»Und will, dass dem Gesetz Gehorsam sei« – so begründet der Kurfürst sein Todesurteil gegen den Prinzen von Homburg, der entgegen dem Abwarte-Befehl des Kriegsrats seine Reiterei in die Schlacht geführt und den Sieg gegen die Schweden errungen hat.
Seit Februar steht Heinrich von Kleists »Prinz von Homburg« in einer beachtenswerten Inszenierung auf dem Spielplan des BE – Claus Peymanns krönende Abschlussinszenierung, bevor er im Sommer das traditionsreiche Berliner Theater am Schiffbauerdamm nach siebzehn spektakulären Jahren verlässt.
Das hochdramatische Schauspiel Kleists bezieht sich auf Abläufe der Schlacht von Fehrbellin im Brandenburgischen 1675 gegen die Schweden. Der preußische Reitergeneral in der Armee des Großen Kurfürsten hat in einer Kampfpause, von Lorbeer, Freiheit und Liebe träumend, die strikten Anweisungen des Kriegsherren nur oberflächlich zur Kenntnis genommen. Dann, im Trubel des Kampfgeschehens blitzartig die Chance zum Erfolg erkennend, entscheidet er eigenmächtig über den Einsatz seiner Reiterei. Damit verstößt er gegen die ehernen Gesetze der preußischen Kriegführung. Ohne zu zögern fällt der Kurfürst sein Urteil, weil der Prinz gegen Pflicht, gegen Gehorsam und Hierarchien gehandelt hat.
Homburg – eindrucksvoll dargestellt von Sabin Tambrea – stürzt in tiefe Konflikte. Er schwankt zwischen Staatsraison, Lorbeerbegehren und Liebessehnsucht nach Prinzessin Natalie. Der Kurfürst (erhaben zurückhaltend Roman Kaminski) stellt ihm anheim: Könne der Prinz das Urteil für ungerecht halten, sei er begnadigt! Verzweiflung angesichts des unentrinnbaren Konflikts und Angst vor dem Tode führen Homburg zum Eingeständnis seiner Schuld. Entsprechend dem »heiligen Gesetz des Krieges«.
Das Offizierskorps erhebt seine Stimme zugunsten des Prinzen. Der vom Kurfürsten endlich doch begnadigte Prinz fällt bei Kleist in Ohnmacht. Tambrea steigt bei Peymann – wie bei Anbeginn der Aufführung – im Trance wiederum auf das Seil, das den Kriegsschauplatz, den Garten am Schloss und die Theaterbühne überspannt. Beim erneut einsetzenden Kanonendonner hängt der Prinz wie tödlich getroffen hoch droben in den Strängen. Auch Prinzessin Natalie findet den Tod.
Erneut brechen die Preußen auf in den Kampf …
Ein dramatischer Text des Heinrich von Kleist, der sich nur Monate später das Leben nahm. Eine dem Text gerecht werdende beeindruckende Aufführung eines guten Ensembles. Die schwarz-graue Bühnenschräge und dieses leuchtende, hinaufführende Hochseil – das ganze Stück hindurch (Bühne und Kostüme: Achim Freyer) – sind eindrucksvoll dem Anliegen des Schauspiels dienlich. Eine Abrechnung mit dem preußischen Militarismus. Mit unmenschlicher Staatsraison, mit Kadavergehorsam und Kriegsgesetz. Es gibt nichts zu lachen, es gibt auch nichts zu träumen! Auch wenn Peymann in der aktuellen BE-Inszenierung zum furiosen Ende aus Cat Stevens Song dröhnen lässt: »And if you want to be free, be free …« Und auch trotz – man kann es wohl nicht anders sagen – Beifall heischender Clownsnummer der Carmen-Maja Antonie als Obrist Kottwitz, der da schließlich auf die Frage: »Nein, sagt! Ist es ein Traum?« resignierend feststellt: »Ein Traum, was sonst?«
In der Aufführung, die ich besucht habe, war das Durchschnittsalter der Zuschauer – sie gingen aufmerksam und interessiert mit – über fünfundfünfzig. Es bleibt zu hoffen, dass auch in folgenden BE-Spielzeiten unter neuer Intendanz bei dem, »was die jungen Leute sehen wollen!« solide Schauspielkunst und glasklare Sprechkultur zu großen, konfliktgeladenen Texten den ihnen gebührenden Platz finden.