Dem Schattenland meiner Albträume, die du auch mit p schreiben darfst, falls du den Duden- (sprich: dudenduden) Ausgaben vergangener Jahre gehorchen willst, werde ich nie entrinnen können. Die Jahre vergehen, aber die Duden bleiben bestehen und befehlen dir, wie die »Angehörigen einer mittelalterlichen häretischen Gruppe in Südfrankreich« in geschriebener und gedruckter Form auszusehen haben. Nämlich so: Albigenser.
Die schwarzen Schatten meiner politischen Vergangenheit sind rote Schatten, weil sie von einer Organisation geworfen werden, der ich in den Zeiten des kommunistisch-bolschewistischen Terror-Regimes angehörte. Von diesem T.-R. scheinen auch manche Äußerungen des Dr. Gregor Gysi angehaucht zu sein, obwohl Dr. G. G. zu den Zeiten des oben erwähnten T.-R. noch gar nicht geboren war.
Aber ich.
Demzufolge müssen nicht nur das T.-R., sondern auch Dr. G. G. und ich so bald wie möglich aufgearbeitet werden. Manche Begriffe sind undeutlich. Man kann etwas auch abarbeiten. Zu den Skatbrüdern meines Opas gehörte ein gewisser Tute Lehmann. Von Beruf Polsterer. Tutes Werkstatt, also Workshop, war Tutes Keller. Dort arbeitete Meister Lehmann durchgelegene Sofas auf. Nach getaner Aufarbeitung testete Tute die Sofas, indem er so lange auf ihnen schlief, bis sie wieder genau so aussahen und quietschten wie vor der Aufarbeitung.
Einer der führenden Aufarbeiter in Berlin und Umgebung ist, wie es scheint, der frühere Pastor Eppelmann, welcher der »Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur« vorsteht. Möglicherweise gibt es in den Büros dieser Stiftung eine Akte mit den Namen der historischen Sündenböcke, welche bevorzugt in einem Eilverfahren durch die Aufarbeitungsmühle gedreht werden sollten.
Nachdem mich die Stiftung mit Informationsdrucksachen und Einladungen zu Vorträgen, Ausstellungen, Teestunden und Debatten nahezu maßlos überversorgt hatte, sandte ich unvorsichtigerweise Herrn Eppelmann und seinen Polsterer-Kollegen die folgende Mitteilung:
»An die Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Otto-Braun-Straße 70-72, 10178 Berlin. – Ich möchte keine Einladungen mehr erhalten, da ich aus gesundheitlichen Gründen denen kaum folgen könnte. (Gez.) Kusche.«
So weit, so gut: Die Stiftungspost ebbte ab.
Indes das Pflichtbewußtsein der Kämpfer an der ominösen SED-Front dürfte nicht erloschen sein, solange die Stiftung noch mit Mitteln versorgt wird.
Und in diesem Falle stoßen die rastlosen Investigatoren in der Otto-Braun-Straße womöglich doch auf meine Schuld aus früheren Tagen, so daß ich diese nicht weiter verheimlichen, sondern die ganze Sache offen zugeben will.
In jenen Jahren hielt ich mich in einer Siedlung am Rande der damaligen »Hauptstadt der DDR, Berlin« auf. Vor meinem bescheidenen Quartier befand sich ein unbepflanzter »Vorgarten«, etwa zehn Meter mal anderthalb Meter. Ein kleines Stückchen Ödland sozusagen.
»Da würden sich ein paar Blümchen, bodenbedeckende Zierpflänzchen und so was hübsch ausnehmen«, riet der Nachbar, »aber erst muß der Boden umgegraben, gelockert und mit Torfmull aufgewertet werden!« Er sagte mir auch, daß ich Torfmull in der Verkaufsstelle für ländlichen Bedarf kaufen könne.
Allerdings müsse man eine Mitgliedskarte vorzeigen.
So begann meine tragische Verwicklung. Ich trat (unverzüglich) dem »Verband der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter« (VKSK) bei, holte mir den Torfmull und gestaltete einen ebenso kleinen wie schmucken Vorgarten. Am nächsten Tage trat ich aus dem VKSK, da ich ja keinen weiteren Torfmull brauchte, wieder aus.
Aber der einzige Tag meiner offiziellen Kleingärtner-Existenz hat mich zum Stützpfeiler der Warschauer Verträge, zum Putin-Knecht, zum Spät-Leninisten, zum Marx-und-Moritz-Fanatiker und Albträumer gemacht. Damit muß man leben.
Leider bin ich zu allem Überfluß auch noch mit Krenz zusammen zur Schule gegangen – nicht mit Egon, sondern mit Willi. Der hatte keinen Garten.