Er ist die größte öffentlich-rechtliche Stiftung des Bundes: der »Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung«. Am 16. Juni 2017 trat das Entsorgungsfondsgesetz in Kraft, mit dem der Fonds errichtet wurde.
Der Atomfonds, wie er allgemein genannt wird, ist das Ergebnis eines Kompromisses zwischen Energieversorgern und Bundesregierung. Unter der Leitung des ehemaligen Umweltministers Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen) wurde ausgehandelt, dass die Stromkonzerne für die Stilllegung und den Rückbau der Kernkraftwerke sowie die Verpackung der radioaktiven Abfälle verantwortlich sind. Die Verantwortung für Zwischen- und Endlagerung des Atommülls hingegen ist mit einer einmaligen Zahlung von 24,1 Milliarden Euro durch die Konzerne auf den Bund übergegangen.
Die Trittin-Kommission sah einen Kapitalbedarf von 48,8 Milliarden Euro für die Zwischenlagerung und die Endlagerung. Allerdings errechneten die Wirtschaftsprüfer von Warth & Klein im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums schon im Jahr 2016, dass sich die Gesamtkosten für den Rückbau der Atomkraftwerke und die Atommülllagerung auf 169,8 Milliarden Euro summieren könnten. Da klafft eine erhebliche Finanzierungs- und Erklärungslücke.
Das Standortauswahlgesetz (StandAG) hat einen ambitionierten zeitlichen Rahmen für die Endlagersuche gesetzt. Bis zum Jahr 2050 soll ein Endlager für hochradioaktive Abfälle startklar sein. Bis zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme, aber auch während der unterstellten 50-jährigen Betriebs- und anschließenden Nachbetriebszeit fallen enorme Kosten an. Kommen diese Termine, wie zu erwarten ist, ins Rutschen, steigen zugleich auch die Kosten für die oberirdische Zwischenlagerung der Abfälle, für die die bundeseigene Gesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) zuständig ist; inzwischen ist nicht mehr von 40 Jahren, sondern von 100 Jahren Zwischenlagerung auszugehen. Die BGZ managt seit Beginn des Jahres 13 Zwischenlager für hochradioaktive Abfälle – die dezentralen wie Ahaus und Gorleben und die Lager an elf Atomkraftwerken. Hinzu kommen ab 2020 die zwölf Lager mit schwach- und mittelradioaktiven Abfällen. Eine gesonderte Rolle spielen die Lagerstätten in Lubmin, die vom Finanzministerium finanziert werden, eine Folge der Wendezeit, in der der Kraftwerkskomplex »Bruno Leuschner« von der Treuhand übernommen wurde.
Wer zahlt also am Ende die Zeche für die Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle, die Betriebs- und Nachbetriebsphase die Zwischenlagerung atomarer Abfälle? Und: Gibt es überhaupt eine längerfristige, solide Finanzplanung für die Lagerung des Atommülls?
Ein Anlageerfolg beim Atom-Entsorgungsfonds will sich nämlich bisher nicht einstellen. Sowohl auf der Aktien- als auch auf der Anleiheseite verzeichnete das prestigeträchtige Portfolio 2018 ein sattes Minus. Das gehe aus einem Bericht des Bundeswirtschaftsministeriums hervor, berichtete der Berliner Tagesspiegel. Bis zum Jahresende verloren die Aktien im Fonds demnach 8,6 Prozent an Wert. Bei den Anleihen waren es im selben Zeitraum 3,2 Prozent.
Ein Grund für die schlechten Zahlen ist demnach die anhaltende Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB).
Allein 2018 musste der Atomfonds, der von Anja Mikus – der langjährigen Star-Fondsmanagerin in Diensten von Allianz Global Investors und Union Investment – gelenkt wird, rund 125 Millionen Euro an Negativzinsen an die Bundesbank respektive die EZB überweisen. Dennoch blicken Fondsverwalter zuversichtlich in die Zukunft: »Mittlerweile haben sich die Märkte erholt und die Anlagen des Entsorgungsfonds an Wert zugenommen«, heißt es in dem Bericht. Der Fonds habe die aktuelle Situation genutzt, um günstigere Einstiegspreise für weitere Investitionen zu erreichen.
Da es keine Nachschusspflicht der Stromkonzerne gibt, wird die Ausgestaltung der Endlagersuche, aber auch die notwendige Forschung am Ende von Haushaltsberatungen der Parteien bestimmt, und bei einer klammen Kasse wird es unglaubliche Verteilungskämpfe geben. Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) fürchtet eine »Endlagersuche light« – ohne die Möglichkeit von Rücksprüngen, ohne eine breit angelegte untertägige Untersuchung mehrerer Standorte in der Schlussphase – und natürlich die Gefahr, dass auf das Bergwerk im Salzstock Gorleben jederzeit wieder zurückgegriffen werden kann.
Entsprechende Fragen hat die BI an das Bundesumweltministerium (BMU) und die Verwalter des Atomfonds gerichtet, aus Sorge, dass die 24,1 Milliarden Euro, die die Atomstromkonzerne in den Fonds eingezahlt haben, vorn und hinten nicht reichen.
Jährlich werde akribisch ermittelt, welche Kosten für die Endlagersuche beim Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE), bei der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) und der bundeseigenen Gesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) anfallen, betont hingegen die BMU-Administration. Diese Gelder würden jährlich verauslagt.
Alexander Quekwer (BMU) schreibt unter Bezug auf den Gesetzestext: »Am Ende eines Haushaltsjahres ermittelt das BfE über eine entsprechende Kosten-Leistungs-Rechnung, welche der ihr bei der Aufgabenwahrnehmung entstandenen Kosten refinanzierbar sind (z. B. Kosten für das Standortauswahlverfahren) und welche nicht refinanzierbar sind (z. B. bloße Unterstützungstätigkeit für das BMU). Die jeweilige Refinanzierbarkeit einer Aufgabe ergibt sich aus dem StandAG.«
Eine längerfristige Planung, die über eine fünfjährige Finanzplanung des Bundes hinausgeht, gibt es offensichtlich nicht. Quekwer: »Der BfE-Haushalt und die für die Aufgabenwahrnehmung von BGE und BGZ veranschlagten Haushaltstitel sind unmittelbarer Bestandteil des jeweils vom Deutschen Bundestag verabschiedeten Bundeshaushalts und der fünfjährigen Finanzplanung des Bundes.«
Vor diesem Hintergrund erscheint die Prognose, dass das Geld beispielsweise für eine vergleichende Endlagersuche inklusive einer untertägigen Erkundung weiterer Standorte neben Gorleben ausreiche, kühn. Ein klammer Finanzierungsspielraum hat weitreichende Konsequenzen: für die finanzielle Ausstattung und wissenschaftliche Beratung von Kommunen, Umweltgruppen und Einzelpersonen, die in Partizipationsverfahren eingebunden werden und um Augenhöhe kämpfen müssen, um ihre Rechte wahrnehmen zu können; für die Endlager- und Zwischenlagerforschung und für die Fairness bei der Endlagersuche schlechthin.
Deshalb hakt die BI nach und fragt das Bundesumweltministerium, ob die beteiligten Behörden und bundeseigenen Firmen BfE, BGE und BGZ überhaupt aufgefordert worden sind, eine Abschätzung vorzulegen, welche Kosten bei der Zwischenlagerung bis zu Beginn einer Endlagerung und welche Kosten bei einer vergleichenden Endlagersuche bis zur Inbetriebnahme eines Endlagers entstehen könnten.
Das Thema ist Gegenstand einer Ringvorlesung am 5. Juni in der Freien Universität Berlin: »Ökonomie der Endlagerung – wer zahlt die Zeche?«, Diskussion mit Jürgen Trittin, Prof. Dr. Claudia Kemfert, Ort: Seminarzentrum, Zeit: 17–19 Uhr.