»Wir können nicht die im Iran-Geschäft engagierte deutsche Wirtschaft vor den US-Sanktionen schützen.« Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Außenminister Heiko Maas geben sich machtlos. Kanzlerin Merkel, alternativlos: Trumps rechtswidrige Aufkündigung des Vertragswerks mit Iran »beschädigt das Vertrauen im internationalen Umgang«.
Die journalistische Hammelherde in den korporierten Massenmedien referiert die vermeintliche Hilf- und Ratlosigkeit des politischen Establishments und bohrt nicht nach. Keiner kommt auf die Idee, einmal wirklich sämtliche Handlungsoptionen der Europäer zu ermitteln und aufzulisten. Es gibt keine offene Debatte über alle Mittel der Gegenwehr. Regierung und Parlament diskutieren nicht.
Man hätte doch gar zu gern erfahren, was Trumps völkerrechtswidrigen Abenteuern entgegenzusetzen wäre – und warum unsere politische Kaste davor kneift. Der Informationsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bleibt trotz der Dringlichkeit dieser Fragen unbeachtet.
Wie wäre es, eine Klage bei der Welthandelsorganisation gegen den US-Vertragsbruch vorzubereiten? Washington hat bereits erste sanktionsbewehrte Verbote von Geschäften mit Iran gegen europäische Konzerne ausgesprochen (Airbus-Industries ist zum Beispiel davon betroffen). Wie darauf antworten?
Erstens: Einbestellung des neuen US-Botschafters Richard Grenell. Der Mann mit der anrüchigen Vergangenheit hatte, kaum war er in Berlin akkreditiert, von der deutschen Wirtschaft verlangt, sofort ihre Geschäfte mit dem Iran abzubrechen.
Zweitens: Schrittweise Aufhebung der deutschen und der EU-Sanktionen gegen Russland bis zur vollständigen Normalisierung.
Drittens: Ein Gesetz zur knackigen Besteuerung von US-Konzernen, die bisher in der BRD zwar ein Milliardengeschäft machen, jedoch fast keine Steuern zahlen (Starbucks, General Motors, Microsoft, Apple, Amazon, Google, Facebook …).
Da anzunehmen ist, dass die US-Regierung mit gesteigerter Aggressivität regiert, weil sie praktischen Widerspruch aus Berlin nicht kennt, wären weitere Maßnahmen zu entwickeln. Mit dem festen Vorsatz, den Kriegs- und Aggressionskurs der USA gegenüber dem Rest der Welt endlich zu verlassen und eine geopolitische Neuorientierung einzuleiten:
Erstens: Rückzug aus der militärischen Zusammenarbeit in der NATO (wie einst von Frankreichs Charles de Gaulle vorexerziert). Er wäre unverzüglich möglich und könnte, falls Washington die feindselige Wirtschaftspolitik gegen Deutschland beibehält, in einen deutschen Austritt aus der NATO münden. Würde uns Washington den Krieg erklären und Invasionstruppen schicken? Wer glaubt sowas noch?
Zweitens: Sperrung der Satelliten-Relaisstationen in Ramstein und an anderen US-Basen in Deutschland, von denen aus die USA ihren völkerrechtswidrigen und verbrecherischen Drohnenkrieg steuern. Sperrung des deutschen Luftraums für die Kriegseinsätze der US-Air-Force.
Drittens: Schließung des US-Atombombendepots in Büchel. Die Bundesregierung duldet diese Stationierung und hat sogar vertraglich geregelt, dass die Bundesluftwaffe im Kriegsfall ihre Trägersysteme samt Besatzungen für Atombombenflüge zur Verfügung stellt. Damit verstößt sie effektiv gegen das Grundgesetz und den Atomwaffensperrvertrag.
Viertens: Erklärung aller hier akkreditierten US-Geheimdienstler und des US-Militärattachés zu »unerwünschten Personen« und sofortige Ausweisung. Erfassung, Kontrolle beziehungsweise Neutralisierung aller Kommunikationsstränge der in Deutschland tätigen US-Geheimdienste nebst intensiver Spionageabwehr. Die Schnüffelpraxis der NSA und die zahlreichen Gesetzlosigkeiten, die sich beispielsweise die CIA in Deutschland erlaubt, wären Grund genug für entschieden rechtsstaatliches Vorgehen.
Fünftens: Beendigung der faktischen Exterritorialität der militärischen Anlagen der USA in Deutschland.
Sechstens: Aufkündigung des Stationierungsabkommens von 1954 (Aufenthaltsvertrag), das vor allem den Militärs der USA und Großbritanniens den Status von Besatzern gewährt. Aufforderung an die USA, ihre Truppen (derzeit 37.000 Soldaten) abzuziehen.
Siebtens: Rückzug der Bundeswehr (BW) aus allen militärischen Engagements außerhalb unserer Landesgrenzen. Zu allererst Abbruch der Einsätze in Nahost, im östlichen Mittelmeer und in Afghanistan. Umwandlung der BW in eine reine Verteidigungsstreitmacht, die innerhalb der deutschen Landesgrenzen verbleibt.
Achtens: Erklärung der Neutralität Deutschlands nach den Vorbildern Österreich, Schweden, Finnland, Schweiz.
Neuntens: Steuerliche Entlastung aller deutschen Unternehmen für eine Übergangszeit, in der ihnen von den US-Sanktionen Nachteile erwachsen. Einführung einer Vermögenssteuer auf das private Geldvermögen zur staatlichen Refinanzierung der Konversion der deutschen Wirtschaft: weg vom Gängelband der USA und hin zu einer alternativen und fairen Außenwirtschaft.
Utopisch? Die Wirtschaftsmacht USA ist vollkommen marode, der Staat billionenfach verschuldet, Trump ist nicht allmächtig. Selbst Nordkorea hat ihm schon seine Grenzen aufgezeigt. Großbritannien hat gerade trotz aller US-Drohungen ein umfangreiches Abkommen mit dem Iran zur Exploration neuer Ölfelder getroffen.
Gefährlich? Es ist daran zu erinnern, dass die Sowjetunion vertragstreu (2+4-Vertrag) alle ihre Soldaten und militärischen Einrichtungen aus Deutschland abzog. Die gesamte deutsche »Verteidigungspolitik« bezieht sich auf eine russophobe Chimäre, gipfelnd in dem bösartigen Anspruchsdenken, dass »unsere Demokratie auch am Hindukusch verteidigt werden« müsse. Würde der deutsche Militärhaushalt, wie von den USA verlangt, auf den Umfang von zwei Prozent des Bruttosozialprodukts erweitert – 75 Milliarden Euro! – dann wäre er größer als der russische (derzeit 68 Milliarden US-Dollar). Das gab es vordem nur zu Hitlers Zeiten. Aus solchem Albtraum, personifiziert von einer Ministerin van der Leyen, sollten wir endlich erwachen.
Die Auflistung ist selbstredend willkürlich, unvollständig und folgt noch keiner logischen Inhärenz. Geben wir uns aber nicht der Illusion hin, dass das Berliner Kabinett überhaupt zu irgendeiner emanzipatorischen Politik auch nur gedanklich bereit wäre. Die edle Merkel-Maas-Runde ist stets nur auf der Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Karo.
Im GroKo-Kabinett sind Abnicker auf hypertrophen Aussitzer-Hintern gefragt. Vor allem die Unterwerfung unter die Interessen einer deutschen Exportwirtschaft, die dreifach höhere Profite im Geschäft mit den USA erzielt als mit Russland und Iran. Berlin will nicht wahrhaben, dass die wirtschaftliche Zukunft Europas im Handel mit Asien liegt, in der Zusammenarbeit mit Russland, China, Iran, Indien ...
Aber eine Illusion wollen wir uns doch bewahren: Dass unsere öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten einmal ihrem Informationsauftrag gerecht werden – indem sie unter Einbeziehung fachlich ausgewiesener Sachkenner sämtliche Optionen einer emanzipatorischen deutschen Politik ermitteln, sie erläutern und unser politisches Funktionspersonal in Berlin mit der Frage konfrontieren: Warum lasst ihr, statt den »Nutzen des deutschen Volkes (zu) mehren und Schaden von ihm (zu) wenden« – der Amtseid –, unser Land eine US-Kolonie bleiben?