Er ist ein durch und durch sympathischer Kerl. Braungebrannt, strahlend und in den bayerischen Landesfarben – weißes Hemd und blaue Krawatte – gekleidet, heißt er auf der Homepage seine Besucher im Netz mit einem »Grüß Gott« herzlich willkommen. Gern trägt er auch ein weißes Leinenhemd und eine dunkelbraune Lederhose. Nichts Ungewöhnliches, schließlich stammt er aus Oberbayern, aus einer alteingesessenen Müllerfamilie im Landkreis Traunstein, im Berchtesgadener Land. Er hat die Meisterprüfung im Müllerhandwerk abgelegt und ist Inhaber der Firma Ramsauer Talmühle. Seine Mühle arbeitet mit Wasserkraft, aber sie mahlt kein Getreide mehr, sondern erzeugt Strom. Er ist Diplomkaufmann, Doktor der Staatswissenschaften und »Alter Herr« der Münchener Burschenschaft Franco-Bavaria. Daß einst Heinrich Himmler angesehenes Mitglied dieser schlagenden Vereinigung war, ist ihm nicht anzulasten. Er ist politisch hochinteressiert und aktiv, zugleich aber auch bemerkenswert musikalisch. Schon als Neunjähriger begann er mit dem Klavierspiel, und erst kürzlich spielte er eigenhändig einen Satz aus Mozarts Klavierkonzert Nr. 21 für die CD »Adagio im Auto«, zu der er in einem persönlichen Grußwort schrieb: »Sicheres Fahren erfordert entspannte Autofahrer. Einen wichtigen Beitrag hierzu leistet entsprechende Musik. Von Verkehrspsychologen wissen wir: Aggressive und besonders laute Musik bleibt in der Regel nicht ohne Auswirkungen auf das Fahrverhalten. Deshalb lautet die Empfehlung, im Auto Musik auszuwählen, die das Konzentrationsvermögen unterstützt, Aggressionen entgegenwirkt und zur Entspannung beiträgt.«
Die meisten Ossietzky-Leser werden längst wissen, von wem hier die Rede ist: von Peter Ramsauer, Mitglied des Präsidiums des Parteivorstandes und stellvertretender Vorsitzender der CSU sowie, nicht zu vergessen, Mitglied im Bezirksvorstand der CSU Oberbayern. Von 2005 bis 2009 war er Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, und seit Oktober 2009 ist er Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.
Im Oktober 2011 zogen die Oppositionsparteien und die Medien eine »Halbzeitbilanz« der Arbeit des Ministers. Sie fiel leider verheerend aus, obwohl er sich ein schönes Motto zu eigen gemacht hatte: »Dem Volk aufs Maul geschaut! Und schon weiß ich, wo die Nöte, Sorgen und Probleme der Menschen sind. Und vor allem, was ich zu tun habe, um Abhilfe zu schaffen.«
»Ankündigungs-« oder auch »Stillstandsminister« wurde er genannt. Er verliere sich im »Kleinkram« – unter anderem im Kampf gegen zu große Nummernschilder an Motorrädern und im Eintreten gegen Anglizismen in der deutschen Sprache. Und er reihe Fauxpas an Fauxpas.
Dieser Methode der Amtsführung blieb er auch in den folgenden Monaten treu. Ungeachtet aller Kritik werkelte er an einer unnötigen Reform der Flensburger Verkehrssünderdatei, und zur Freude der durch die hohen Kraftstoffpreise schon belasteten PKW-Fahrer bemüht er sich, eine pauschale Autobahn-Maut in Höhe von jährlich 80 Euro einzuführen. Die großen Themen der Verkehrspolitik, eine umweltschonende Entwicklung der Mobilität in Deutschland, der Schutz der Bevölkerung vor dem krankmachenden Verkehrslärm, die Förderung des Schienenverkehrs, liegen ihm weniger am Herzen. Lediglich Umgehungsstraßen für bayerische Orte, so behaupten böse Zungen, hätten bei ihm Vorrang, da er sich seine Führungspositionen in der CSU sichern wolle.
Die Bilanz des Verkehrs- und Bauministers war und ist alles andere als erfreulich, aber auch ein wenig ungerecht. Denn auf einem anderen Gebiet, war er ziemlich aktiv und zielstrebig, sowohl als CSU-Landesgruppenchef als auch als Minister: im Kampf gegen die Linken und all das, was nach seiner Meinung nach Antikapitalismus oder gar nach Kommunismus riecht.
So wendet er sich wieder und wieder dagegen, daß »einige Gestrige die DDR-Diktatur mit Nostalgie verklären und verharmlosen«, und formuliert so markige Sätze wie: »Ein Schlußstrich unter den Unrechtsstaat DDR kann nicht in Frage kommen ... Wir christlich-sozialen Abgeordneten empfinden es als Verpflichtung, die Erinnerung an die zweite deutsche Diktatur wach zu halten ... Wir setzen ein klares Zeichen gegen die Verklärung und Verharmlosung des SED-Unrechtsstaates, unter dem Millionen gelitten haben.«
Sein Haß auf den »Unrechtsstaat« geht so weit, daß er selbst vor offenen Lügen nicht zurückschreckt. So behauptete er allen Ernstes 1999 im Bundestag, »die Bundesrepublik (habe) mit der Vereinigung 400 Milliarden DM Altschulden des SED-Regimes ... übernommen«. In Wahrheit war es umgekehrt. Zum Zeitpunkt des Anschlusses betrugen die Schulden des DDR-Staatshaushaltes – einschließlich der laut offiziellen Angaben der Bundesbank 19,9 Milliarden Verschuldung gegenüber dem westlichen Ausland – 86,3 Milliarden DM, während die gesamte Schuld der öffentlichen Haushalte der Bundesrepublik mehr als das Zehnfache, nämlich 924 Milliarden DM betrug.
Nun gut, Ramsauer ist CSU-Politiker, da muß man es mit der Wahrheit nicht so genau nehmen. Viel wichtiger ist es, einen klaren politischen Kompaß zu haben. Den aber hat er: Der Hauptfeind steht links, und mit Vorliebe nennt er ihn »SED-Linkspartei« und deren Mitglieder »Neokommunisten« oder »Altkommunisten«. Zum Vereinigungsparteitag von PDS und WASG erhob er seine warnende Stimme: »Alle Sozialdemokraten, die diesen Weg mit Oskar Lafontaine gehen, verraten die demokratische Tradition ihrer Partei ... Das Programm der vereinten Linken vereint alle linken Ladenhüter: das demokratiewidrige Recht auf politischen Streik, die Überführung von Schlüsselbereichen der Wirtschaft in Gemeineigentum, höhere Steuern und Zwangsversicherung für alle und natürlich vor allem ›die Idee des demokratischen Sozialismus‹.« Und als sein damaliger Parteivorsitzender, der aufrechte und bewährte Demokrat Erwin Huber, zum »politischen Kreuzzug gegen die Partei von Oskar Lafontaine« aufrief, schloß er sich ihm wortgewaltig an: »Die wahre Fratze der Linken ist noch nicht hinreichend dargestellt.« So sei der »Kreuzzug« gegen die Linke »ein großartiger Begriff«, denn er mache deutlich, »wie unverzichtbar es ist, diese Dämonen der Politik aus der bayerischen politischen Landschaft zu vertreiben und in der Bundespolitik auf ein möglichst kleines Mindestmaß zu beschränken«.
Da er die geistigen Väter dieser »Dämonen der Politik« nur allzu gut kennt, ist ihm das Marx-Engels-Denkmal im Herzen der Bundeshauptstadt ein schmerzender Dorn im Auge, weshalb er es auf dem Friedhof der Sozialisten in Berlin-Friedrichsfelde endlagern wollte.
Zuweilen trägt die Linksphobie des Müllermeisters und heutigen Bundesministers auch groteske Züge. So traf ihn beinahe der Schlag, als er 2001, damals war er noch parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, sein neues Büro im Jakob-Kaiser-Haus in Augenschein nahm und feststellen mußte, daß es mit rotem, exakter: dorotheenrotem Teppich ausgelegt werden sollte. Gemeinsam mit den Gesinnungsgenossen Friedrich Merz und Michael Glos drang er darauf, die Räume mit bayerischblauer Auslegeware auszustatten. Nach langem erbitterten Kampf mit der Bundesbaugesellschaft erreichten die drei Rotgegner, daß ihre Amts-, Besprechungs und Mitarbeiterräume mit blauem Fußbodenbelag ausgelegt und 340 Quadratmeter roten Teppichs entfernt wurden, was laut Bundesbaugesellschaft Mehrkosten von 80.000 DM verursachte.
Den Teppichkrieg gegen die Farbe des Klassengegners hat der rechte Mühlenbesitzer gewonnen. Sein Kampf gegen die »Dämonen der Politik« wird von jenen erleichtert, die längst rosa denken und die rote Fahne auf Teufel komm raus so umfärben möchten.