Der Kapitalismus steckt in der tiefsten Wirtschafts- und Finanzkrise der Nachkriegszeit. Woher kommt diese verdammte Krise, würde man gerne wissen. Krisen brechen aus, ohne daß jemand sie will. Warum?
Jedes Unternehmen will, in heftiger Konkurrenz zu anderen, Profite für seine privaten Eigentümer erzielen, in dem es für Märkte produziert, die niemand berechnen kann. Banken vergeben Kredite auf letztlich ebenfalls unberechenbaren Kapitalmärkten und wissen nicht, ob die Kredite dauerhaft bedient und am Ende zurückgezahlt werden können. Die Summe all dieser Privatinteressen führt unvermeidbar dazu, daß immer wieder mehr produziert wird, als verkauft werden kann und daß mehr Kredite ausgegeben werden, als bedient werden können. Der Überschuß an Kapital und Waren muß regelmäßig in Krisen vernichtet werden, damit der Tanz von neuem beginnen kann. Ein wirklich sinnvolles, effizientes, robustes und nachhaltiges Wirtschaftssystem …
Die jetzige Krise ist tiefer als die früheren, weil die Kreditvergabe an Unternehmen, Staaten und Lohnabhängige alles Bisherige in den Schatten gestellt hat. Sie ist tiefer, weil die Krise mit eben dem Medikament bekämpft wird, das sie vertieft hat: mit einer Explosion der Kreditaufnahme. Allein die Staatsschulden der G7 Staaten machen im Durchschnitt 118 Prozent des Bruttoinlandprodukts aus, so viel wie zuletzt nach dem zweiten Weltkrieg. Dazu kommen die Unternehmens- und Konsumentenschulden. Die wichtigsten Staaten der Welt kommen auf eine Gesamtverschuldung zwischen 300 und 400 % des BIP. Stellen Sie sich vor, sie hätten bei einem Jahreseinkommen von 30.000 Euro brutto 120.000 Euro Schulden. Es wäre nicht möglich, diese Schulden aus dem laufenden Einkommen zu verzinsen und zu tilgen. Auch die gesamtwirtschaftlichen Kreditberge werden aus den Ergebnissen der Kapitalverwertung nie zurückgezahlt werden können.
Die Gläubiger verlangen, daß die Staaten und damit wir alle ihre ausgereichten Kredite garantieren müssen, damit sie keine Verluste machen. Sie schreien, wie jetzt wieder in der Griechenlandkrise, nach dem Staat wie Säuglinge nach der Mutterbrust und betonen gleichzeitig wie z.B. zuletzt Präsident Köhler, es dürfe nicht sein, daß die Allgemeinheit für private Verluste gerade stehen müsse. Dieses chaotische, verlogene System tiefer Unfreiheit nennen sie freiheitlich.
Menschliche Gier – Ursache der Krise?
Wie erklären sich nun diejenigen die Krise, die Kritik an diesem Wirtschaftssystem üben? Die vorherrschende Antwort unter Lohnabhängigen ist noch, daß die Krise Produkt der menschlichen Gier sei, einer Charaktereigenschaft also. Die Hybris wird beklagt, der Verlust von Maß und Mitte, das Zocken, das Spekulantentum, der Egoismus und so weiter. Steinmeier gibt im Deutschlandplan der SPD den Takt vor. »Die Gier gehört zum Menschen, aber wir können sie zügeln«, verkündete er (»Die Arbeit von Morgen«, 2009). Merkel und der Papst stimmen zu. Der DGB kann da unmöglich beiseite stehen. Der diesjährige Maiaufruf zum Beispiel erklärte die Krise aus Spekulation. Was mag wohl anderes hinter der Spekulation stecken als die menschliche Gier, die es gilt zu zügeln beziehungsweise demokratisch zu kontrollieren?
Über viele hunderttausend Jahre lebten Menschen von der Hand in den Mund. Sie lebten in Stammesgemeinschaften, die klassenlos waren, weder Reichtum noch Armut kannten, kein Privateigentum, keine Regierung, keine Parteien und keine Gefängnisse. Sie waren Jäger und Sammler und teilten die Nahrungsmittel unter allen Stammesmitgliedern nach ihren Bedürfnissen auf. Gregory Clark schreibt: »Jäger-Sammler-Gesellschaften sind egalitär. Der materielle Konsum unterscheidet sich wenig zwischen den Mitgliedern« (»A Farewell to Alms«, Princeton 2008). Gier kann erst aufkommen, wenn es einen Überschuß über das Lebensnotwendige gibt, der privat angeeignet werden kann. Dieser Überschuß hat sich in der Tat entwickelt, und zwar dadurch, daß Produkte für den Austausch gehandelt wurden und sich daraus langsam ein allgemeines Tauschmittel, entwickelte: das Geld.
Gier ist keine überzeitliche menschliche Gattungseigenschaft, erst recht nicht die Gier nach Geld. Sie ist ein geschichtliches Phänomen. Sie konnte erst mit dem Privateigentum in Erscheinung treten. Sie konnte sich auch erst dann zur Triebkraft entwickeln, als Waren hergestellt und getauscht wurden. Daraus entsteht das Interesse, möglichst viel für den Verkauf seiner Ware zu verlangen beziehungsweise überschüssiges Geld möglichst teuer zu verleihen. Aus all dem ergibt sich Ungleichheit des Besitzes. Gier hat also eine bestimmte Stufe der Entwicklung der Produktion von Waren für Märkte zur Voraussetzung und wird nur zusammen mit dieser verschwinden können.
Die Steinmeiers, Merkels und Sommers dieser Welt dagegen wollen die Abschaffung der Gier auf der Basis der Bedingungen, unter denen sie entsteht. Sie wünschen Privateigentum und Warenproduktion ohne Gier. Das heißt sie wollen, daß Kreise quadratisch sind. Sie sind für den Kapitalismus, aber gegen seine notwendigen Folgen. Sie sind gewissermaßen Vertreter eines utopischen Kapitalismus. Dieser hat heute wesentlich mehr Anhänger als der utopische Sozialismus. Man stellt sich einfach einen Kapitalismus ohne Gier und Spekulantentum vor. Dann hätten wir auch keine Krisen mehr. »Die aktuelle Krise ... ist von Grund auf das Ergebnis der Ideologie einer zügellosen Marktwirtschaft. ›Mehr Rendite, schnellere Rendite, höhere Rendite‹ ... wurde schleichend zum überwiegenden Credo des wirtschaftlichen Handelns«. »Die grenzenlose Profitgier ... darf nicht weiter die Wirtschaft bestimmen. Diese Ideologie ist gescheitert.« So die IG Metall. Und im Maiaufruf hieß es: »Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften fordern ein grundlegendes Umdenken in der Gesellschaft. Die Wirtschaft muß den Menschen dienen und nicht den Spekulanten. Um die nächste Spekulationsblase zu verhindern, müssen Zockern und Spekulanten klare Grenzen gesetzt werden«. Diese Ermahnungen sind so alt wie die kapitalistischen Krisen selbst.
Mäßigungspredigten verhindern Krisen nicht
1857 brach die erste Weltwirtschaftskrise des Kapitalismus aus. Die Times, das Organ des Londoner Finanzkapitals, schrieb damals: »Das Gift wird eingeflößt, indem man Banden hemmungsloser Spekulanten ... zu Musterexemplaren erfolgreichen ... Unternehmergeistes erhebt, so daß das Vertrauen in das langsame Reichwerden vermöge ehrlichen Fleißes erschüttert wird«. Das hätte auch von Sommer und Huber gesagt werden können, nur nicht so altertümlich. Die IG Metall tritt wie die Times von 1857 für das langsamere Reichwerden ein, den langfristigen Profit anstelle des schnellen Geldes, die Zügelung des Investmentbankers zugunsten des ehrlichen Kreditgebers. Wie die Times früher kämpft auch der DGB von heute gegen Spekulation als Ursache der Krise. Profit ja, aber bitte ohne Gier und ohne Spekulation, heißt die Devise. Wenn die grenzenlose Gier nur eine falsche Ideologie, eine bescheuerte Idee wäre, könnte man Krisen vermeiden, indem man »umdenkt« und die Ideologie der grenzenlosen Gier durch ein »neues Gesellschaftsmodell« (metall 5/10) ersetzt, das Modell der begrenzten Gier. Wenn das gegenwärtige Wirtschaftssystem nur ein Modell ist, kann man es durch ein anderes ersetzen, so wie man überholte Automodelle durch modernere ersetzen kann.
Die Ermahnung, endlich langsamer reich werden zu wollen, begleitete alle Krisen des 19. und 20. Jahrhunderts. Die Wirkung war und ist gleich Null. Kapitalistische Krisen waren und sind Teil eines von Ermahnungen unabhängigen Konjunkturzyklus, in dem auf jeden Aufschwung die nächste Krise folgte, wenn nicht gerade ein Weltkrieg dazwischengeschoben wurde. Unbeeindruckt von Mäßigungspredigern steuert die Wirtschaft schon auf die nächste Krise zu. Und die fassungslosen Prediger rufen: Guck mal, sie zocken weiter wie vor der Krise.
Ja, was sollen sie denn sonst tun, als weiter Profit machen zu wollen? Das Kapital ist in dieser Hinsicht absolut unbelehrbar. Die Produktion von Krisen entspricht seiner Natur. Aber die Sommers und Hubers predigen den Löwen wieder und wieder, sie sollten Vegetarier werden. Man soll ja nicht immer jammern, die Dinge positiv sehen und die Hoffnung nicht aufgeben. Aber: »Gerade das wiederholte Auftreten von Krisen in regelmäßigen Abständen trotz aller Warnungen der Vergangenheit schließt … die Vorstellung aus, ihre letzten Gründe in der Rücksichtslosigkeit einzelner zu suchen« (Karl Marx: »Die Handelskrise in England«, 1857). Gier und Spekulation sind Blüten, die von der Kapitalverwertung hervorgetrieben werden. Sie begleiten den gesamten Konjunkturzyklus und verstärken seine Ausschläge nur. Noch ein Zitat aus der Mottenkiste des 19. Jahrhunderts, ebenfalls von dem vollkommen überholten Karl Marx: »Die politischen Ökonomen, die vorgeben, die regelmäßigen Zuckungen von Industrie und Handel durch die Spekulation zu erklären, ähneln der jetzt ausgestorbenen Schule von Naturphilosophen, die das Fieber als den wahren Grund aller Krankheiten ansahen.« Die ausgestorbenen Ideen der Naturphilosophen sind in anderer Form aus ihren Gräbern auferstanden. Es wird Zeit, sie wieder dahin zurückschicken.
Streben nach höherer Rendite – langfristig erfolglos
Sehen wir uns das Streben nach immer höherer Rendite mal näher an. Ab welcher Rendite setzt die Grenzenlosigkeit der Gier ein? Üblicherweise werden als Beispiel für grenzenlose Profitgier die 25 Prozent Eigenkapitalrendite angeführt, die die Deutsche Bank als »Credo« anstrebt. Der Vizevorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Poß, nennt das einen Skandal. und alles regt sich darüber auf. Diejenigen, die das Streben nach immer höherer Rendite beklagen, machen sich jedoch nicht die geringste Mühe, die reale Entwicklung der Renditen zu untersuchen. Die Eigenkapitalrendite der Großbanken in Deutschland betrug nach Angaben der Bundesbank zwischen 1994 und 2000 im Durchschnitt 13,41 Prozent, von 2000 bis 2008 nur noch 4,18 Prozent. Die Krise 2001 bis 2004 hat gewaltige Verluste bewirkt, Verluste, die auch durch das versammelte Zockertum von 2005 bis 2007 nicht mehr aufgeholt werden konnten.
Das Niveau der Bankrenditen ist international auf lange Sicht gefallen, weil das Niveau der Zinsen, der Haupteinnahmequelle der Banken, aufgrund des riesigen Überschusses an Kapital gesunken ist. Deshalb stieg auch die Notwendigkeit der Spekulation. Das Streben nach höherer Rendite war also erfolglos. Wie aber konnte es dann überhaupt zu Krisen kommen, die doch angeblich durch das Streben nach »immer höheren Renditen« hervorgerufen sein sollen? Es war eher so, daß die Schöpfung windiger Wertpapiere, die auf Krediten beruhen und ohne Eigenkapital generiert werden konnten, eine verzweifelte Reaktion auf den Fall der Bankrenditen war.
Die Eigenkapitalrenditen der Sparkassen und Genossenschaftsbanken in Deutschland waren übrigens in den genannten Zeiträumen höher als die der Großbanken. Waren sie gieriger als die Großbanken und damit schuldiger? Sie gelten doch als Vorbild für alle Anhänger des Mittelstandes und der Linken, weil sie der Wirtschaft dienen und sie angeblich nicht dominieren. Was aber sollen wir erst zur Profitgier der Realwirtschaft sagen, die gemessen an den lächerlichen 25 Prozent der Deutschen Bank wirklich grenzenlos scheint? Die Industrieunternehmen wiesen zwischen 1994 und 2007 eine durchschnittliche Eigenkapitalrendite von 32 Prozent auf.
Die Profitgier, obwohl zweifellos vorhanden, erklärt überhaupt nichts, ist als Erklärung nur Ausdruck der vorherrschenden Oberflächlichkeit, des allgemeinen Stumpfsinns, der sich mit Brosamen von Erkenntnis zufrieden gibt.
Noch einmal zu den Ursachen der jetzigen Krise
Worin bestehen sie, wenn es nicht die immer gieriger werdende Gier ist? Sehr grob vereinfacht kann man sagen: 1) Jedes Einzelkapital will sich im Interesse seiner jeweiligen Eigentümer maximal vermehren. Es dehnt deshalb seine Produktion beziehungsweise die Vergabe von Krediten möglichst weit aus, weil mit der Masse der Waren und der Kredite auch die Profitmasse steigen kann. 2) In der Konkurrenz der Einzelkapitalien untereinander kann der am besten bestehen, der mit möglichst wenig Arbeitskraft zu möglichst geringen Löhnen möglichst viele Waren auf den Weltmarkt wirft, dessen Produktivität also die höchste ist. Auf diese Weise werden immer mehr Arbeitskräfte überflüssig beziehungsweise nur noch zeitweise oder teilweise beschäftigt. Das Überangebot an Arbeitskraft drückt notwendigerweise die Löhne. Die Produktivitätsentwicklung unter der Regie des Kapitals muß also dazu führen, daß die Konsumtionskraft der Masse hinter der Produktion zurückbleibt. Es entstehen periodisch Überkapazitäten, siehe Automobilindustrie, die in Krisen mitsamt dem Personalbestand abgerissen werden. Die Kapazitätsauslastung der Industrie lag 2009 bei 72,8 Prozent statt 86,5 Prozent ein Jahr zuvor. Nur Träumer können sich Krisen ohne Kapazitätsabbau und Entlassungen vorstellen. Die Lohnabhängigen können nur versuchen, und sie tun es auch, sich so teuer wie möglich zu verkaufen. Wenn sie es versuchen, sollten sie nicht aus der Gewerkschaft ausgeschlossen werden, wie es einigen Betriebsräten in drei Daimler-Betrieben gerade zu ergehen droht, während der geschätzte Kollege Hartz, der Schöpfer von Hartz IV, immer noch als Mitglied der »Wertegemeinschaft« (Huber) IG Metall erwünscht ist.
Die menschliche Gier als letzte Ursache der Krise anzusehen, hat für die Vertreter des Kapitals einen wesentlichen Vorteil. Wenn alle Menschen gierig sind, sind auch alle Menschen an der Krise schuld, also ist keiner schuld.
Merkwürdigerweise hätte aber die Gier der Lohnabhängigen nach mehr Geld, wenn es sie denn gäbe und wenn sie erfolgreich wäre, positive Folgen. Wenn Lohnabhängige, getrieben von ihrer Gier nach Urlaub, der Gier nach einer anständigen Wohnung und der Gier nach einer guten Versorgung für ihre Kinder, sich Lohnerhöhungen um 10 bis 15 Prozent erkämpfen würden, würde ihre Kaufkraft steigen. Dieselbe Wirkung hätte die Gier nach Arbeitszeitverkürzungen, vor allem die Durchsetzung des Sechsstundentags, der 30 Stundenwoche bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Die Profite würden sich vermindern und in geringerem Maße für windige Finanzgeschäfte zur Verfügung stehen. Der Widerspruch zwischen Produktion und Konsumtion würde sich etwas verringern. Der Überproduktion an Waren würde entgegengewirkt, der Ausbruch der Krise würde vielleicht verzögert und ihr Verlauf abgemildert. Die Gier hätte also positive Folgen. Aber die Lohnabhängigen, vor allem aber die Sozialpartner in Gewerkschaftsführungen und Betriebsräten sind ja eher bescheiden statt gierig und arbeiten mit daran, den Ausbruch von Krisen zu beschleunigen und Krisen zu vertiefen. Wenn ein lächerlicher gesetzlicher Mindestlohn von 7,50 Euro gefordert wird und 7,50 Euro auch noch als ein anständiger, fairer Lohn für ein gutes Leben gilt, kann man wirklich nicht von einem Interesse an der Steigerung der Kaufkraft reden. Im Übrigen geht es bei Forderungen nach einem gesetzlichen Mindestlohn oder überhaupt nach höheren Löhnen nicht um Gier, sondern um Selbstverteidigung, damit der Lohn nicht immer weiter hinter den notwendigen Kosten zur Unterhaltung der Ware Arbeitskraft zurückbleibt. Es geht darum, dass man sich angesichts wachsender Produktivität und der ständig neuen Möglichkeiten der Bedürfnisbefriedigung nicht mit immer weniger abspeisen lassen will.
Aber wie bescheiden auch immer das Kapital und wie »gierig« auch immer die Lohnabhängigen sind, Krisen können dadurch nicht verhindert, sondern höchstens abgemildert werden. Privateigentum, Warenproduktion und Kapitalverwertung sind es, die die Krise erzeugen. Es sind im Wesentlichen sachliche Bedingungen der Produktionsverhältnisse, die die Krisen erzeugen, nicht persönliche, asoziale Verantwortungslosigkeit. Selbst wenn bestimmte Finanzprodukte verboten würden, Investmentbanker mit Ackermann an der Spitze im Gefängnis säßen, würde das die nächste Krise nicht verhindern. Unter kapitalistischen Bedingungen schlägt die Summe des Handelns für private Profitzwecke eben wie ein unbeherrschbares Naturereignis auf die Menschen zurück. Das gilt auch, wenn kapitalistische Betriebe in Staatseigentum sind oder wenn einzelne Betriebe in die Hände sich selbst verwaltender Belegschaften übergehen würden. Die Menschheit hat noch nicht die Stufe der Entwicklung erreicht, auf der sie ihre Geschichte mit vollem Bewusstsein gestaltet, in der sie also die Ziele auch erreicht, die sie erreichen will. Wir leben noch im Stadium der Unfreiheit und der Anarchie. Personen können aber insoweit für schuldig erklärt werden, als sie dafür eintreten, die Bedingungen für Krisen aufrecht zu erhalten.
Neues Krisenpotential baut sich auf
Meines Erachtens baut sich ein neuer Vulkanausbruch der Weltwirtschaftskrise auf. Die überraschend schnelle konjunkturelle Erholung hat als Ursache vor allem die Explosion der Staatsschulden, gefördert durch zur Zeit noch niedrigste Zinsen. Die USA und Japan finanzieren die Hälfte ihres Staatshaushalts mit Krediten. Die USA sind laut Roubini ein größerer Gefahrenherd als Griechenland, und Japan wird von der Financial Times Deutschland als »Hellas Asiens« bezeichnet. Die Wachstumsraten Chinas, der neuen Lokomotive der Weltwirtschaft, beruhen darauf, daß 2009 die Bankkredite von 500 Milliarden Dollar auf 1.000 Milliarden Dollar verdoppelt wurden und China Hunderte Milliarden für Konjunkturprogramme ausgeworfen hat. Wenn hier die Kredit-und Immobilienblase platzt, dann gute Nacht.
Professor Rainer Roth lehrt an der Fachhochschule Franfurt am Main. Sein Beitrag ist ein Auszug aus einem längeren Text, unter www.klartext-info.de abrufbar ist. Dort findet man auch Zugang zu Roths Broschüre »Sie kriegen den Karren nicht flott…«