Kranke Sieger
Immer wieder verschüttet von Kram,
die Krämerseelen.
Immer wieder verstrickt im Zwang,
die Zwängler.
Immer wieder umgefallen,
die Gefälligen.
Und vom Sturm der Zeit aus sich selbst
vertrieben, die Wetterwendischen,
mitgerissen vom Mahlstrom,
tanzen sie wie Dreck auf dem Wasser.
Renate Schoof
Kirchliche Wundheilung
»Die christliche Kirche treibt nicht nur die Gläubigen in die Gräben und segnet die Maschinen, die zum Mord bestimmt sind – sie heilt auch die Wunden, die der Mord geschlagen hat, und ist allemal dabei«, zitierte Hartwig Hohnsbein in Ossietzky 10/15 den Pazifisten Kurt Tucholsky. Und pflichtschuldig lieferte die Kirche den Beweis: In den Tagen, als man weltweit des Kriegsendes 1945 gedachte, lud sie unter dem Motto »Stell Dir vor, es ist Krieg und die Menschen kehren zurück« ausgerechnet in die Berliner Zionskirche ein, wo einst Dietrich Bonhoeffer gewirkt hat. Die Redner der Veranstaltung, unter ihnen der evangelische Militärbi-schof Sigurd Rink, brachten es wirklich fertig, mit keinem Wort an diejenigen zu erinnern, die, weil sie tot sind, nicht aus dem Krieg zurückkehren. Stattdessen freuten sie sich über den Star des Abends, Andrea Brinkmann, die in Afghanistan manchen Gefahren ausgesetzt war, aber ihren frohen Mut nicht verlor, zum Kapitänleutnant avancierte und inzwischen Mutter von zwei Kindern geworden ist.
Erwähnung fanden aber auch diejenigen mit zehn Prozent bezifferten Afghanistan-Rückkehrer, die vom Krieg traumatisiert seien. Ihnen empfahl sich die Militärseelsorge. Als besonders hilfreich nach traumatisierenden Ereignissen rühmte Kaleu Brinkmann die wunderbare Kameradschaft unter den in Afghanistan eingesetzten Soldatinnen und Soldaten.
Zwei Skeptiker im Publikum fragten, auf wen sich die Kameradschaft erstrecke. Etwa auch auf Georg Klein, damals Oberst, der in Kundus den Befehl zur Vernichtung von mehr als 100 Afghanen gab, zumeist Kinder – etwa ebenso viele Todesopfer an einem einzigen Abend wie in drei Jahrzehnten an der Berliner Mauer. Bischof Rink und sein eifriger Mitstreiter Winfried Nachtwei (Militärexperte der Grünen) hielten es nicht für nötig, darauf zu antworten. Auch die Frage nach Entschädigung für die Opfer des Massakers von Kundus blieb unbeantwortet. Sie paßte nicht in diese Werbeveranstaltung für die Bundeswehr, zu der neben der Kirche auch die Friede-Springer-Stiftung eingeladen hatte, benannt nach der frommen Verlegerin der überaus frommen Bild-Zeitung.
Bischof Rink – fest in der Tradition solcher Militärseelsorger, um nicht zu sagen Haßprediger wie Otto Dibelius, der nach 1945 noch viele Jahre an der Spitze der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) stehen durfte – meinte sich allen unangenehmen politischen Diskussionen durch den Hinweis entziehen zu können, jetzt hätten wir doch die Demokratie. Die Bundeswehr gibt sich ja gern als »Parlamentsarmee« aus. Doch wie das Militär schweigt auch die Militärseelsorge über das Kommando Spezialkräfte (KSK), von dessen Geheimaktionen in Afghanistan und anderswo nicht nur wir nichts erfahren dürfen, sondern auch das Parlament. Nicht einmal der Verteidigungsausschuß des Bundestags wird darüber informiert. Demokratie?
Eine Ausstellung über Kriegsheimkehrer, die in Berlin zu sehen war, soll demnächst auch in Köln, Bielefeld, Koblenz und Fulda gezeigt werden. Ebenso werden wohl die Adventskonzerte fortgeführt, in denen Bundeswehrkapellen 2014 im Berliner Dom und anderswo »dem Kirchenvolk den Marsch bliesen« (Peter Wittig). Oder gibt es Mittel, die systematische Militarisierung der Gesellschaft – auch der Schulen und Hochschulen – aufzuhalten?
Das Motto der kirchlichen Kampagne ist eine schäbige Abwandlung der pazifistischen Parole »Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin«. Wir dürfen uns von ihr nicht abbringen lassen. Massenhaft verweigern! Massenhaft desertieren! Die Deserteure der Nazi-Wehrmacht ehren! Deren Sprecher Ludwig Baumann wertete es dieser Tage als »ein schlimmes Zeichen für künftige deutsche Kriegsverbrechen«, daß Oberst Klein – ebenso wie sämtliche Richter der NS-Militärjustiz – nicht vor Gericht gestellt, sondern schon bald nach seinem grausigen Angriffsbefehl zum General befördert wurde. Baumann rief auf zu politischem Enga-gement gegen militärisch befestigte Ungerechtigkeit in der Welt (30.000 Hungertote täglich) und zu einer »Erinnerungsarbeit, die lebensfreundliche Widerständigkeit gegen Krieg fördert«. Ein kluger alter Mann.
Eckart Spoo
Sturmgeschütz im Einsatz
Wie kann man die Paraden und Feiern in Moskau zum Gedenken an die Kapitulation der deutschen Wehrmacht demagogisch nutzen? Spiegel online weiß, wie das zu machen ist: Russen, die massenhaft teilnehmen, seien die »letzten Geiseln des Krieges«. Und: Der russische Staat habe die Erinnerung an die Kämpfe und den Sieg der Roten Armee »gekidnappt«.
Geiseln, die sich freiwillig und voller Zustimmung in »Haft« begeben? Die Russische Föderation als übler Sonderfall, wo der Staat selbst Erinnerungsauftritte organisiert?
So können sich Propagandaschüsse im Eifer des Gefechtes als völlig fehlmunitioniert herausstellen.
M. W.
Halb Bremen hat nicht gewählt
Bei der Bürgerschafts- beziehungsweise Landtagswahl im Bundesland Freie Hansestadt Bremen gaben am 10. Mai rund 50 Prozent der Wahlberechtigten ihre fünf Stimmen für eine Partei oder – nach Belieben – für jeweils präferierte Kandidatinnen und Kandidaten einer oder mehrerer Parteien ab. (In der Stadt Bremerhaven betrug die Wahlbeteiligung sogar nur 40,5 Prozent!) Und das, obwohl erstmals die 16jährigen zur Wahlurne schreiten durften. Wenn nicht alles täuscht, haben besonders all die Bürgerinnen und Bürger auf ihr demokratisches Recht verzichtet, die in wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht gesellschaftlich ausgegrenzt sind. Fast jeder vierte Einwohner im Land Bremen lebt derzeit in Armut; schlimmer noch: Jedes vierte Kind wächst in Armut auf, und der Anteil der Schüler, die aus sozial schwächeren, bildungsfernen Familien kommen, ist so hoch wie in keinem anderen Bundesland. Tendenz: steigend.
Bremen ist das pro Einwohner/in am höchsten verschuldete Bundesland, die offizielle Arbeitslosigkeit liegt seit langem über zehn Prozent (derzeit 11,1 Prozent), auskömmlich bezahlte Arbeitsplätze sind rar, das Bildungssystem – einschließlich der Hoch-schulen – ist stark unterfinanziert et cetera. Wenn ab 2020 die Schuldenbremse greift, dürfte der Begriff Politik im Sinne von zu-kunftsorientierter Gestaltung für bremische Akteurinnen und Akteure spätestens zu einem Hirngespinst verkommen, es sei denn, es kommt eine Altschuldenregelung zustande, die das Bundesland von den gesellschaftlich immer zerstörerischen Zinslasten be-freit. Bislang gibt es allerdings kein Anzeichen für eine Wende zum Guten. Das Beste am Bremer Wahlergebnis ist das Abschnei-den der Partei Die Linke, die in der vergangenen Legislaturperiode eine anerkannt gute Oppositionspolitik geleistet hat. Sie erzielte mit 9,5 Prozent ein deutlich besseres Ergebnis als zuvor, obwohl auch sie im Kreise der vielen in Armut lebenden Bremerinnen und Bremern offenbar noch nicht als wählbare Alternative zur ausgebluteten Sozialdemokratischen Partei gilt.
Die SPD, die in Bremen seit 1945 allein oder in Koalitionen regiert, erhielt bei der Bürgerschaftswahl knapp 33 Prozent der Stimmen. Die Zeiten, zu denen sie um die 50 Prozent der Stimmen erhielt, sind nur mehr eine wehmütige Erinnerung. Das so nicht erwartete, als Debakel empfundene Ergebnis veranlaßte den Präsidenten des Senats beziehungsweise Ministerpräsidenten Jens Böhrnsen, nach zehn Jahren im Amt seinen Rücktritt zu verkünden. Wer ihn beerbt, muß sich noch weisen. Die Grünen, die mit der SPD seit 2007 eine Koalition bildeten, verloren ebenfalls unerwartet viele Stimmen, sie kamen auf rund 15 Prozent. Zwar haben SPD und Grüne ihre Übermacht von zwei Dritteln der Sitze in der Bürgerschaft eingebüßt; über 44 von 83 Sitzen – also über die notwendige Mehrheit – verfügen sie jedoch noch. Ob sie – wie vor der Wahl verkündet – erneut eine gemeinsame Regierung auf die Beine stellen, scheinen freilich die Bremer Stadtmusikanten zu bezweifeln. Sie sind verdächtig still.
Johann-Günther König
Eine smarte neue Zeit
…versprechen die jüngst auf den Markt geworfenen Hightech-»Uhren« am Handgelenk. Nur von fern noch erinnern die miniaturisierten Hochleistungscomputer an mobile Zeitmeßgeräte. Rückt das Augenblickserlebnis an die Stelle der Wahrnehmung einer monotonen, gleichförmig verlaufenden Zeit?
Neben dem zirkulären Fluß der Zeit (Chronos) kannten die Griechen des Altertums den »rechten Augenblick der Entscheidung« (Kairós); beide verwiesen aufeinander, gaben der Zeit erst ihren Gehalt und Sinn. Vom Chronos hat die Moderne lediglich – reichlich paradox – die ziellos ins Leere laufende, gleichwohl als pfeilförmig zielgerichtet vorgestellte Zeit übernommen, die von unseren »Chronometern« gemessen wird. Bringt die »SmartWatch« da etwas historisch Neues? Das Bestimmen der Zeit wird auf ihrem Display zum beiläufigen Accessoire; die vielfältigen Apps, vom Kurzmitteilungsdienst über den Musik-Player bis hin zur Foto- und Videofunktion, verführen zu zerstreuenden Beschäftigungen diverser Art.
Doch die simulierte Vielfalt gibt es nur auf Seiten des kreditwürdigen Anwenders. Die Anbieter der smarten Online-Dienstleistungen verfolgen ganz reale kommerzielle Interessen, Profit und Konkurrenz regeln den Rhythmus der Innovationen. Und die persönlichen Informationen, die die User fortgesetzt kostenlos an große private Datensammler übermitteln, dienen hochlukrativer Marktforschung – ein immer dichter werdendes Netz aus Beobachtung und normierender Verhaltenskontrolle. Die SmartWatch, eine flüchtige Mode, durchbricht nicht den Zeitfluß, sondern findet heute wie vormals »in einer Arena statt, in der die herrschende Klasse kommandiert« (Walter Benjamin).
Carsten Schmitt
Walter Kaufmanns Lektüre
Gérard Depardieu, geboren 1948 im französischen Châteauroux, nahm 2013 die russische Staatsbürgerschaft an und lebt seitdem in Rußland. Er wuchs in einer Arbeiterfamilie auf, wurde Schauspieler, erhielt den Golden Globe Award, eine Oscar-Nominierung für die Titelrolle in »Cyrano de Bergerac« und wurde sechzehnmal für den César nominiert, den er zweimal gewann.
Beim Lesen von »Es hat sich so ergeben« wird schnell deutlich, daß Depardieu von jeher unangepaßt war, wild und frei nur nach den eigenen Regeln lebend – dabei keineswegs für die Schauspielerei erkoren. Er schreibt (oder besser: er erzählt) über sein Leben mit rückhaltloser Offenheit, direkt, derb, brutal ehrlich, spart Diebstähle nicht aus, für die er verurteilt wurde, noch jugendliche Prostitution, seine Landstreicherei und Gewalttätigkeiten. Er offenbart, wie ihn urplötzlich die Sprache Molières zu faszinieren begann, ohne daß er begriff, was er da las oder deklamieren hörte, und wie er darstellerische Talente in sich entdeckte und die Pariser Bühnen zu erobern begann. Schonungslos berichtet er von sich als einem, der die Frauen liebte, in der Ehe und als Vater versagte und zuletzt allein und vaterlandslos blieb. So gesehen wäre »Es hat sich so ergeben« eine Beichte zu nennen – was dem Buch aber nicht gerecht würde. Denn es ist weit mehr als das: Es ist klug, lebensbejahend, sprühend und voll weiser Erkenntnisse. Kurzum: Es ist eine Lust zu lesen.
Walter Kaufmann
Gérard Depardieu: »Es hat sich so ergeben«, übersetzt von Véronique Grosjean, Das Neue Berlin, 176 Seiten, 19,99 €
Zu kurz gegriffen
Einen guten satirischen Roman zu schreiben ist schwer. Man braucht dazu einen langen Atem und vor allem tiefsitzenden Zorn und genügend Verletztheit, um es dem Gegenstand der Satire so richtig zu geben. Und daran mangelt es wohl in Thomas Brussigs neuem Roman. Der Einfall, es habe die Wende nicht gegeben und die DDR würde weiter vor sich hindümpeln, ist zwar originell, aber reicht nicht für ein fast 400 Seiten langes Buch, zumal, wenn man mit DDR nur Stasi-Land und Langeweile identifiziert. Ein paar putzige Passagen und das Erfinden von Funktionen heutiger Prominenter erfüllen den Anspruch, die DDR weiterzudenken, leider nicht. Da fehlen größere innen- und weltpolitische Aspekte und Einfälle und ein wirkliches Konzept, aus einer schnellen Idee eine literarische Welt zu machen.
Christel Berger
Thomas Brussig: »Das gibt‘s in keinem Russenfilm«, S. Fischer Verlag, 382 Seiten, 19,99 €
Rolf Kuhrt in Buckow
Unser Besuch an einem sonnigen, aber noch kalten Sonntag gilt dem Maler, Graphiker und Bildhauer Rolf Kuhrt aus dem mecklenburgischen Kirch-Rosin, der im Brecht-Weigel-Haus in Buckow eine kleine, sehenswerte Ausstellung zu Texten von Bertolt Brecht zeigt. Eine Bronzeplastik, erst vor wenigen Tagen in Lauchhammer gegossen, empfängt uns im Entree: die stumme trommelnde Kattrin aus Brechts »Mutter Courage und ihre Kinder«. Mit aller Kraft schlägt sie mutig die Trommel, um die Stadt Halle vor dem Überfall der gegnerischen Truppen zu warnen. Auf dem Plakat zu diesem Brecht-Stück, einem derben, schlichten Holzschnitt, schreitet Mutter Courage, ihren Wagen ziehend, auf uns zu. Abwehrend und schützend zugleich hält sie ihre Hand vors Gesicht.
Theaterplakate und Programmhefte gestaltete Rolf Kuhrt schon in den Jahren 1965 bis 1968, als er als freischaffender Graphiker und Illustrator eine vertragliche Bindung ans Nationaltheater Weimar hatte. Damit steht er in einer guten Tradition; auch Gabriele Mucchi, Arno Mohr, Ronald Paris und andere Künstler schufen Werke zu Brecht-Stücken. Das Spiel fasziniert Rolf Kuhrt, nicht nur auf dem Theater, denn im Spiel sei der Mensch erst Mensch. Und er weiß auch: »Kunst gehört zu den Dingen, die den Menschen vielleicht nachdenklicher und hin und wieder manchen auch menschlicher machen können«. Zu lesen ist das in einem Interview-Band »Was mich betrifft – im Gespräch mit Jürgen K. Zabel«.
Holzschnitte zur »Dreigroschenoper« und zum »Kaukasischen Kreidekreis«, letzterer farbig, gehören zur Ausstellung. Sie sind eindringlich, mahnend und bohrend. Und dann die Holzplastiken: zwei überlebensgroße Köpfe mit expressivem Ausdruck. Zur Auseinandersetzung mit Plastik regte ihn Ingeborg Hunzinger an (vgl. Ossietzky 3/2015). Sie erkannte, daß Rolf Kuhrts Kohlezeichnungen »die reinste Plastik« seien. Köpfe und Hände sind – zum Beispiel in der leicht getönten Holzplastik »Laßt uns beten« – eindrucksvoll und sensibel erfaßt. Hände bedecken das Gesicht. Hände können geben und nehmen, retten und vernichten, quälen und helfen.
In einer zweibändigen Monografie »Rolf Kuhrt – Malerei und Zeichnung« (Band 1) und »Rolf Kuhrt – Grafik und Plastik« (Band 2) schreibt der Kunst-historiker Dieter Gleisberg: »Sein Denken ist grüblerisch, sein Auge kritisch, sein Herz aber durchweg auf der Seite der Benachteiligten und Schwachen…«. Daß man »Kunst nicht lehren kann, sondern nur die Mittel anbieten, die zur Kunst führen«, gab ihm sein Lehrer Bernhard Heisig mit auf den Weg. Kuhrt selbst gehörte zu den dienstältesten Dozenten und Professoren an der Leipziger Hochschule für Graphik und Buchkunst.
In der »Theaterscheune« am Brecht-Weigel-Haus entdecken wir des Künstlers Plakat zur »Mutter Courage« wieder. Der Handkarren, der darauf abgebildet ist und den Helene Weigel zog, steht hier als gerettetes Original. Theaterrequisiten und Plakatkunst gehen einen Dialog ein. Filmausschnitte aus der Aufführung des Stücks mit der Weigel am Berliner Ensemble erinnern an Hoch-Zeiten des Theaters in der DDR. Dieses untergegangene Land vermittelte Rolf Kuhrt und seinen Künstlerkollegen das Gefühl des Gebrauchtwerdens. Das vermißt er heute.
Maria Michel
Brecht-Weigel-Haus Buckow, bis 28. Juni montags bis freitags von 13 bis 17 Uhr, samstags und sonntags von 13 bis 18 Uhr
Zuschrift an die Lokalpresse
Ich finde es gut, daß die Lokalpresse auf neue Trends im Einbruchsgeschehen aufmerksam macht. Kam es früher häufig vor, daß Diebe vom Wohnungsinhaber überrascht wurden, scheint jetzt der Trend ins Gegenteil zu kippen. »Einbrecher überrascht Ehepaar« titelte die Brawo, die Falkenseer Wochenendausgabe der MOZ, am 17. Mai.
Offensichtlich war dem ungebetenen Gast das unvermutete Zusammentreffen mit dem Ehepaar peinlich, denn er ergriff Hals über Kopf die Flucht »in unbekannte Richtung«. Wer weiß, in welcher peinlichen Situation er die Wohnungsinhaber überraschte. Die Pietät verbot der Redaktion weitere Nachfragen. Wie die Kripo mitteilte, war der Unhold zwischen 25 und 30 Jahren alt und zwischen 1,65 und 1,70 Meter hoch. Bei diesen ungewöhnlichen Maßen und Alterskriterien wird seine Ergreifung unmittelbar bevor-stehen, so daß weitere Enthüllungen zu erwarten sind.
Über ein völlig anders gelagertes kleptomanes Event berichtete das neue deutschland, ebenfalls in der Wochenendausgabe. Ein Einbrecher in Friedrichshagen war von seiner Tat so überanstrengt, daß er sich auf dem Sofa des unfreiwilligen Gastgebers eine Erholungspause gönnte und dortselbst einschlief. Der Wohnungsinhaber, dem bei der Rückkehr bereits die aufgebrochene Terras-sentür und die Abwesenheit seiner Computertechnik aufgefallen war, weckte den Schlummernden mit Hilfe der herbeigeholten Nachbarn und der alarmierten Polizei. Bevor der behördliche Zugriff erfolgen konnte, entsprach der verständnisvolle Hausherr noch der Bitte des im Schlaf überraschten Täters um ein erfrischendes Getränk.
Ich halte beide Nachrichten für interessant, da sie aufzeigen, daß es in einer ansonsten übel beleumundeten Szene auch anders zugehen kann. – Bernhard Neuberger (48), Soziologe, 07937 Weckersdorf
Wolfgang Helfritsch