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Bericht über einen Parteitag  (Marja Winken)

Die Partei Die Linke, seit Wochen wegen ihrer internen Konflikte im Visier der Medien, sorgte mit ihrem Parteitag für eine große Überraschung: Kurzfristig hatte der Vorstand das Treffen nicht in der Akademikerstadt Göttingen, sondern in der Ruhrgebietsmetropole Dortmund anberaumt. Der Grund dafür wurde zu Beginn des Parteitages in einem gemeinsamen Auftritt des Parteivorsitzenden und sämtlicher Landesvorsitzenden offengelegt: Im gesamten Bundesgebiet habe Die Linke mit ihren bisherigen Gewohnheiten die schwerwiegende Niederlage bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen selbst verursacht. Jetzt werde an einem Ort massiver sozialer Probleme der Arbeiterbevölkerung der öffentliche Versuch unternommen, die Partei wieder auf die Beine zu bringen und zum Eingreifen in die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen zu befähigen. Die Linke werde alle Hinterzimmer verlassen. Wer immer im alltäglich notwendigen Engagement gegen Sozialdemontage, Kriegspolitik und Demokratieverlust mitmachen wolle, sei dazu eingeladen, sich am Lernprozeß der Partei zu beteiligen. Selbstkritisch wurde eingeräumt, daß der Name der Partei bisher nicht Realität abbilde: Die Linke sei noch keineswegs ein politischer Raum für alle diejenigen im Lande, deren Herz links schlage.

Mit großer Mehrheit beschlossen die Delegierten eine veränderte Tagesordnung für den Parteitag. Als erstes berichteten politische PraktikerInnen aus sozialen Protestbewegungen und aus der Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit über ihre Erfahrungen. Sie formulierten auch Erwartungen an eine parlamentarisch tätige linke Partei. Die Kandidatinnen und Kandidaten für die Wahl in den Parteivorstand hatten dann Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen. Sie machten davon lebhaft Gebrauch, die prominenten alten Kämpen der Partei zeigten sich erfreut, aber auch verblüfft, daß es ohne ihre Redekünste ging. Anschließend nahmen Delegierte zu alledem Stellung. Die Leitfrage wurde aus dem Plenum heraus gestellt, mit großer Zustimmung: Auf welche Kampagnen sollen wir uns in den nächsten Monaten konzentrieren?

Überwiegende Meinung war: Vorrang habe jetzt der europaweite Widerstand gegen den Fiskalpakt und dessen eigentlichen Zweck, die gezielte Politik der Verarmung immer größerer Teile der Bevölkerung. Viele Wortmeldungen mahnten an, daß die Bundestagsfraktion sich enger mit den Auseinandersetzungen verbinden müsse, die außerhalb des Parlaments geführt werden. Ironisch wurde vor neuen Schaustücken beim Besetzen des Fraktionsvorstandes gewarnt, solcherart Profilierungen seien doch hinreichend geleistet worden.

Ungeduldig waren inzwischen die Medienvertreter geworden, sie hatten ja von einem Showdown berichten wollen. Sie wurden vertröstet, für den Sonntagvormittag sei eine Pressekonferenz vorgesehen. Die fand auch statt – in einer ungewöhnlichen Form: Die Journalisten konnten im Plenum Fragen stellen, Antworten kamen nicht nur vom Vorstand. Und manche Antworten waren zugleich Fragen an die Medienszene. Am Sonntag öffnete sich der Blick des Parteitags noch einmal nach außen: Abgesandte der griechischen, portugiesischen, spanischen und der französischen Linken berichteten über die politische Lage in ihren Ländern und machten Vorschläge für gemeinsame Aktivitäten für eine europäische Perspektive. Aus dem Plenum kamen Anregungen, wie der Kontakt über die Grenzen hinweg auch an der Basis entwickelt werden könne. Angeregt wurde, sich stärker mit der europäischen Repression gegen Flüchtlinge auseinanderzusetzen. Zum Schluß dieses Teils der Tagesordnung sprach eine Dortmunderin über das antifaschistische Engagement vor Ort und auch darüber, wie man der neofaschistischen Demagogie europäisch vernetzt entgegentreten könne.

Noch immer hofften Medienvertreter auf einen Eklat. Den gab es nicht. Die Vorstandswahlen brachten nichts Aufregendes. Katja Kipping und Bernd Riexinger übernehmen das Ruder, egoman sind sie nicht, also hat weniger eine sensationsbegierige Presse, sondern mehr die Partei von ihnen zu erwarten ...

P.S. Der Parteitag fand in Göttingen statt, auch sonst ist der Bericht fiktiv, ausgenommen der letzte Satz.