Attac Deutschland hat sich auf seinem Frühjahrsratschlag 2018 hauptsächlich mit zwei Projekten befasst, die aber inhaltlich zusammenhängen: mit der Vorbereitung des Europakongresses (5. bis 7. Oktober in Kassel) und einer für das Jahr 2019 geplanten Kampagne »Sozial-ökologische Transformation«.
Die Frage der Transformation zu einer solidarischen Gesellschaft wird heutzutage vor allem in der Partei Die Linke diskutiert – kontrovers. Bei attac verlief die Debatte eher in Form eines Brainstormings, bei dem Auseinandersetzungen nicht im Vordergrund stehen.
In einem Impulsreferat wurde zunächst der Ist-Zustand, das neoliberal ausgerichtete kapitalistische Wirtschaftssystem, skizziert: Die Biosphäre werde einerseits als Rohstoff- und andererseits als Abfalllager betrachtet. Die Protagonisten des Systems verspreche, dass aus wirtschaftlichem Wachstum allgemeiner Wohlstand resultiere. In der Realität könne davon nicht die Rede sein; die gesellschaftliche Ungleichheit werde verschärft, ebenso die ökologische Krise. Notwendig seien eine solidarische »Teilhabegesellschaft« und eine »gesellschaftsdienliche« Wirtschaft. Um beides zu erreichen, sei unter anderem die Privatisierung zu bekämpfen beziehungsweise durch Rekommunalisierung rückgängig zu machen. Der »Umbau« – ein anderes Wort für »sozial-ökologische Transformation« – müsse die Produktion, die Rekommunalisierung und die Frage seiner Finanzierung berücksichtigen.
Die nachfolgenden Beiträge gingen im Wesentlichen von zwei Fragen aus. Erstens: In welchen Bereichen besteht der größte Veränderungsbedarf beziehungsweise die beste Anknüpfungsmöglichkeit? Zweitens: Was kann getan werden, um auch diejenigen für die Veränderungspläne zu gewinnen, die von ihnen negativ betroffen sein könnten? Im Mittelpunkt stand dabei die Klimakrise. Nicht nur, dass sie bereits gegenwärtig einige Staaten in ihrer Existenz bedroht – sie zeigt sich auch in vielfältiger Gestalt.
Die geäußerten Meinungen ergeben folgendes Bild: Es reicht nicht aus, die Kohleförderung zu beenden. Neben der Energiewende muss es auch eine Verkehrs- und eine Agrarwende geben. Die Energiewende beinhaltet die Einschränkung des Verbrauchs an Ressourcen. Ressourcen werden aber durch den Erwerb und Konsum überflüssiger Güter vergeudet, die von der Werbung propagiert werden. Die Existenzberechtigung dieser Branche ist daher in Frage zu stellen. Die Konsumenten haben sicherlich eine Verantwortung, doch können sie das Problem nicht lösen, da die Kapitalisten ein Interesse an Verschleißproduktion haben. (Zum Irrweg, den Konsum als Hauptproblem darzustellen, vergleiche den Film »Die grüne Lüge«.) Schon an dieser Stelle wurde klar, dass die Entmachtung der Konzerne die Voraussetzung für die sozial-ökologische Transformation ist.
Der Agrarwende kommt eine doppelte Bedeutung zu: Versorgung und Ressourcenschonung. Dass die Versorgung ein Verteilungsproblem ist – nicht nur ein technisches, sondern ein politisches und soziales –, ist erwiesen. Die Ressourcenschonung erfordert einen Übergang von der industriellen zur bäuerlichen Landwirtschaft. Die industrielle Landwirtschaft erwirtschaftet mit 70 Prozent der Ressourcen nur 30 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Produktion!
Nicht zu übersehen ist auch die negative Rolle der Rüstungsproduktion – nicht nur in politischer (friedensbedrohender), sondern auch in ökologischer (Ressourcen verbrauchender) Hinsicht.
Dass die Entmachtung der Konzerne aber nicht allein aus den genannten Gründen notwendig ist, zeigt sich, wenn – wie zu fordern ist – die allgemeinen Menschenrechte für die Gestaltung der Ökonomie zugrunde gelegt werden; anders lässt sich das Recht auf Nahrung, Wasser und Gesundheit nicht durchsetzen. Die Entmachtung der Konzerne setzt aber eine Steuerpolitik voraus, die das Anlage suchende Kapital abschöpft. In denselben Zusammenhang gehört der bereits erwähnte Kampf gegen Privatisierung beziehungsweise für (Re-)Kommunalisierung.
Zur Verwirklichung der genannten Ziele sind Bündnisse nötig, vor allem sind die Beschäftigten für den beabsichtigten Umbau zu gewinnen, die durch diesen persönliche Nachteile befürchten. Es ist wichtig, den Gegner zu benennen und sich dabei einer klaren und verständlichen Sprache zu bedienen. Gleichzeitig ist es sinnvoll, die (wenigen) Erfolge zu würdigen, ja zu feiern – nicht zuletzt, um dem social cooling, dem allgemeinen Eindruck, gesellschaftliches Engagement sei sinnlos, entgegenzuwirken.
Eine andere Aufgabe betrifft die notwendige Aufklärung. Geht man aber davon aus, dass die Öffentlichkeit aufgeklärt sei, wäre die Aufgabe, die kognitive Dissonanz (vgl. Naomi Klein: »Die Entscheidung. Kapitalismus vs. Klima«, übers. von Christa Prummer-Lehmair, 2015), die zur Verdrängung der Probleme führt, bewusst zu machen und zu beseitigen. Zu diesem Zweck wäre es wichtig, bei den Jüngsten zu beginnen, also bei den Kindern in Kitas und Schulen, in der Hoffnung, auf diese Weise auch die Eltern erreichen zu können, denen ihre Verpflichtung gegenüber der nachwachsenden Generation bewusst gemacht werden könnte. Ansonsten gilt nach wie vor: global denken, lokal handeln. Im Landkreis Vechta könnte das beispielsweise die Massentierhaltung und ihre Auswirkung auf die Qualität des Grundwassers betreffen, im Aachener Raum den Braunkohleabbau, in schlechten Wohnlagen an vielbefahrenen Straßen die Feinstaubbelastung mit ihren sozial einseitigen Auswirkungen.
All diese Aktivitäten ermöglichen und erfordern aber auch, das Thema »Europa« einzubeziehen. Von daher könnte der Europakongress der Beschäftigung mit der Frage der sozial-ökologischen Erneuerung zusätzlichen Schwung verleihen.
Vor allem, wenn es darum geht, die potentiellen Verlierer für den ökologischen Umbau zu gewinnen, werden die Gewerkschaften wichtige Bündnispartner (zum Beispiel IG Metall im Bereich der Rüstung, IG BCE im Bereich des Braunkohleabbaus). Hier wird einerseits das Konzept der Konversion (vor allem im Bereich der Rüstung), andererseits der Arbeitszeitverkürzung wichtig. Bei attac gibt es eine bundesweite AG »ArbeitFairTeilen«, die sich zu diesem Thema seit Längerem Gedanken macht. In diesem Zusammenhang wurde die von attac Frankreich, Greenpeace und den dortigen Gewerkschaften propagierte Kampagne »1 Mil-lion Arbeitsplätze für das Klima« (siehe https://france.attac.org) genannt, allerdings auch vor Illusionen gewarnt: Wie die Durchsetzung der Kampagne für die »30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich« erfordert sie intensive Ausein-andersetzungen mit den Kapitalisten.
Die genannten Vorschläge können sicher nicht beanspruchen, umfassend oder besonders originell zu sein. Es ist aber attac gelungen, die Komplexität des Themas »sozial-ökologische Transformation hin zu einer solidarischen Gesellschaft« und damit zugleich die Wichtigkeit und Schwierigkeit des Prozesses, dieses Konzept voranzubringen, bewusst gemacht zu haben. In einer Situation, die sich im privaten Bereich mit dem Stoßseufzer »Ich weiß gar nicht, was ich zuerst tun soll. Man kann ja doch nichts machen.« ausdrücken würde, ist es wichtig, zu wissen, wo man steht. Hierfür kann der kollektive Reflexionsprozess des attac-Frühjahrsratschlags hilfreich sein.