Die Partei Die Linke kann weiterhin mit intensivem Interesse bei zwei publizistischen Therapeuten rechnen. Spiegel online, äußerst rege in der Beobachtung von Fiebrigkeiten beim Führungspersonal der PDL, deutet den Zustand nach dem Göttinger Parteitag als Verzögerung; politisch »unvereinigt« sei die Partei geblieben, und das könne auch gar nicht anders sein, also werde der Zeitpunkt der Amputation kommen, bei dem die ostdeutsche »Reformlinke« sich von ihrem an Radikalismus unheilbar erkrankten westdeutschen Körperteil trennen müsse. Die Spiegel-Redaktion ist gern bereit, die politmedizinische Anleitung zu übernehmen, und so prognostiziert sie schon mal: Bei den innerparteilichen Entscheidungen über Spitzenkandidaturen für die Bundestagswahl und die Fraktionsführung werde es zum Bruch zwischen Dietmar Bartsch, unterstützt von Gregor Gysi, und Sahra Wagenknecht, der »Lebensgefährtin« Oskar Lafontaines, kommen. Dann kann der Spiegel sagen: Wir haben mitoperiert!
Ein davon etwas abweichendes Therapiekonzept vertritt die Frankfurter Rundschau. Es ist palliativ. Vor dem Parteitag hatte sich die FR die größte Mühe gegeben, der Linkspartei das Bartsch-Medikament als einzige Heilungsmöglichkeit nahezubringen, aber nach dem Ablauf in Göttingen sind ihr, so scheint es, einige Zweifel an diesem Präparat gekommen, also stellt sie in Frage, ob solch eine Partei überhaupt Existenzberechtigung habe. Vermutlich, so der Redaktionsexperte für dieses Thema, sei Die Linke, ob ostdeutsch oder westdeutsch, einfach dem Alterstod nahe, nicht mehr »zeitgemäß«.
Vom Brancheninteresse her betrachtet, kommt mir die Einschätzung des Spiegel besser durchdacht vor als die der FR. Wie soll denn ein Blatt mit dem Thema Die Linke noch das Interesse der LeserInnen erregen, wenn es selbst diese Partei schon für völlig hinfällig erklärt?
Warten wir es mal ab, die FR bekommt demnächst einen neuen Chefredakteur.