Unsere der Regierung angeschlossenen Fernsehnachrichtensender wußten am 28. April Schreckliches zu berichten: »Deutschland schrumpft und wird immer älter«. Ach. Und was nun, Deutschland, olle Schrumpfmumie? Testfrage an unsere Reichstagspolitiker und ihre Medientröten: Gibt es einen Unterschied zwischen Demoskopie und Demographie? Antwort zum Abnicken: Im Prinzip nein. Beide sind so wissenschaftlich qualifiziert wie die Wahrsagerei mittels Glaskugel. Beide dienen verwandten Zwecken: Mit Demoskopie-Zahlen wird das Volk geködert. Mit Demographie-Statistiken wird es für dumm verkauft.
In ihrem Internet-Auftritt treibt es die alte Tante »Tagesschau« besonders billig: »Ein Rückgang der Bevölkerung in Deutschland ist nach neuen statistischen Berechnungen langfristig nicht zu verhindern. Während im Jahr 2013 noch 80,8 Millionen Menschen hierzulande lebten, werden es im Jahr 2060 je nach Ausmaß der Zuwanderung 73,1 Millionen oder sogar nur 67,6 Millionen sein. Laut Statistischem Bundesamt wird die Bevölkerungszahl in den nächsten fünf bis sieben Jahren noch steigen, aber dann abnehmen.« (tagesschau.de) Blanker Stuß, einem Millionenpublikum als unumstößliche Tatsache mitgeteilt, ohne Relativierung, aber mit unverschämter Dreistigkeit.
Der britische Demograph David Eversley, obwohl selbst vom Fach, hält die Berechnung künftiger Bevölkerungszahlen für schieren Aberglauben: »So komplex diese Modelle auch sein mögen, die ihnen zugrundeliegenden Thesen sind doch von zweifelhafter Gültigkeit. Entweder handelt es sich um rein mechanische Extrapolationen vergangener Trends oder um Berechnungen, die auf Vermutungen der Verfasser beruhen.« (Wikipedia) Damit, so Eversly, werde stets auch ein politischer Zweck verfolgt: »Die Geschichte der Bevölkerungsprognosen ist daher nie frei von Ideologie, und es muß immer gefragt werden, warum wurde die Prognose aufgestellt, was bezweckte der Autor?«
Die Redaktion ARD-»aktuell« ist mit solchen Fragen allerdings intellektuell überfordert. Sie liest lieber im Kaffeesatz der kommerziellen Nachrichtenagenturen und präsentiert das Ergebnis in unsinnigen Metaphern: »Doch Deutschland [!] schrumpft nicht nur, Deutschland [!] altert auch. Im Jahr 2060 werden nach den Berechnungen der Statistiker 22 bis 23 Millionen Menschen 65 Jahre oder älter sein. Damit wird jeder dritte Bürger dieser Altersgruppe angehören, während es heute nur jeder Fünfte ist. Besonders stark wird die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter schrumpfen.«
Die »Tagesschau«-Propheten sägen ungerührt an unserem letzten Nerv: »In Deutschland sterben mehr Menschen als geboren werden – dieser Trend setzt sich ungebremst fort. Die Geburtenrate erwarten die Statistiker unverändert bei etwa 1,4 Kindern pro Frau. 2060 werden bei dieser Geburtenrate etwa 500.000 mehr Menschen sterben als Kinder geboren werden.« Das ist nichts weniger als Liebedienerei, also eine unseren regierenden Neoliberalen dienliche Interpretation. Die stellen den gegenwärtig negativen Trend der Bevölkerungsentwicklung nämlich gern als unveränderliche Zukunft hin. Sie rechtfertigen damit ihren aggressiven inhumanen Sozialabbau. Sie schwadronieren von Schrumpfung und Alterspyramide und propagieren vor diesem Horrorszenario die Rente mit 70 und jede andere asoziale Schweinerei. Die Folge ihrer verbrecherischen Politik: Einerseits 12,5 Millionen Menschen in Armut, darunter 1,3 Millionen Kinder, für die es oft nicht zu einer warmen Mahlzeit am Tag reicht und nicht zu einem Paar warmer Schuhe im Winter. Und andererseits 124 Multimilliardäre sowie 820.000 Multimillionäre. Das reichste Zehntel unserer Gesellschaft verfügt über 65 Prozent des privaten Geldvermögens, fast sechs Billionen Euro.
Die Bevölkerungsentwicklung ist aber beileibe nicht nur von der politisch bestimmbaren Zuwanderung abhängig. Sie hat zwei weitere Faktoren: Geburtenrate und Sterberate. Auch die sind variabel und politisch beeinflußbar. Wer sie für unabänderlich ausgibt und prophezeit, wie Deutschlands Bevölkerung in 45 Jahren aussehen werde, der verfälscht. Er macht sich zum journalistischen Komplizen reaktionärer Regierungspolitik.
Zur Nachhilfe für die werten Kollegen vom ARD-ZDF-Staatsrundfunk ein paar simple und rasch verfügbare Fakten, die eine sauber arbeitende Redaktion zu berücksichtigen hätte: Rentenkürzungen und Zerstörung der Arbeitslosenversicherung (»Hartz IV«) haben Deutschland seit dem Jahr 2000 zum europäischen Spitzenreiter beim sozialen Kahlschlag gemacht. Der Nettowert der Standardrente vor Steuern wurde bereits von einst fast 67 Prozent des letzten Durchschnittslohns auf derzeit knapp 48 Prozent heruntergedrückt und soll nun bis 2030 weiter auf 43 Prozent absinken. Sorg doch selbst und privat für dein Alter vor, blöder Malocher! Das gesetzliche Rentenniveau in Deutschland liegt im europäischen Vergleich am unteren Ende. Der Anteil der Sozialleistungen am deutschen Bruttosozialprodukt nimmt kontinuierlich ab: von 2000 bis 2014 um 0,4 Prozent, obwohl immer mehr Rentner und sozial Schwache darauf angewiesen sind. Zum Vergleich: Der Anteilsdurchschnitt aller OECD-Länder hat dagegen um drei Prozent zugenommen.
Gretchenfragen: Wird die Gebärfreudigkeit in einer Gesellschaft ansteigen, die massenhafte, politisch gewollte Altersarmut herbeizwingt? Wer sagt, daß sich dieser niederträchtige politische Wille bis 2060 nicht brechen ließe?
Die Bevölkerung eines Landes nimmt ab, wenn seine Frauen weniger als 2,1 Kinder gebären. Das versteht jeder. In Deutschland liegt die sogenannte Fertilitätsrate bei 1,4. Anhaltspunkte dafür, daß das schnell zu ändern wäre, gibt es durchaus. Steffen Kröhnert, Berliner Sozialwissenschaftler und Spezialist für Fragen der Bevölkerungsentwicklung, weist in einer seiner Arbeiten darauf hin, mit welchen Mitteln die vielgeschmähte DDR eine dringend gebrauchte Steigerung ihrer Geburtenrate erreichte (die war jahrzehntelang erheblich höher als die der BRD, im Schnitt bei 2,0): »Junge Familien erhielten staatliche Kredite, die durch Kinder ›abgegolten‹ werden konnten, und die Einführung des Babyjahrs ermöglichte Müttern beim zweiten Kind eine einjährige, bezahlte Erziehungspause. (...) frühere und häufigere Geburten [lagen] auch an der besseren strukturellen Vereinbarkeit von Kindern und Erwerbstätigkeit in der DDR. So gab es (...) keinerlei Benachteiligungen für erwerbswillige Mütter. Im Gegenteil wurde durch staatliche Maßnahmen, wie flächendeckende, gebührenfreie Kinderbetreuungseinrichtungen (Kinderkrippen, Kindergärten, Schulhorte), aber auch besondere Vergünstigungen (zusätzliche Haushaltstage, verkürzte Wochenarbeitszeit) versucht, die Erwerbsbeteiligung auch von Frauen mit Kindern zu erreichen.« Von solchen Verhältnissen können moderne BRD-Familien mit Kindern nicht mal träumen.
Warum werfen die Neokons im Berliner Reichstag das Steuer nicht herum? Die Antwort findet sich im globalen Rahmen. Fragen Sie Frau Merkel aus der Uckermark, die sich so gern auf dem Weltwirtschaftsforum der Multimilliardäre in Davos feiern läßt und ihre dicke Freundschaft mit den Superreichen zelebriert. Die planen und betreiben seit Jahrzehnten nach dem Vorbild der Melinda & Bill Gates Foundation in abgeschirmten Clubs wie den Bilderbergern und in der Trilateralen Kommission die Reduktion der Weltbevölkerung, besonders der ärmeren und ärmsten Esser.
»Das Sein bestimmt das Bewußtsein« (Karl Marx). Elitäres Milliardärsbewußtsein malt sich seine schöne neue Welt: Weg mit den Arbeits- und Konsumlosen. Existenzrecht nur für soviel Plebs, als sich noch ausquetschen läßt. Sollen die Ärmsten der Armen doch Hungers verrecken oder in den Weltmeeren ersaufen. Ihre fruchtbaren Böden haben wir längst gegrapscht, unsere Fabrikschiffe leeren ihre einst reichen Fischgründe. Dereinst soll die Elendsbevölkerung (heute noch so elendiglich viele) gerade noch genug »Humanmaterial« für die Serientests unserer Pharmaindustrie liefern. Unseren milliardenschweren Geldadeligen werden sie nicht fehlen, die armen, nutzlosen Esser. Die Warenproduktion wird weitestgehend automatisiert sein, und KI (künstliche Intelligenz) wird dafür sorgen, daß das Geld dort bleibt, wo es immer schon war. Das Milliardär-Sein bestimmt das Bewußtsein dieses Men-schenschlags und ist damit zwingend das seiner Wasserträger in Politik und Medien.