Tödlicher Schutz
Die NATO hat das »Mandat« für ihre »Mission« in Libyen bis Ende September verlängert. Der selbstgestellte Auftrag bedeutet, daß die Seeblockade und die Luftangriffe weitergehen, jetzt auch unter Einsatz von Kampfhubschraubern. Laut Resolution des UN-Sicherheitsrates dient dies dem Schutz der libyschen Zivilbevölkerung, die Operation hat den schönen Titel »Unified Protector«, die deutsche Übersetzung heißt »Geeinter Beschützer«. Diese Art von Schutz hat als Folgen: Versorgungsmangel, Hunger, Zerstörung der Infrastruktur, Verletzung und Tod durch Bombardierungen, Flüchtlingsströme. An begrifflichem Zynismus mangelt es den NATO-Kriegsherren nicht. Sie hätten nur gern noch mehr Kriegsteilnehmer. Auch die Bundeswehr soll direkt mitmachen. Je zahlreicher die Beschützer, desto sicherer das Elend der Beschützten.
Peter Söhren
Mörderisch
Immer klarer erweist sich der Einsatz der Bundeswehr »am Hindukusch« als lebensgefährlich. Der zuständige Minister beschwichtigt den Unmut darüber. »Für Soldaten«, sagt er, »gehört Töten und Sterben dazu«, vor Gewalt dürfe »man nicht weichen«, »das Vertrauen der Afghanen nicht erschüttern«. Daß deutsche Soldaten zu Tode kommen, sei der »Hinterhältigkeit« des Gegners zuzuschreiben, dessen »mörderischer Menschenverachtung«, ergänzt die Kanzlerin, da seien »Kriminelle« am Werk.
Sterben gehört in Afghanistan nicht nur für die Soldaten der westlichen Allianz dazu, auch für die Afghanen, auch für Zivilisten, in großer Zahl. Daraus wiederum erwächst Töten. Der afghanische Präsident Karsai, von den USA in sein Amt gehievt und alles andere als ein Feind des Westens, empört sich über nächtliche Militärschläge der NATO, denen Frauen und Kinder zum Opfer fallen. »Hinterhältig« nannte er solche Aktionen, »kriminell«, »menschenverachtend«, »mörderisch«. Sein Vertrauen in solche NATO-»Partner« sei erschüttert.
Der Gewalt dürfe man nicht weichen, werden die Taliban sagen.
So hat der asymmetrische Krieg auch seine Symmetrien.
Marja Winken
Pakistan – ein Staat wird böse
Unablässig bringen die Massenmedien der »westlichen Wertegemeinschaft« ein erschreckendes Bild von Pakistan unters Publikum: Ein Hort des muslimischen »Fundamentalismus«, der verdeckten Pflege terroristischer Aktivitäten, der Unfähigkeit, selbst Ordnung zu schaffen, ein »scheiternder Staat«, noch dazu im Besitz von Atomwaffen, von denen unverantwortlich Gebrauch gemacht werden könnte. Und ein »Staatswesen im Zerfall«, das ist ja bekannt, bedarf des Zugriffs von außen.
Auf ungewöhnliche, eher hilflose Weise hat nun der für die Presse zuständige Mitarbeiter der pakistanischen Botschaft in Berlin versucht, solcherart Propaganda zurechtzurücken. In einem Leserbrief an die
Frankfurter Allgemeine erinnert er an historische Sachverhalte, über die in den NATO-Staaten nicht gern gesprochen wird: die Aufzucht der »Dschihad«-Kampfgruppen auf dem Boden Pakistans durch westliche Regierungen zum Einsatz gegen die »gottlosen Russen«; die westliche Unterstützung der pakistanischen Militärdiktatur in der Ära Zia-ul-Haq; die Zuwanderung von Millionen afghanischer Flüchtlinge infolge der gewalttätigen geopolitischen Konkurrenz um Afghanistan; die zigtausende von Toten in Pakistan als »Nebenschaden« des Krieges am Hindukusch. Jetzt aber, schreibt er, seien die Pakistanis »die Bösen schlechthin« ...
P. S.
Protektorat Portugal
Im Ergebnis der vorgezogenen Wahlen übernimmt die rechtsliberale Partei in Portugal die Regierungsgeschäfte (sie nennt sich »sozialdemokratisch«); sie löst damit die »Sozialisten« ab, deren Politik sich als neoliberal kennzeichnen läßt. Ein »Machtwechsel« habe stattgefunden, meldeten die Zeitungen hierzulande, irreführenderweise, denn in Portugal liegt die Macht nicht mehr bei gewählten nationalen Regierungen, sondern bei ausländischen »Protektoren«: bei der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds. Sie entscheiden darüber, wieviel Kredit dem hochverschuldeten Land eingeräumt wird und welche Gegenleistungen es zu erbringen hat: Demontage der Sozialleistungen, Kürzung der Renten und »Privatisierungen«, also Übergabe von Volksvermögen an ausländische Unternehmen oder Finanzfonds. Schon vor der Wahl hatten sich beide großen Parteien dieser externen »Sanierung« unterworfen. Wenn das neugewählte Parlament zusammentritt, wollen Inspekteure der EU-Kommission, der EZB und des IWF in Lissabon nach dem Rechten sehen, ob alle ihre Vorgaben umgesetzt werden. Die Wahlbeteiligung lag unter diesen Umständen nur noch bei etwas mehr als 50 Prozent. Die sozial bedrängte Masse der Bevölkerung setzt in die Volksvertreter kein Vertrauen mehr. Die real Regierenden standen nicht zur Wahl. Die Kommentatoren der Wirtschaftspresse in den Zentren Europas machen sich über die Portugiesen lustig: Die müßten jetzt endlich begreifen, daß Fleiß und Sparsamkeit angesagt seien. Gemeint ist: Die Unterschichten in Portugal sollen sich damit abfinden, daß sie nicht nur geographisch am Rande leben.
Arno Klönne
Erdogan
Millionenfach ein und dasselbe Gesicht. Der Name des Mannes ist auf den Plakaten nicht angegeben. Man kennt ihn: Tayyip Erdogan. Die kurzen Wahlkampfparolen neben dem Gesicht wechseln. »Hallo, Istanbul, es geht voran!« Von dieser Qualität sind sie alle. Plakate in sämtlichen Größen, manche mehrere Stockwerke hoch. Wer nach Werbung für andere Kandidaten Ausschau hält, muß lange suchen.
Tücher in hellem Orange, hellem Blau und Weiß flattern in Girlanden über den Straßen: Erdogans Farben. Eine Glühbirne ist darauf abgebildet: Erdogans Symbol.
Lautsprecherwagen fahren durch Istanbul, die 15-Millionen-Stadt zwischen Europa und Asien: Erdogan kommt. Eine Woche vor dem Wahltermin ist großes Gedränge auf dem Bosporus: 250 Schiffe, alle mit orange-blau-weißen Wimpeln geschmückt, seien gechartert worden, um die Anhänger des Ministerpräsidenten heranzuschaffen, höre ich. Ist die Zahl glaubhaft? Am Abend heißt es in den Nachrichten, mehr als eine Million Menschen seien zu der Kundgebung gekommen.
Wirtschaftlicher und sozialer Aufschwung sind überall zu sehen. Mir fallen die vielen Männer auf, die damit beschäftigt sind, alles sauber zu halten. In der weltoffenen Hafenstadt mit ihren vielen Vergangenheiten scheinen die ethnischen und religiösen Gruppen tolerant miteinander umzugehen. Über die kritischen Journalisten im Knast spricht man nicht. Nach wenigen Tagen kann und will ich mir kein Urteil erlauben. Aber der ungeheure Wahlkampfaufwand von oder für Erdogan hat mich beängstigt.
Eckart Spoo
Fiat iustitia
Jahrelang war der Mann nicht zu fassen,
der Tausende elend hat umbringen
lassen,
Ratko Mladic, der Kriegsverbrecher,
der Mörder, der Srebrenica-Schächer.
Jetzt ist er verhaftet. Jetzt kommt die
Zeit
der strafenden Gerechtigkeit,
der keine Kriegsverbrecher entrinnen,
die ihre Kriege nicht gewinnen.
Günter Krone
Blondgefärbt
Manchmal kommt Wiedergutmachung etwas spät. So im Fall des deutschen Boxers Johann Willhelm Trollmann, dem 1993 postum der Titel »Deutscher Meister im Halbschwergewicht« zuerkannt wurde; seinen noch lebenden Verwandten überreichte man im Jahre 2003 symbolisch den Meistergürtel. Trollmann hatte den Titel am 9. Juni 1933 erstritten, aber nur acht Tage behalten dürfen, dann wurde er ihm von den Nazis aberkannt. »Rukely« Trollmann war Sinto.
»Trollmanns letzter Kampf« ist eine Collage aus klassischem Theater, Pantomime, Musikprogramm und Moderation, dem Leben des fast vergessenen Sportlers gewidmet. Sie erzählt von seiner Kindheit, dem Beginn der Karriere als Boxer bis hin zu seinem gewaltsamen Ende in einem Außenlager des KZ Neuengamme. Höhepunkt ist die Darstellung von Trollmanns letztem Kampf im Juli 1933: Im Vorfeld hatte er strenge Auflagen erhalten, die seinen Kampfstil deutlich einschränkten und seine Niederlage vorprogrammierten. Aus Protest erschien er weißgeschminkt und mit blondgefärbten Haaren im Ring und ließ sich so zusammenschlagen.
Auf einer Gegenwartsebene erzählen Mitwirkende, fast ausschließlich junge Sinti-Musiker, von ihrem Leben in Deutschland, ihren Träumen, den Vorurteilen, mit denen sie noch immer kämpfen müssen. Die gegenwärtig in verschiedenen europäischen Ländern tobende Welle von Diskriminierung und Gewalt gegen Sinti und Roma wird in dem Stück allerdings nicht thematisiert; nicht ein Wort fällt über die Angriffe durch rechte Milizen in Ungarn, den Rausschmiß aus Sarkozy-Frankreich, die lebensbedrohenden Abschiebungen in den Kosovo aus der BRD.
Etwas Dokumentation, viel Musik, zwei oder drei beeindruckende szenische Vorgänge und Bilder, viel Reflexion über den Alltag der bundesdeutsche Sinti-Minderheit – all das ist sympathisch, nur leider nicht auf den politischen Punkt gebracht. Die Aufführung, die die Zuspitzung des selbstgewählten Themas scheut, erscheint als sonderbar mutlos.
»Trollmanns letzter Kampf« (Text: Björn Bicker und Marc Prätsch, Regie: Marc Prätsch) wurde in einer Inszenierung des Jungen Schauspiels Hannover im Rahmen von »Augenblick mal! – 11. Deutsches Kinder- und Jugendtheatertreffen« am 16. Mai 2011 in Berlin uraufgeführt.
Gerd Bedszent
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Zu dieser Leistungsschau und Bestandsaufnahme der deutschen Kinder- und Jugendtheaterszene hatten zehn Kuratoren bundesweit zehn Aufführungen der letzten zwei Jahre ausgewählt; dazu kam eine knappe Handvoll Inszenierungen, die in Kooperation mit internationalen Partnern entstanden.
Zu wenig Auseinandersetzung mit politischer und gesellschaftlich relevanter Thematik, besonders bei den Jugendstücken! klagten Teilnehmer in großer Gesprächsrunde – zu Recht.
Vor allem in den Aufführungen für Zuschauer ab dreizehn dominiert die Darstellung pubertärer Befindlichkeiten bis hin zu Gewaltfantasien und ausgeübter Gewalt – allerdings meist auf hohem ästhetischen Niveau (»Frühlings Erwachen« nach Wedekind von Nuran David Çalis aus Heidelberg, »A clockwork orange« nach Burgess aus Konstanz). Aber reale Ursachen, soziale Zusammenhänge, gar politische Zuordnung finden kaum statt; Böses beispielsweise ist eben böse, faszinierend und schillernd, nicht erkennbar, nicht veränderbar.
Vielleicht ist das Jugendtheater nun auch in postmoderner Beliebigkeit angekommen, wo manches »erwachsene« schon längst ist. Anders als das Theater für Kinder, das sich Beliebigkeit bei Strafe des Untergangs nicht leisten darf, die Zuschauer würden aussteigen. Hier gibt es handfeste Geschichten zu sehen, Figuren, an die man sich annähern darf, Helden, die sich mutig entscheiden.
Herausragend »Nach Schwaben, Kinder!«, eine Produktion des Jungen Ensembles Stuttgart. Durch fast dreihundert Jahren wurden Kinder-Arbeiter aus den kargen Alpentälern über den Sommer ins reiche Schwaben verkauft. Wir schreiben 1882 – die Aufführung stellt fünf Kinder ins Zentrum. Ein Junge hat Glück, die Kleinste verschwindet spurlos, wahrscheinlich ermordet, die Schicksale der drei anderen irgendwo dazwischen. Sie alle müssen sich schinden bis zum letzten – Assoziationen an gegenwärtige Armutsmigration und Kinderarbeit sind ausdrücklich erwünscht. Spielszenen wechseln mit dokumentarischen Berichten, die fünf Darsteller musizieren wie die Kirmesmusikanten. Sie haben mit Klugheit und emotionalem Einsatz die Sache zur ihren gemacht, wollens sie uns zeigen – und machen sie damit zur unseren: Unsere Sache wird verhandelt, unsere Wurzeln werden aufgegraben. Zeitreise auch für Acht- oder Zehnjährige, Ankunft hier, heute.
Nicht so weit zurück, nur bis in die fünfziger Jahre geht es in dem »Buch von allen Dingen« nach Guus Kuijer von Wilrodt/Bürk aus dem Jungen Schauspielhaus Hamburg: Thomas (9) muß sich gegen seinen repressiven, bigotten Vater durchsetzen und emanzipiert sich mit Hilfe eines sanften, untüchtigen Hippies, der in seiner Fantasie lebt: Jesus, der hatte auch Streß mit seinem Alten. Siebzig Jahre her, die deutsche Besetzung der Niederlande ist noch nah für diese Kinder; eine alte Frau, die dem Helden Mut macht, gilt als kommunistische Hexe – all das ist schon Geschichte geworden, aber nicht ganz entfernt. Die Inszenierung (Barbara Bürk) balanciert, wie das gutes Theater immer tut, auf dem schmalen Grat zwischen Tragik und Komik. Kleines Welttheater für Kinder.
Subversiv gehts auch bei »Aller Anfang – Schöpfungsgeschichten« vom Puppentheater Halle zu: Gott, ein weißer Clown, heißt Herr Müller, kriegt nichts auf die Reihe und streitet mit dem schwarzen Clown so lange, bis die Schöpfung erst mal kaputt geht. Dann versuchen sie es noch einmal gemeinsam, kompromißbereit, voller Verantwortung. Puppen, Objekte, Schattenbilder: Menschen, Nachdenklichkeit befördernd, kritiklosen Glauben abweisend, fröhlich, kräftig. Und der Fünfjährige in der ersten Reihe im Gastspielraum Schaubude fordert immer Neues von den Schöpfern: Tiere, Menschen, Häuser. So soll es sein.
Katrin Lange
Zum Tode von Fritz Klein
Wer den Historiker Fritz Klein auch nur aus seinen Beiträgen in der
Weltbühne und später im
Blättchen und auch hier in
Ossietzky kannte, den mag die traurig stimmende Nachricht von seinem Tode an Denkanstöße erinnert haben, die seinen Texten immer zu entnehmen waren. Denn ohne sich selbst geistig herausgefordert zu sehen, hat sich der Mann auf einen Gegenstand oder ein Thema nicht eingelassen. Das gilt namentlich für das Unternehmen, mit dem sein Name verbunden bleiben wird und das ihm einen bleibenden Platz in der Reihe deutscher Geschichtsschreiber sichert: die mit einer Gruppe zumeist junger Mitarbeiter geschriebene Geschichte Deutschlands im Ersten Weltkrieg. Sich dessen Ursachen, Verlauf und Folgen zum Forschungsobjekt zu wählen, lag nicht so nahe, wie es heute scheinen mag. Zwischen dem Krieg der Jahre von 1914 bis 1918 und der Gegenwart lag wie ein gewaltiger Quader der folgende. Auf ihn richteten sich ungeklärte und bedrängende Fragen in der Gesellschaft wie in der Wissenschaft. Da ein halbes Jahrhundert zurückzugreifen, bedeutete jedoch nicht Flucht, sondern sich forschend an den Anfang eines verhängnisvollen Weges deutscher Geschichte zu begeben. So hat Fritz Klein mit seinen Mitarbeitern, die engsten waren die früh verstorbenen Willibald Gutsche und Joachim Petzold, die Sache auch angesehen. Zudem begann gleichzeitig eine weitere Arbeitsgruppe im Institut für Geschichte an der DDR-Akademie der Wissenschaften mit einem parallelen Unternehmen zur Geschichte des Zweiten Weltkrieges.
Das dreibändige Weltkrieg-I-Werk gelangte Ende der 1960er Jahre auf den ostdeutschen Buchmarkt. Es war eine auf weitläufige Quellenstudien gestützte Entgegensetzung zu der schon in der Weimarer Republik massenhaft erschienenen Weltkriegsliteratur, mit der deutsche Kriegsunschuld nachgewiesen werden sollte und die Legende von der »im Felde unbesiegten«, das Vaterland verteidigenden Armee verbreitet wurde. Und die Autoren waren, das unterschied ihre Arbeit von der verdienstvollen Monographie des Hamburgers Historikers und Universitätslehrers Fritz Fischer, die 1961 erschienen war und den Titel »Griff nach der Weltmacht. Die Kriegszielpolitik des kaiserlichen Deutschland 1914/1918« trug, auch den ökonomischen Macht- und Expansionsinteressen nachgegangen, nicht nur den deutschen, die in diese erste Jahrhundertkatastrophe geführt hatten.
Es hätte einer nochmaligen Bestätigung des Verdienstes nicht bedurft, das sich Klein und die Seinen erwarben, doch sie wurde ihnen zuteil. 2004 erfolgte durch den Leipziger Universitätsverlag ein Nachdruck der 3. Auflage des Werkes. Das ist nach dem Anschluß nur wenigen Produktionen, so auch Dietrich Eichholtz’ »Geschichte der Kriegswirtschaft«, geschehen. Klein schrieb zum Neudruck des Dreibänders ein Vorwort. Darin ging er auch auf den Umgang mit Leistungen ein, die zur Hinterlassenschaft des untergegangenen Staates gehören. Noch gilt seine Bemerkung; »Inhalte der von DDR-Historikern vorgelegten Arbeiten, Motive, die sie bewogen zu schreiben, was sie schrieben, bleiben vorsätzlich unerörtert.« Würde von den Antrieben geschrieben, die Klein leiteten, so wäre zuvörderst seine Überzeugung zu nennen, daß Geschichtswissenschaftler in ihre Zeit zu wirken und dabei keine vornehmere Aufgabe hätten, als zur Herstellung und Bewahrung des Völkerfriedens beizutragen.
Kurt Pätzold
Volker Bräutigam zum Siebzigsten
25. Juli 1988, kurz vor 8 Uhr abends. Der Zeiger der
ARD-
Tagesschau-Uhr krabbelt auf Zwölf – und aus. Kein Bild, kein Ton. Auf dem Sofa versteht man die Welt nicht mehr (ein Bekannter verschüttet seinen Abendtrunk). 41 quälende Sekunden verstreichen. Dann meldet sich der
Bayerische Rundfunk, kündet von »höherer Gewalt« und »Technikausfall« und serviert statt
Tagesschau sein Regionalprogramm
Rundschau.
Am 1. August wußte
Der Spiegel: »Ein Warnstreik verhinderte die
Tagesschau (...) Volker Bräutigam, 47, Personalrat der Rundfunk-Fernseh-Film-Union (RFFU) beim
NDR, wollte die Forderung seiner Gewerkschaft nach kürzerer Arbeitszeit und mehr Planstellen mal mit ein paar Streiks untermauern (...) Fast unbemerkt schlich der freigestellte
Tagesschau-Redakteur durchs Funkhaus (...), um 14.30 Uhr brachte er die Botenmeisterei zum Stehen, um 15 Uhr verließen die Cutterinnen ihre Schneidetische, um 17.15 Uhr drosselten die Versorgungstechniker die Stromzufuhr und die Klimaanlage.«
Den schleichenden Urheber »höherer Gewalt« lernte ich Jahre später am Tatort Funkhaus kennen, und ich erfuhr, wie gemobbt und behindert wird, wenn es einer ernst meint mit den Rechten seiner Kollegen und dem Auftrag unserer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten überhaupt. Diese Praktiken konnten aber den gelernten Journalisten Bräutigam nicht erschüttern. Hart im Nehmen nach krassen Jugendjahren im Westen und mit objektivem Blick für die Lage aller Deutschen hüben und drüben seit frühen Aufenthalten in der DDR, bekümmert ihn unser soziales Gegeneinander bis heute. Vor allem die Pervertierung der öffentlich-rechtlichen Medien. Da teilt er aus, zum Beispiel in seiner »Falschmünzer-Republik – Von Politblendern und Medienstrichern« (2009).
Wir trafen uns wieder in Taiwan, wo er als Lehrbeauftragter seinem zweiten Interessenschwerpunkt frönte, dem fernen Osten und dessen korrekter Gewichtung und Vermittlung. Er stand mit heißen »Bauzi« (Teigbällchen) am Flughafen. Wir waren zu Hause – und exzellent informiert.
Sollten Sie mal ins idyllische Städtchen Mölln kommen und auf dem Ziegelsee ein kleines Boot orten (am Heck den DDR-Stander und aus der Kabine Lieder von Ernst Busch), so ist da nicht Till Eulenspiegel, sondern Volker Bräutigam. Auch er ist jetzt in Mölln zu Hause, ehrlich und unbequem wie einst der große Schalk.
Am 21. Juni wird er 70 Jahre alt. Dem Kollegen und Freund unseren Dank und Glückwunsch!
Wolf Gauer
Press-Kohl
Die französische Nachrichtenagentur
AFP meldete aus Dresden: »Sachsen kann stolz auf seine Hühner sein. – Die Hühner in Sachsen sind bundesweit die fleißigsten Eierleger. Jede der rund 3,2 Millionen Hennen im Freistaat legte im vergangenen Jahr durchschnittlich 312 Eier, gab das sächsische Landwirtschaftsministerium bekannt. Bundesweit liegt der Durchschnitt bei 299 Eiern pro Henne und Jahr.«
Herzlichen Glückwunsch den stolzen Sachsen! In dem anfangs von König Kurt Biedenkopf geleiteten Freistaat bescheren ihnen Hühner, Enten, Wachteln, Gänse einen nie gekannten Eiersegen bescheren. Unter dem sachsenfeindlichen Ulbricht-Regime dagegen hatte es dort nur Gips- und Porzellan-Eier gegeben, weil sämtliche Hühner zu »Goldbroilern« verbraten werden mußten.
Felix Mantel