Wer steckt hinter diesen drei Vornamen? Ihr Träger hat die Initialen zu einem charakteristischen Signum zusammengezogen, das sich so kräftig einprägt wie seine Werke. 100 Jahre alt wäre der Holzschneider HAP Grieshaber jetzt geworden, und es fehlt nicht an Würdigungen – anders als zu seinen Lebzeiten. Der aus Rot an der Rot in Oberschwaben stammende Künstler war vielen seiner Zeitgenossen zu wenig angepaßt.
Einen passender benannten Geburtsort hätte man sich für ihn nicht ausdenken können. Rot war seine Farbe. Lange meinte er, alles, was man damit assoziierte, in der DDR realisiert zu sehen. Im eisigsten Kalten Krieg, schon in den 50er Jahren, scheute Grieshaber nicht vor Kontakten zum anderen Staat zurück, eine gesamtdeutsche Zelebrität. Sein Enthusiasmus für »drüben« hinderte ihn aber nicht an einer tiefen und fruchtbaren Beziehung zu Ernst Bloch, der aus der DDR sozusagen fortgegangen worden war. Als der Philosoph 1977 starb, suchte HAP im Gebirge einen besonderen Findling fürs Grab in Tübingen – letzter Freundschaftsdienst für einen Bruder im widerständigen Geist.
Wir kannten Grieshaber und seine Gefährtin Margarete Hannsmann von freundlichen Begrüßungen bei zahlreichen politischen und literarischen Veranstaltungen, an denen es in beschwingten Zeiten nicht mangelte. Dann rückte ihn und mich ausgerechnet das Fernsehen näher aneinander. Im Südwestfunk Baden-Baden lief eine Interview-Reihe über Haustiere. Grieshabers Interesse an Flora und Fauna war legendär, mich hatte man eingeladen, weil 1974 im Fischer Verlag mein Bändchen mit dem Titel »Von Katzen und Menschen« erschienen war. Im TV-Gespräch darüber zitierte ich, was Nadeschda Krupskaja, die Frau an Lenins Seite, überliefert hat: »Kaum hatte die Oktober-Revolution gesiegt, roch es im Kreml nach Katzen und Karbol.« Wladimir Iljitschs Passion für diese Tiere war bekannt. Grieshaber freute der Verweis auf Lenin und die Oktoberrevolution. Das sei, bekräftigte er per Brief, eine Gesellschaft, in der er sich wohlfühle.
In dem Buch, das ich ihm schickte, ist noch eine Katzennärrin genannt: »Anfang Februar 1912 … besuchte Lenin Rosa Luxemburg … in Berlin, darüber schreibt sie an Konstantin Zetkin: ›Gestern ist Lenin gekommen und war bis heute schon viermal da. Ich rede gern mit ihm, er ist gescheit und gebildet und hat eine gar so häßliche Fratze, die ich gern sehe … Mimi (Rosas Kätzin) hat dem Lenin mächtig imponiert, er sagte, er hätte nur in Sibirien so stattliche Tiere gesehen, sie sei ein barski kot – herrschaftliche Katze!‹ Da begegneten sich zwei Sozialisten, die eigentlich jede Herrschaft ablehnten, sie jedoch den von ihnen favorisierten Tieren zubilligten. Vielleicht wäre ein Regime dieser KP (Katzenpartei) ganz nützlich, inklusive Super-Kater und Vize-Mieze …«
Grieshaber revanchierte sich großzügig für den kleinen Band, sandte eine seiner Mappen, »engel der geschichte«, und das 80x60-Blatt mit dem poetischen Titel »Die Liebe ist ein Hemd aus Feuer«, es hängt noch heute hinter Glas in unserem Wohnzimmer, man sieht es sich nicht über.
Im Interview wurde Grieshaber gefragt, ob er in der Katze nicht auch ein besonders geglücktes Meisterwerk der Natur sehe. Darauf HAP mit der ihm eigenen Noblesse: Gewiß ist dieses Tier schön. Doch in ihrer Art ist auch eine Ameise vollkommen.
Wohl wahr, merkte ich in einer Geschichte dazu an, nur ist es verdammt schwer, eine Ameise zu streicheln.
Das kleine Zitat macht deutlich: Lebewesen, die er schätzte, ließ Grieshaber Verständnis und Gerechtigkeit widerfahren, ob das nun eine winzige Ameise war oder der hochgeschätzte Denker Ernst Bloch.
Zum Schluß ein Zitat aus dem Schwäbischen Tagblatt: »Holzwege und Irrwege wie Martin Heidegger ist er nie gegangen. Seine politische Linie war auch in der Nazizeit immer so klar wie die Linien seiner Holzschnitte. Aber zu einer Straße in Reutlingen hat es … Grieshaber nie gebracht.« Immerhin, titelt die Zeitung: »HAP bekommt jetzt ein Wegle.«