In ihrer fulminanten Regierungserklärung nach ihrer Wiederwahl zur Bundeskanzlerin hat Angela Merkel das gewichtige Wort »Zusammenhalt« 13-mal gebraucht. Aus gutem Grund, denn »die Sorgen um den Zusammenhalt unserer Gesellschaft [sind] größer geworden, den Zusammenhalt der Älteren und Jüngeren, von Ost und West, Stadt und Land, von Menschen, die über Generationen hier leben, und denjenigen, die als Migranten und Flüchtlinge zu uns gekommen sind«. Zugleich stellt sie am Schluss ihrer Ausführungen voller Stolz fest, dass unsere »Gesellschaft … menschlicher geworden [ist], Spaltungen und Polarisierungen konnten verringert, vielleicht sogar überwunden werden, und Zusammenhalt ist neu gewachsen«.
Wunderbar hat sie das gesagt. In der Tat, der gewachsene »Zusammenhalt«, also die Eintracht und die Harmonie in der Bundesrepublik sind nahezu beispiellos in Europa, ja in der Welt. Nur ewig gestrige Nörgler versuchen immer wieder, das Bild zu trüben. Sie schrecken nicht davor zurück, die Reichen gegen die Armen auszuspielen und behaupten, die Kluft zwischen Arm und Reich in Deutschland werde immer größer. Rechthaberisch verweisen sie auf den im März dieses Jahres veröffentlichten Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, wonach die Armut in Deutschland auf einen neuen Höchststand von 15,7 Prozent angestiegen sei. Alarmierend sei, so der Bericht, vor allem die Armutsentwicklung bei Rentnerinnen und Rentnern. Ihre Armutsquote sei zwischen 2005 und 2015 von 10,7 auf 15,9 Prozent und damit um 49 Prozent gestiegen. Aber die Querulanten vergessen mitzuteilen, dass der Hauptgeschäftsführer des Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, ein halber Kommunist, nämlich Mitglied der Partei Die Linke ist. Das sagt ja wohl schon alles über den Wert solcher Analysen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Armutsbericht unter Mitwirkung weiterer Verbände und Fachorganisationen erarbeitet wurde, darunter die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe, der Deutsche Kinderschutzbund, der Bundesverband für Körper- und Mehrfachbehinderte, die Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie sowie Pro Asyl. Deren Recherche kann allein schon deswegen nicht stimmen, da niemand Geringeres als die Kanzlerin festgestellt hat, Deutschland gehe es so gut wie lange nicht.
Aber die unbelehrbaren Kritikaster und Neidhammel geben keine Ruhe. Sie führen vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ermittelte Angaben ins Feld, wonach die 45 reichsten Haushalte in Deutschland so viel wie die ärmere Hälfte der Bevölkerung besitzen. Zudem nennen sie auch noch die Namen der Milliardäre, die in der Regel aus verständlichen Gründen die Öffentlichkeit scheuen. An der Spitze stünden Beate Heister und Karl Albrecht jr., Essen (Netto-Vermögen: 26,6 Milliarden Euro), Georg Friedrich Schaeffler, Herzogenaurach (22,4 Milliarden Euro), Susanne Klatten, Bad Homburg vor der Höhe (20,4 Milliarden Euro), Theo Albrecht jr., Essen (17,5 Milliarden Euro), Stefan Quandt, Frankfurt am Main (17,4 Milliarden Euro). Na und? Schließlich haben die Superreichen oder ihre Vorfahren auch einmal klein angefangen! Deshalb ist es nur recht und billig, dass unser Staat sie nicht mit einer Vermögenssteuer behelligt. Und übrigens, niemand verwehrt es den Beziehern von Hartz IV, den Buckel krumm zu machen und das Ruder herumzureißen. Schon im alten Rom wusste man: Fabrum esse suae quemque fortunae – jeder ist seines Glückes Schmied.
Mit Vorliebe kritisieren die Schmähredner die angeblich zu hohen Einkommen der Chefs der Dax-Konzerne, die im vergangenen Jahr so viel verdienten wie nie zuvor. Allein fünf dieser Konzernchefs bezogen 2017 zehn Millionen Euro und mehr. Spitzenreiter war der SAP-Chef Bill McDermott, er erhielt 21,1 Millionen Euro. Auf dem letzten Platz der Vergütungsrangliste liegt der RWE-Chef Rolf Martin Schmitz. Er musste sich mit lediglich 2,82 Millionen Euro begnügen. Nicht schlecht verdienten dagegen Dieter Zetsche, Chef des Autobauers Daimler, der scheidende Vorstand des Chemiekonzerns BASF, Kurt Bock, Siemens-Chef Joe Kaeser und Volkswagen-Ex-Chef Matthias Müller. Sie durchbrachen die Schallmauer von zehn Millionen Euro. Die Kritiker solcher Jahreseinkommen vergleichen diese mit den Durchschnittslöhnen von Ingenieuren und Facharbeitern und beklagen die Unterschiede. Als Beispiel nennen sie die Daimler AG, in der der Chef 196-mal mehr als ein Ingenieur verdient. Ihre Neiddebatte auf die Spitze treibend, bezeichnen sie die Spitzengehälter der Manager als einen Skandal sondergleichen und gar als »asoziale Einkommen«, wobei sie sich auf die Definition des Duden berufen, laut der asozial auch bedeutet »die Gemeinschaft, Gesellschaft schädigend«. Völlig unterschätzen sie dabei die ungeheure Verantwortung, die auf den Schultern der Spitzenverdiener lastet. Hat doch der VW-Ex-Chef Matthias Müller erst kürzlich geklagt, dass man als Konzernchef »immer mit einem Fuß im Gefängnis steht«.
Wohin es führt, wenn Führungskräfte in der Wirtschaft unterbezahlt werden, zeigte die DDR zur Genüge. Die Spanne zwischen niedrigstem und höchstem Einkommen betrug, von wenigen Ausnahmen abgesehen, 1 zu 7. Zum Beispiel hatte der Generaldirektor des volkseigenen Kombinats Schiffbau Rostock wie seine Kollegen in den anderen 120 Kombinaten ein Brutto-Monatsgehalt zwischen 2850 und 3500 Mark. Dabei war er Chef eines Unternehmens, das Ende der 1980er Jahre 56.000 Beschäftigte zählte, bei Fischfangschiffen den ersten und bei Stückgutfrachtern den zweiten Platz im Weltschiffbau belegte und dessen Erzeugnisse zu 90 Prozent exportiert wurden. Auf die Dauer konnte das mit den niedrigen Gehältern nicht gutgehen.
Der ökonomische Rückstand der DDR gegenüber der BRD lag demnach nicht, wie Uneinsichtige immer wieder behaupten, an den weitaus größeren Kriegszerstörungen, der ererbten äußerst schwachen Energiebasis und Grundstoffindustrie, den immensen Reparationsleistungen für ganz Deutschland, der erzwungenen Einbindung in das ökonomisch und technologisch weit zurückliegende osteuropäische Wirtschaftssystem. Ebenso wenig war die Ursache in den Handelsdiskriminierungen und -sanktionen seitens der BRD und ihrer Verbündeten, der gezielten Abwerbung von Facharbeitern und Spezialisten sowie der Embargopolitik im Bereich der Hochtechnologie zu suchen. Der entscheidende Grund waren die extrem niedrigen Gehälter der Kombinatsdirektoren und anderer Industriekapitäne. Die exorbitanten Bezüge der Chefs der Dax-Konzerne beweisen es. Wer sie aus lauter Neid kritisiert, versündigt sich. Wie heißt es doch in der Bibel? »Ein gütiges Herz ist des Leibes Leben; aber Neid ist Eiter in den Gebeinen« und »denn wo Neid und Zank ist, da ist Unordnung und eitel böses Ding.«
Auch die nach 28 Jahren immer noch neuen Bundesbürger sollten gemeinsam mit den alten die Frontmänner der deutschen Wirtschaft nicht wegen deren Millionenbezüge kritisieren oder gar beschimpfen. Im Gegenteil, denjenigen, die das deutsche Kapital auch in stürmischen Zeiten auf Erfolgskurs halten, gebührt der innigste Dank unseres in jüngster Zeit wieder so häufig beschworenen deutschen Heimatlandes.