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Endlagersuche: Vorentscheidende Phase  (Wolfgang Ehmke)

Auf Drängen des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) wird die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) – ein bundeseigenes Unternehmen, das mit der Endlagersuche betraut ist – am 17. Oktober ihren vorentscheidenden Bericht präsentieren. Der Raum dafür ist schon gebucht, und angesichts der Corona-Pandemie wird es wohl auf eine »Hybrid«-Veranstaltung hinauslaufen, also eine Mischung aus Präsenz- und Online-Beteiligung. Dieser BGE-»Zwischenbericht« hat Sprengkraft, denn es werden erstmalig Gebiete aussortiert, die für die Atommüllendlagerung nicht in Frage kommen. Im Gegenzug werden Teilgebiete benannt, die näher auf ihre Eignung untersucht werden sollen. Alle Appelle, zu Corona-Zeiten die Vorlage des Berichts um sechs Monate zu verschieben, um der interessierten Öffentlichkeit, Kommunen und Verbänden eine »Einlesezeit« zu gewähren, blieben damit ohne Erfolg.

 

 

Grundlagen für den Zwischenbericht

Gesucht wird ein »bestmöglicher« Standort für die Lagerung hochradioaktiver Abfälle. Das provoziert schon einen ersten Zwischenruf. Denn das Gesetz ebnet eigentlich einer anderen Strategie den Weg, nämlich an einem prospektiven Standort für hochradioaktive Abfälle auch schwach- und mittelaktive Abfälle – wenn auch in zwei getrennten Bergwerken – zu lagern, und das hätte für den umstrittenen Auswahlprozess erhebliche Folgen: allein von der benötigten Fläche und erst recht von den Sicherheitsbetrachtungen her.

 

Doch zurück zum »bestmöglichen« Standort: Im zugrundeliegenden Gesetzestext, dem Standortauswahlgesetz (StandAG), wird das etwas anders genannt, dort wird eine Klassifizierung vorgenommen, die von »günstig« über »bedingt günstig« bis »weniger günstig« reicht. Bei der Auswahl der ungeeigneten beziehungsweise »günstigen« Teilgebiete sind von der BGE verschiedene Kriterien anzuwenden, die im StandAG vorgegeben werden. Das sind zum einen die Ausschlusskriterien (zum Beispiel Vulkanismus, Erdbebengefahr, Störungszonen oder Schädigung durch Bergbau und Bohrungen) sowie die Mindestanforderungen an das Wirtsgestein (Mächtigkeit, Tiefe et cetera). Darüber hinaus müssen im ersten Verfahrensschritt aber auch die sogenannten geowissenschaftlichen Abwägungskriterien zur Anwendung gebracht werden. Ob über Salzgestein eine durchgängig wasserabschirmende Tonschicht vorhanden ist, ist so ein Abwägungskriterium. Fehlt diese, fiele der Standort unter die Rubrik »weniger günstig«.

 

 

Ausweisung von Teilgebieten umkämpft

Bereits im Dezember 2019, während der von der BGE ausgerichteten »Tage der Standortauswahl« in Braunschweig, wurde deutlich, dass die Teilgebiete, die im Anschluss näher unter die Lupe genommen werden, zunächst weit gefasst werden sollen. So weit, dass nicht sofort an möglichen Standorten Alarm geschlagen wird? Das BASE sieht in dem Zwischenbericht sogar nur »eine Momentaufnahme des Arbeitsstandes der BGE«. Es sei »keine Feststellung von Regionen, die weiter in der Betrachtung bleiben bzw. herausfallen. Er ermöglicht vielmehr erstmalig die fachliche Diskussion an den konkreten Ergebnissen der Erhebung.« Sollen damit zu erwartende Proteste unterlaufen werden? Im Gesetz, dessen Hüter das BASE sein sollte, steht nämlich, dass in diesem Verfahrensschritt die BGE anhand von »geowissenschaftlichen Anforderungen und Kriterien Teilgebiete ermittelt, die »günstige« Voraussetzungen für die sichere Endlagerung erwarten lassen.

 

Eine Fachkonferenz Teilgebiete hat danach sechs Monate Zeit, um auf drei Sitzungen eine Stellungnahme zum Zwischenbericht abzugeben. Das ist der erste formale »Beteiligungsschritt« bei der Endlagersuche. Diese Stellungnahme wird von der BGE »berücksichtigt«, so steht es im Gesetz. Eine Formulierung, die den nächsten Zwischenruf provoziert: Sie ist aus juristischer Sicht so schwach, so wenig kontrollierbar, dass grundsätzliche Zweifel an einer vorgeblich gewollten Partizipation der Öffentlichkeit angebracht erscheinen. Schließlich schlägt die BGE dann konkrete Standorte vor, die erkundet werden sollen; der Bundestag muss sich mit den Vorschlägen befassen und sie per Gesetz beschließen.

 

Vieles ist derzeit noch ungeklärt: die Zahl der Teilgebiete und deren Zuschnitt, auch die Verfahrensfragen. Wie sollen kommunale Vertreter*innen, Menschen aus Umweltverbänden und Bürgerinitiativen auf Augenhöhe mit Behördenvertreter*innen und Wissenschaftler*innen den Diskurs führen, ohne untergebuttert zu werden? Nur in einem Bundesland weiß man jetzt schon, was Sache ist. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder erklärte, in Bayern gebe es keine geeigneten Gesteinsformationen für eine Untertagedeponie. Im Koalitionsvertrag von CSU und Freien Wählern heißt es sogar: »Wir sind überzeugt, dass Bayern kein geeigneter Standort für ein Atomendlager ist.«

 

Gorleben im Gesetzestext

Der Salzstock Gorleben-Rambow blieb bekanntlich nur im Suchverfahren, weil sonst das StandAG nicht mit der breiten Zustimmung durch die Unionsparteien, die SPD und Bündnis 90/Die Grünen zustande gekommen wäre. Der Umgang mit dem bisherigen Standort Gorleben wird im § 36 StandAG beschrieben: Er kann demnach in jeder Stufe des Auswahlverfahrens herausfallen, also auch schon in der ersten Stufe.

 

Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg listet deshalb die geologischen Schwachpunkte des Salzstocks Gorleben-Rambow auf: Gegen dessen Eignung spreche zum einen eine »aktive Störungszone«. Dazu gehört auch der Rambower See in Brandenburg, ein Einbruchsee auf der anderen Elbseite. Geologisch gesehen handelt es sich dabei um eine »holozäne Subrosionssenke«. Diese liegt zentral in einer durch Störungen begrenzten tektonischen Grabenzone. Darüber hinaus gab es vor Ort eine Vielzahl von »Bohrungen«, die nichts mit der Endlagersuche zu tun hatten: in der Zeit des »Kalifiebers« vor 100 Jahren, im Rahmen der Suche nach Gas und Öl nach 1945 und im Zusammenhang mit hydrogeologischen Untersuchungen. Bohrungen eröffnen Wasserwege, über die radioaktive Partikel in die Biosphäre gelangen können. Schließlich fehlt ein Wasser abschirmendes Deckgebirge über dem Salzgestein, rund 7,5 Quadratkilometer groß ist das Loch über dem Salzstock Gorleben-Rambow, der ansonsten durch Ton abgedeckt wird. Kein Wunder, dass im Wendland die Erwartung wächst, dass Gorleben schon im Herbst bei der Endlagersuche herausfällt. Die Hoffnung stirbt zuletzt!