erkrankte er schwer an Typhus und wurde von seiner Gastfamilie bis Juni 1945 gesundgepflegt.

In dreizehn Themenblöcken werden die Etappen der Lebenswege dokumentiert: von den alliierten und den deutschen Auffanglagern in die Gefangenschaft, Leben und Arbeit als Sklaven Hitlers, Widerstand, um Mensch zu bleiben, Briefkontakte mit der Heimat, Befreiung, Rückkehr und dann der schwere Neubeginn mit ungenügender Unterstützung seitens der neuen Republik, Arbeitslosigkeit und Frustration, die 1946 und 1947 zu schweren Massenprotesten führten. Vor allem die Heimkehrerorganisationen bemühten sich lange Zeit um praktische und moralische Hilfe und kämpfen bis heute gegen das Vergessen an. In Rom ist ein eigenes Museum als Gedächtnisort geplant, neben einem Internetportal mit einem biografischen Lexikon aller Militärinternierten. Im Kontext des 2015 anstehenden Gedenkens zum 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges stünde es wohl an, auch dem deutschen Publikum das ausgeblendete Thema, zum Beispiel mit einer zentralen Ausstellung, nahezubringen.

Als Lektüre sei unter anderem empfohlen: Erich Kuby: »Verrat auf deutsch. Wie das Dritte Reich Italien ruinierte«, Hoffmann und Campe, 1982.