»Ex oriente lux«, wussten unsere Vorfahren. Aus dem Osten (kommt das) Licht. Aber seit dem 20. Jahrhundert heißt es: Aus dem Osten kommt das Böse.
Da lag es doch quasi auf der Hand, die Schuldigen für den Hackerangriff auf das Wahlkampfteam des französischen Präsidentschaftskandidaten Macron ostwärts zu suchen. Während die Bild-Zeitung die Schuldzuweisung an Russland durch eine Schlagzeile nahelegte (frei nach dem Motto: Fragen wird man wohl noch dürfen) und damit unter den westlichen Medien keineswegs allein blieb, zog Ossietzky (10/2017, S. 358) angesichts fadenscheiniger »Anhaltspunkte« diese Mutmaßung in Zweifel. Und wurde nach Redaktionsschluss von unerwarteter Seite in dieser Einschätzung bestärkt.
Das Digitalforensiklabor der Washingtoner Denkfabrik Atlantic Council deckte auf, dass rechtsradikale Amerikaner mit Hilfe der geleakten französischen Kampagnenunterlagen offenbar versucht haben, die französische Präsidentschaftswahl noch in letzter Minute zugunsten von Le Pen zu beeinflussen. Die Untersuchung der Fachleute ergab unter anderem Folgendes:
Die erste Person, die auf Twitter unter dem Hashtag #MacronLeaks auf die kurz zuvor in einem Internetarchiv bereitgestellten Unterlagen hinwies, war Jack Posobiec, ein bekannter amerikanischer Rechtsradikaler, der nach eigenen Angaben im Wahlkampfjahr 2016 als Sonderprojekteleiter für »Citizens for Trump« fungiert hatte, die mutmaßlich größte Basisorganisation des Präsidentschaftskandidaten. Wie hatte dieser Trump-Unterstützer so schnell von der umstrittenen Veröffentlichung wissen können? Auch die nächsten Tweets zum Thema stammten offenbar von Anhängern der sogenannten Alternativen Rechten (»AltRight«), die im US-Präsidentschaftswahlkampf Wähler am rechten Rand für Donald Trump mobilisiert hatten. Zusätzlich scheinen von ihnen sogenannte Bots zur automatisierten massenhaften Verbreitung des Leak-Hinweises eingesetzt worden zu sein.
Radio FM4 des Österreichischen Rundfunks fasst die Untersuchungsergebnisse aus Washington denn auch mit den Worten zusammen: »Die ›MacronLeaks‹ sind eine rechtsextreme Desinformationskampagne […] Das als regierungsnah bekannte Atlantic Council weist Wahlhelfer des US-Präsidenten als Inszenatoren einer versuchten Beeinflussung der Präsidentschaftswahlen in Frankreich aus.«
Skandal!« schreien da die westlichen Medien vereint – oder doch nicht? Ist Wahlbeeinflussung, wenn sie nicht aus dem Osten kommt, kaum der Rede wert?
https://medium.com/dfrlab/hashtag-campaign-macronleaks-4a3fb870c4e8